In virtuelle Welten eintauchen, sich im Spiel mit anderen messen oder einfach nur über Facebook und andere soziale Netzwerke miteinander kommunizieren: Computer und Internet machen es möglich. Doch es gibt Menschen, die nicht mehr kontrollieren können, wie viel Zeit sie am Rechner verbringen. Sie sind gefangen in der virtuellen Welt. Das Zocken ist für sie zur Sucht geworden.
Die Abhängigkeit von sozialen Netzwerken und Computerspielen bei Jugendlichen und Erwachsenen ist ein zunehmendes Problem. Laut Niels Pruin, Suchttherapeut beim Caritasverband für die Diözese Augsburg, spielen exzessive Zocker häufig Multiplayer-Games wie League of Legends oder Rollenspiele wie World of Warcraft. Beliebt sind zudem Ego-Shooter wie Battlefield 4, Call of Duty oder Counterstrike.
Meist sind es Jungs, die sich in den Spielen verlieren. Doch auch Mädchen können computersüchtig sein: Bei ihnen dominieren die sozialen Netzwerke, allen voran Facebook. Auch dort kann man zum Spielen animiert werden, zum Beispiel durch Farmville. „Das ist wie so ein Tamagotchi, um den man sich immer kümmern muss“, sagt Pruin.
Woran merkt ein Betroffener, dass er süchtig ist?
Der 42-Jährige leitet das Fachgebiet Medien- und Internetsucht, das der Caritasverband 2014 neu geschaffen hat. Pruin ist für die Fortbildung seiner Kollegen in den Suchtfachambulanzen vor Ort zuständig. Aber woran merkt ein Betroffener, dass er süchtig ist? „Wenn sich das Denken nur noch um die virtuelle Welt und um Social Media dreht“, erklärt Pruin. Die Zeit, die jemand vor dem Computer verbringt, könne ein Indiz sein. Entscheidend sei, welche Funktion das Netz für einen Betroffenen hat. „Wenn ich feststelle, dass mir die virtuelle Welt oder mein Profil bei Facebook besser gefällt als meine reale Persönlichkeit, dann wird es zum Problem.“ Kritisch sei etwa, wenn man sich aus Frust in virtuelle Welten verkrieche.
Ein Prozent der Gesamtbevölkerung ist laut einer Studie krankhaft computersüchtig. Die Altersspanne der Abhängigen reicht vom 15-jährigen Schüler bis zum 35-jährigen Familienvater. Mit der Sucht gehen häufig Persönlichkeitsstörungen, eine Depression, mangelndes Selbstwertgefühl und soziale Phobien einher. Ein Bericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Lübeck vom August 2013 nennt Auswirkungen auf den Lebensalltag: So werden Haushalt, Arbeitsfähigkeit, Sozialleben beeinträchtigt sowie die Fähigkeit, Beziehungen einzugehen.
„Manche müssen 40 Mal pro Stunde auf ihr Handy schauen“
Meistens sind es besorgte Eltern, die ihre Kinder auf die Beratungsstellen der Caritas schicken. „Uns fällt auf, dass fast gar keine Mädchen und Frauen kommen“, berichtet Pruin. Er hat festgestellt, dass Social-Media-Süchtige ohnehin kaum Beratung suchen. Ein Grund dafür sei, dass soziale Netzwerke gesellschaftlich nicht so geächtet sind wie beispielsweise Ballerspiele. „Manche müssen 40 Mal pro Stunde auf ihr Handy schauen“, sagt Pruin. Sucht oder nicht? Die Umwelt könne das ganz schlecht einschätzen, ergänzt der Experte. In Beratungsgesprächen versuchen die Mitarbeiter der Caritas mit den Betroffenen, den Konsum und die Sucht zu analysieren. Zudem wird geschaut, welche Alternativen zum Computer es im Alltag gibt. „Wichtig ist, dass man das soziale Umfeld mit einbezieht“, sagt Pruin. Trotz der Probleme spricht er sich nicht dafür aus, Games mit Suchtpotenzial zu verbieten: „Spiele und das Internet sind an sich nichts Schlechtes.“
Wichtig sei jedoch, dass junge Menschen Medienkompetenz erlernen. Eltern sollten sich nicht vor der virtuellen Welt scheuen. „Ich würde das nicht verteufeln“, rät der Suchttherapeut.
Kontakt Die Außenstelle der Suchtfachambulanz Augsburg-Land in Meitingen, Hauptstraße 65 D, ist erreichbar unter Telefon 08271/4201991 oder E-Mail: suchtfachambulanz.meitingen@caritas-augsburg.de