Es ist Kult. Menschen auf der ganzen Welt sind außer sich, wenn Apple, der illustre Computer-Gigant aus Cupertino, zu einer seiner berüchtigten Keynotes einlädt. Steve Jobs, der für viele Apple-Jünger schon messianische Züge hat, ließ es sich selbst in seiner Krankheitspause nicht nehmen, in diesem März zur Präsentation des iPad 2 zu erscheinen. Die Welt richtete ihre Augen auf die Weiterentwicklung des Tablets, das seit dem Start im letztem Jahr die unangefochtene Nummer eins in diesem Marktsegment ist. Ob das iPad 2 tatsächlich diesen Hype verdient und sich ein Kauf beziehungsweise ein Umstieg auf den Nachfolger lohnt, soll nun ein ausführlicher Test klarstellen.
Die Eckdaten
Das iPad 2 hat eine Schlankheitskur hinter sich. Es ist 33 Prozent dünner als der Vorgänger und rund 15 Prozent leichter. Hat das iPad in der ersten Generation noch eine Tiefe von 13,4 Millimeter, gelang es Apple, den Nachfolger auf 8,8 Millimeter zu schrumpfen. Das Gewicht veranschlagt der Computerhersteller bei 601 Gramm für die Wlan-Modelle. Sollte ein 3-G-Anschluss eingebaut sein, erhöht sich das Gewicht auf 613 Gramm. Identisch ist die Auswahl des Speichervolumens. Hier sind 16, 32 oder 64 Gigabyte möglich. Beim Display entschied sich Apple, keine Veränderungen in die neue Variante einzubauen. Im iPad 2 arbeitet ein 9,7 Zoll großes quecksilberfreies Multi-Touch-Hochglanz-Display mit LED-Hintergrundbeleuchtung. Die Auflösung zum iPad 1 ist identisch: 1024 x 768 Pixel bei 132 ppi.
Der Nachfolger drückt aufs Gas
Die wohl größtes Neuerung im iPad 2 ist der Prozessor. Apple spendierte der zweiten Generation einen Dual-Core A5 mit einem Gigahertz, während im ersten Tablet noch ein A4 Single-Core seinen Dienst verrichtete. Diese zusätzliche Power - Apple gibt eine neunfache Steigerung an - merkt besonders der Spielefan. RealRacing 2 HD läuft ohne jegliches Ruckeln; die Ladezeiten sind hervorragend. Im direkten Vergleich wird das iPad 1 aber vor allem bei der Detailgenauigkeit und der Helligkeit geschlagen. Auch das Multi-Tasking, das seit einiger Zeit mit dem iOS-Update möglich ist, scheint dem iPad 2 - im Gegensatz zu diversen iPhone 3 GS - keine größeren Probleme zu bereiten. Gutmütig verrichtet es alle geforderten Befehle, ohne auch nur annähernd ins Schwitzen zu geraten.
Kampfansage an Skype
Bemängelt wurde beim ersten iPad vor allem, dass Steve Jobs wohl „versehentlich“ die Kameras vergessen hatte. Weder Videotelefonie via Skype noch Schnappschüsse waren dem iPad-Besitzer möglich - ein Gimmick, auf das in der heutigen Zeit wohl niemand mehr verzichten möchte. Nun, in der zweiten Generation, haben die Entwickler aus Cupertino diese Wehklagen erhört und verpflanzten auf Rück- und Frontseite eine kleine Kamera. Damit ist die Apple-Modellpalette einheitlich abgeschlossen; iPod Touch, iPhone, iPad und die Mac-PCs sind nun über Facetime, dem hauseigenen Videochat, zu erreichen. Sollte Apple diesen Dienst wie bei iTunes für Windows-Rechner öffnen, bedeutet das eine frontale Kampfansage gegen Branchenprimus Skype.
Ein witzige Spielerei ist das vorinstallierte Programm „Photo Booth“, das Apple schon seit langer Zeit auf seinen Macs führt. Hier lassen sich urkomische Selbstportraits nach dem Vorbild einer Fotobox im Einkaufszentrum machen, die sofort per Email oder via Facebook an die Welt verschickt werden können.
Verknüpfung mit anderen Geräten
Das iPad 2 steht nicht nur für sich allein. Apple entwickelte einen HDMI-Adapter, mit dem sich der Flat-Screen oder ein PC-Bildschirm mit dem iPad 2 synchronisieren lassen. Dann können jegliche Daten, die auf dem Tablet zur Anwendung kommen, über das größere Display betrachtet werden. Eine zweite Verknüpfung kann der iPad-Besitzer über AppleTV herstellen. Kabellos lässt sich das iPad über das kleine Gerät mit dem Fernseher verbinden - Voraussetzung ist ein Wlan-Netzwerk, in dem sich iPad und AppleTV befinden. Dem iPad als Streaming-Client steht so nichts mehr im Wege - einzige Bedingung: das Wlan-Netzwerk kann den Datenstrom zuverlässig verarbeiten.
Das herkömmliche Einerlei
Die Kernkompetenz des iPads ist sicherlich das alltägliche Einerlei, also Emails checken, im Internet surfen oder E-Books lesen. Hier hat das iPad vor allem auf der Couch wegen seiner knappen Abmessungen den klaren Vorteil gegenüber eines konventionellen Laptops. Die Ermüdungswiderstandsfähigkeit wird dadurch sichtlich erhöht. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass das iPad ständig in Bereitschaft ist und nicht wie ein Laptop langwierig hochgefahren werden muss.
Für wen lohnt sich ein Kauf?
Sicherlich, das iPad 2 macht viel Spaß. Es eröffnet den schnellen Zugang in einen schier endlosen Fundus an Apps, Spielen oder Filmen. Doch rechtfertigt dies tatsächlich einen Kauf? Denn ein vollständiger Laptop-Ersatz sind weder iPad noch iPad 2, selbst wenn sie mit externer Tastatur über Bluetooth verknüpft werden.
1. Die Umsteiger:
- 1. Die Umsteiger:
Ist man schon im Besitz eines iPads, dann ist der Umstieg auf die neue Generation nur nötig, sollte man sich intensiv in Spiele wie RealRacing verliebt haben. Alle anderen Anwendungen meistert auch das iPad 1 (noch) in ausreichender Manier. Denn Facetime hat sich einfach mangels Zugang über Windows-Rechner in der Realität noch nicht durchgesetzt. Als Ersatz für eine Fotokamera dient das iPad 2 sicherlich nicht. Die Auflösung der hinteren Linse beträgt gerade mal 960x720 Bildpunkte. Sobald sich das Objekt nur etwas bewegt, verschwimmen die Fotos - von der Körnung bei weiter entfernten Motiven überhaupt nicht zu sprechen. Ob die Entwickler einen Fünffachzoom integriert haben oder nicht, interessiert zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.
2. Die Neueinsteiger
- 2. Die Neueinsteiger
Ein Tablet zu besitzen, gehört in der heutigen Zeit schon fast zur Standardausrüstung des modebewussten und am Puls der Zeit lebenden Menschen. Deshalb: Es geht nichts über die Marke Apple. Ob Samsung oder sonst ein Konkurrent möglicherweise eine USB-Schnittstelle oder eine halbwegs passable Kamera in ihr Pendant verbaut haben, interessiert einfach nicht. Apple hat das Design, den Messias Steve Jobs und die Bedienungsfreundlichkeit, dass sogar ein zweijähriges Kind (Tatsache!) mühelos damit umgehen kann. Gerade für Menschen, die schon immer eine gewisse Barriere zwischen sich und einem Computer verspürt haben, ist das iPad - in welcher Version auch immer - prädestiniert. Einziges großes Manko: die zwar passable, aber keineswegs grandiose Auflösung von 1024 x 768 Pixeln bei leider „nur“ 132 Pixeln pro Inch (ppi). Ohne High Definition lockt man eigentlich heutzutage keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Hier sehnt man sich geradezu nach Apples Retina-Display des iPhone 4, das zwar „nur“ 960x640 Pixel hat, aber gleichzeitig damit pro Inch auf 326 Pixel kommt.
3. Die Fraktion der Wartenden
- 3. Die Fraktion der Wartenden
Genau diese Nachteile, die auch in der zweiten Generation nicht behoben wurden, sollten geduldige Menschen noch von einem Kauf abhalten. Die Grafik ist zwar nicht schlecht. Damit das iPad 2 aber tatsächlich als Medium fürs Zeitung oder Buch lesen ernst genommen werden kann, muss Steve Jobs und seine Entwickler-Crew noch kräftig am Display schrauben. Zu verlaufen gestalten sich die Umrisse der Buchstaben, so dass eine stundenlange Leseaktion für die Augen zum Himmelfahrtskommando wird.
Ebenso die Kameras: Es wird ein Rätsel bleiben, wieso Apple scheinbar keinen Wert auf ihre Kameras legt. Schon beim iPhone dauerte es bis zur 4. Generation, ehe Apple eine Kamera verbaute, die diesen Namen auch verdient.
Wo bist du, mein Flash?
Wer gerne auf der Couch sitzt und während eines Bundesligasamstags auf Sky ein Einzelspiel verfolgt, gleichzeitig aber noch über die anderen Spiele informiert sein will, hat mit dem iPad das passende Gerät gefunden. In hervorragender Qualität informiert die Sport1-App über die Spielstände in den anderen Stadien. Doch Vorsicht: Sobald Flash benötigt wird, ist die Freude vorbei. Es ist zum Beispiel nicht möglich, den Liveticker der Augsburger Allgemeinen zu verfolgen. Denn diese Applikation ist Flash basiert. Es ist eine unfassbare Frechheit, dass Apple es immer noch nicht für nötig erachtet, diesen Dienst auf iPhone oder iPad bereitzustellen. Denn ebenso bleiben viele Videos schwarz, weil die Kompatibilität mit Adobes Flash-Player fehlt. Die Frustration darüber wächst nach jeder Erfahrung; der Drang zurück zu einem richtigen PC ebenso...
Apple hält es auch in der zweiten Generation nicht für erstrebenswert, der kleinen Flunder irgendwelche Anschlüsse außer der hauseigenen Docking-Station zu gewähren. SD-Card-Reader, USB- oder Firewire-Anschlüsse sucht man wie schon bei iPad 1 vergeblich. Fehlender HDMI-Port wird mittels externen Adapters kaschiert - Übertragungsverlust und weitere Kosten inbegriffen.
Der Preis für den Spaß
Das Thema „Kosten“ ist bei Apple traditionell ein Punkt, den vor allem der Käufer gerne ausblendet. Auch beim iPad dürfte die Kreditkartenabrechnung schmerzen, will Steve Jobs in Deutschland für das kleinste Gerät mit 16 GB Speicher und ohne 3G-Standard doch sage und schreibe 479 Euro. Für das Topmodell mit 64 GB Speicher und 3G-UMTS-Datentransfer erwartet Apple eine Überweisung von 799 Euro. Die einzige Antwort darauf muss lauten: Warum sollte Steve Jobs das iPad 2 angesichts der Absatzzahlen des ersten Modells und der Menschenschlangen vor den Apple-Stores billiger machen!
Fazit:
Das iPad 2 hat sich verbessert. Vor allem der neue A5-Prozessor verschafft dem Tablet einen Energieschub. Als tragbare Spielstation wird das Gerät aus Cupertino immer mehr zur scharfen Konkurrenz für Traditionsunternehmen wie Sony oder Nintendo. Die Grafik muss sich - das zeigt vor allem das Paradespiel RealRacing 2 HD - nicht mehr hinter den Konkurrenten verstecken. Die gleichzeitige Möglichkeitenvielfalt - Email, Internet etc. - lässt das iPad zu einem Allrounder für den Alltag werden. Das Design hat sich gegenüber dem Vorgänger nochmals verbessert und die Marke Apple ist sowieso seit Jahren das Maß aller Dinge. Besonders die einfache Bedienung, generell die gesamte Haptik, ist wie immer eine Klasse für sich.
Ärgerlich ist jedoch vor allem die Qualität der Kamera, mit der man eigentlich nicht wirklich etwas anfangen kann. Auch bei der Display-Auflösung muss Apple noch einen Zacken drauflegen, denn angesichts des Spitzenpreises, darf bei allen Komponenten Spitzenqualität erwartet werden.
So lässt sich zusammenfassen, dass das neue iPad 2 diese Nummernbezeichnung nicht verdient hat. Die nächste Generation ist eher ein Update und müsste 1.x heißen. Für Neueinsteiger ist es natürlich keine Frage, dass sie nicht mehr die erste Generation kaufen. Besitzer eines iPad 1 sollten jedoch mindestens auf die dritte Generation warten. Der hohe Preis ist jedoch nur mit der Tatsache zu rechtfertigen, dass das Gerät aus dem Stall von Apple kommt, sozusagen frei nach dem Motto „Adel verpflichtet“.