Greenpeace sieht europäische Datenschutz- und Verbraucherrechte in den Verhandlungen zum internationalen Dienstleistungsabkommen TiSA gefährdet. Zusammen mit dem Portal netzpolitik.org veröffentlichte die Umweltschutzorganisation am Freitag vertrauliche Dokumente aus der bisher vorletzten TiSA-Verhandlungsrunde im September. Darin würden Unternehmen weitrechende Rechte und Einflussnahmen zu Lasten der Verbraucher und des Datenschutzes eingeräumt, sagte Jürgen Knirsch, Handelsexperte von Greenpeace.
Trumps Wahlsieg könnte Handelsabkommen verhindern
TTIP - Pro und Contra gegen den Handelspakt
Das geplante Freihandelsabkommen TTIP mit den USA stößt vor allem in der deutschen Bevölkerung auf heftigen Widerstand. Ein Überblick über Argumente von Befürwortern und Kritikern:
Argumente pro TTIP: Der Wegfall von Zöllen und mehr gemeinsame Standards kurbeln die Wirtschaft an und schaffen neue Jobs. Mit 800 Millionen Verbrauchern entsteht der größte Wirtschaftsraum der Welt.
Argumente pro TTIP: Nur ein Zusammenschluss zwischen USA und Europa verhindert, dass Asien künftig die führende Rolle im Welthandel spielt.
Argumente pro TTIP: Deutschland profitiert als größte Exportnation Europas über die Maßen vom Freihandel. Jeder vierte Arbeitsplatz in der Bundesrepublik hängt direkt oder indirekt vom Export ab.
Argumente pro TTIP: Gemeinsame Standards, beispielsweise für die Produktion von Autos, ermöglichen Kosteneinsparungen bei der Herstellung. Das könnte zu sinkenden Preisen für die Verbraucher führen.
Argumente pro TTIP: Europa und die USA rücken auch politisch weiter zusammen.
Argumente contra TTIP: Es besteht die Gefahr, dass europäische Vorschriften zum Schutz von Verbrauchern, Arbeitnehmern oder der Umwelt gelockert werden, weil sie als Handelshemmnisse eingestuft werden könnten.
Argumente contra TTIP: Über Regeln zum sogenannten Investitionsschutz bekommen internationale Großkonzerne die Möglichkeit, nationales Recht und nationale Politik auszuhebeln. Die Parlamente verlieren hingegen an Einfluss.
Argumente contra TTIP: Zahlreiche Menschen in ärmeren Ländern verlieren ihre Jobs, weil es Unternehmen außerhalb der neuen Freihandelszone schwerer haben werden, ihre Waren in den USA oder Europa zu verkaufen.
Argumente contra TTIP: Zölle spülen jedes Jahr Milliardensummen in die Staatskassen bzw. den EU-Haushalt. Dieses Geld würde fehlen.
Argumente contra TTIP: TTIP gefährdet die kulturelle Vielfalt in Europa, weil staatliche Subventionen auf den Prüfstand kommen könnten. (dpa)
Das geplante Trade in Services Agreement (TiSA) wurde bislang zwischen 50 Staaten einschließlich der USA und den Ländern der Europäischen Union verhandelt. Es sollte eigentlich im Dezember als völkerrechtlicher Vertrag vereinbart werden. Ob TiSA überhaupt noch abgeschlossen wird, ist inzwischen allerdings unklar. US-Wahlsieger Donald Trump hatte angekündigt, an seinem ersten Tag als US-Präsident aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP auszusteigen. Das Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU liegt ebenfalls auf Eis. Und eine am 5. und 6. Dezember in Genf geplante Konferenz der Wirtschaftsminister, auf der TiSA verabschiedet werden solle, wurde abgesagt.
Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org, erklärte, er gehe dennoch davon aus, dass TiSA kommen werde, weil die Unternehmen aus den USA massiv von den geplanten Regelungen profitieren würden: "Ich bin nicht davon überzeugt, dass alle Handelsabkommen am Ende sind. Wenn TPP gestoppt wird, dann hat Donald Trump seinen Anhängern einen Skalp gebracht." Alexander Dix, der ehemalige Datenschutzbeauftragte des Landes Berlin, erklärte, es bestehe die Gefahr, dass "der Datenschutz auf dem Altar des Freihandels geopfert wird". Nach den bislang bekanntgewordenen TiSA-Bestimmungen könnten die Datenschutzbeauftragten in Deutschland nicht mehr unabhängig agieren. "Am Ende würden Schiedsgerichte agieren."
Ist TiSA mit euorpäischem Datenschutz vereinbar?
Greenpeace befürchtet unter anderem, dass kein Staat mehr verlangen darf, dass Anbieter den Quellcode ihrer Software offenlegen müssen, auch dann nicht, wenn die Programme bei kritischer Infrastruktur eingesetzt werden. Damit könne niemand mehr prüfen, ob beim Einsatz von Programmen alle Sicherheitsbedingungen erfüllt seien.
Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP
Mit dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) wollen die EU und die USA die größte Freihandelszone der Welt mit 800 Millionen Menschen schaffen.
Durch den Wegfall von Zöllen und anderen Handelshemmnissen soll es auf beiden Seiten des Atlantiks mehr Wachstum geben.
Verbraucher- und Umweltschützer fürchten allerdings, dass europäische Standards gesenkt werden könnten. Die Gespräche über TTIP laufen seit Mitte 2013.
Wann sie abgeschlossen werden können, ist unklar. Ursprünglich sollte ein Rahmen für das Abkommen bereits Ende dieses Jahres stehen. Dieser Termin gilt als nicht mehr haltbar. (dpa)
Die Grünen im Bundestag betonten, es sei "gestrig und grundfalsch", Datenschutz, quelloffene Software und Netzneutralität als Wettbewerbshindernisse zu betrachten. "Diese sind ganz im Gegenteil die Grundvoraussetzung für Gemeinwohl, Verbrauchervertrauen und fairen Wettbewerb im digitalen Zeitalter", erklärten Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, und Katharina Dröge, Sprecherin für Wettbewerbspolitik. Die Europäische Grundrechtecharta und das Grundgesetz seien für Regierungen und die Europäische Kommission beim Schutz von Privatheit und Persönlichkeitsrechten verbindlich. "Die geplanten Bestimmungen widersprechen zentralen Vorgaben der jüngst verabschiedeten EU-Datenschutzreform", meinten die Grünen. dpa