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Wie im Vatikan - Krisen-PR bei der Bahn

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Wie im Vatikan - Krisen-PR bei der Bahn

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    Wie im Vatikan - Krisen-PR bei der Bahn
    Wie im Vatikan - Krisen-PR bei der Bahn Foto: DPA

    Krisenforscher Frank Roselieb bescheinigt der Deutschen Bahn erhebliche Defizite im Dialog mit Kunden und Öffentlichkeit und meint: "Man kann die Bahn ein wenig mit dem Vatikan vergleichen. Sie haben ähnliche kommunikative Schwierigkeiten."

    Das Desaster in der öffentlichen Wahrnehmung ist so groß, dass man es bereits für bemerkenswert hält, wenn etwas funktioniert: "Also mein Zug ist pünktlich und klimatisiert! ICE 1514 Leipzig - Berlin", notierte ein Twitterer aus Chemnitz. Ein Hamburger hebt das Chaos ins Philosophische und twittert: "der Alltag ist meist doch sehr langweilig, zum Ausgleich gibt es die bahn".

    Angesichts solcher Äußerungen rät der Wiesbadener PR-Profi Peter Hübner der Bahn, die Kunden an ihren veränderten Kommunikationsformen abzuholen. "Sie sollte auch das Internet als Frühwarnsystem nutzen und verfolgen, was die Kunden dort an Erlebnissen äußern." Dazu erklärte die Deutsche Bahn: "Im gesamten Konzern beobachten wir die Entwicklung von Twitter und anderen Social Media sehr genau."

    Das Urteil der Öffentlichkeit fällt deswegen so schlecht aus, weil schon in der Vergangenheit immer wieder Mängel wahrgenommen wurden - technische wie hinsichtlich der Glaubwürdigkeit. Roselieb, Direktor bei der Kieler Uni-Ausgründung Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, spricht von einem Perseveranz-Problem bei der Bahn: "Sie hat in der Vergangenheit so viele Probleme gehabt, dass ihr heute nicht mehr geglaubt wird. Im Winter gibt es Probleme wegen eingefrorener Weichen, im Sommer wegen der Klimaanlagen."

    Bei der Klimatisierung der Züge habe sich die Bahn in einer "klassischen Lose-Lose-Situation" befunden: "Hätte die Bahn rechtzeitig bessere Klimaanlagen installiert, hätte man ihr sinnlose Verschwendung vorgeworfen. Heute merkt man, das wäre nicht verkehrt gewesen. Ganz egal, was die Bahn auch macht - in der Wahrnehmung der Bevölkerung trifft sie eigentlich immer die falsche Entscheidung."

    Sinnvoll wäre ein rechtzeitiges "Themenmanagement" gewesen, sagt der Krisenforscher und erklärt: "Sie hätte die Begrenzung der Klimatechnik auf 32 Grad vorher kommunizieren müssen. Die Bahn hat es versäumt, sich ein Reputationspolster anzulegen und die Karten offenzulegen. Das machen andere Unternehmen geschickter."

    Professor Hübner, Inhaber der Agentur Hübner- Unternehmenskommunikation in Wiesbaden, gesteht der Bahn zu, inzwischen besser mit Problemen umzugehen als in der Vergangenheit. "Es gibt aber einen Webfehler im Kommunikationsnetz. Das liegt an der Größe gepaart mit den Veränderungen des Unternehmens in den letzten zehn Jahren." Grundsätzlich sei es immer wichtig, "offensiv zu sein und sehr offen mit Problemen umzugehen".

    Krisenforscher Roselieb empfiehlt der Bahn eine "schnelle zentrale Kommunikation aus einer Hand". Das Unternehmen sei bislang nicht in der Lage, einheitliche Botschaften an die Öffentlichkeit zu bringen. "Das liegt an der dezentralen Organisation. Außerdem kann jede Schaffnerin mit der Kamera befragt werden."

    Auch die Bahn twittert und weist unter DB-Info darauf hin, dass betroffene Kunden bei hitzebedingten Zugausfällen entschädigt werden. Allerdings wünscht sich Roselieb, das Unternehmen würde intensiver von den neuen Möglichkeiten der Kommunikation Gebrauch machen: "Die Bahn hinkt kommunikationstechnisch der Transportwelt etwas hinterher. Sie hat es im Unterschied zu Fluggesellschaften bis heute nicht geschafft, ihren Kunden eine SMS zu schicken, wenn es eine Verspätung gibt."

    Allerdings gibt es mitten in der PR-Krise kaum eine Möglichkeit, die Notbremse zu ziehen. "Im Endeffekt zählt die operative Krisenbewältigung", erklärt Roselieb. "Je früher das Problem im Griff ist, desto eher geben die Leute auch wieder Ruhe."

    Twitter-Einträge zur Bahn

    Institut Krisennavigator

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