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Interview: Videospiel-Boom: "Eine Möglichkeit zur Flucht aus dem Alltag"

Interview

Videospiel-Boom: "Eine Möglichkeit zur Flucht aus dem Alltag"

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    Das Spiel "Animal Crossing: New Horizons" für die Nintendo Switch bricht momentan Verkaufsrekorde. Laut Gamedesign-Professor haben die Entwickler den Nerv der Zeit getroffen.
    Das Spiel "Animal Crossing: New Horizons" für die Nintendo Switch bricht momentan Verkaufsrekorde. Laut Gamedesign-Professor haben die Entwickler den Nerv der Zeit getroffen. Foto: Nintendo/dpa-tmn

    Herr Farca, die Corona-Krise sorgt für einen Boom in der Videospiel-Branche. Wieso greifen viele Menschen gerade jetzt zum Controller?

    Gerald Farca: Die Leute sollen momentan möglichst viel zu Hause bleiben und sind auf der Suche nach Beschäftigung. Videospiele bieten Ablenkung und eine Möglichkeit zur Flucht aus dem Alltag. Das ist übrigens auch ein genereller Grund, wieso sie derzeit so beliebt sind: Schließlich leben wir auch abgesehen von Corona in komplizierten Zeiten.

    Werden nun auch Menschen, die zuvor kaum mit Videospielen in Berührung gekommen sind, zu Zockern?

    Farca: Es gibt durchaus Leute, die nun mehr Freizeit haben und das jetzt ausprobieren wollen. Insgesamt ist die Zielgruppe deutlich größer als früher: Es spielen längst nicht mehr nur Kinder und junge Leute, das Durchschnittsalter liegt mittlerweile bei 35 Jahren. Und auch bei Frauen werden Videospiele beliebter. Unseren Game-Design-Studiengang an der Macromedia-Hochschule in Leipzig belegen viele junge Frauen.

    Welche Art von Spielen ist während der Corona-Pandemie besonders gefragt?

    Farca: Den Menschen ist es gerade wichtig, mit anderen Personen zumindest virtuell in Kontakt treten zu können, also mit ihnen zu chatten und zu reden. Online-Games sind deshalb besonders begehrt. Doch auch die Nachfrage nach Spielen, die zum Sport zu Hause anregen sowie Browser- oder Handygames ist hoch.

    Mal abgesehen von Corona: Was sind denn die generellen Videospiel-Trends?

    Farca: Die gehen in ganz verschiedene Richtungen und sind gar nicht so sehr auf einen Nenner zu bringen. Retro-Games, die in den 90er Jahren herauskommen sind, werden derzeit gerne neu umgesetzt. Ein Beispiel ist die Neuauflage von "Final Fantasy VII" oder die "Tony Hawk Pro Skater"-Reihe, welche im Herbst wiederbelebt wird. Aber auch sogenannte Casual Games sind stark im Kommen. Als solche werden Spiele bezeichnet, die leicht zugänglich sind und sich damit an eine große Zielgruppe richten. Die "Sims"-Reihe oder das sehr erfolgreiche "Animal Crossing" zählen etwa zu den Casual Games.

    "Animal Crossing": "Entwickler haben den Nerv der Zeit getroffen"

    Das Spiel "Animal Crossing: New Horizons" für die Nintendo Switch bricht gerade sämtliche Rekorde. Was macht das Spiel derart erfolgreich?

    Farca: Die Reihe hatte schon zuvor eine große Fangemeinde und "New Horizons" ist genau zur richtigen Zeit erschienen (am 20. März, Anmerkung der Redaktion). Außerdem ist das Spiel einsteigerfreundlich und spricht eine große Zielgruppe an. Man kann seine eigene Trauminsel errichten und sie seinen Freunden zeigen, Häuser bauen und in Geschäften einkaufen. Die Spielwelt ist durchaus kapitalistisch, allerdings auch weitaus weniger hektisch als die reale Welt. Damit haben die Entwickler den Nerv der Zeit getroffen.

    Wenn momentan besonders viel Zeit für Videospiele bleibt: Besteht die Gefahr, dass sich Menschen in Videospielen "verlieren"?

    Farca: Wenn man zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringt, kann das durchaus zu einer Sucht werden. Wirklich problematisch wird es dann, wenn die Menschen von der Fiktion zu sehr abgelenkt sind und beispielsweise Familie, Freunde und den Job vernachlässigen.

    Wird der Videospiel-Boom in dieser Form auch nach der Corona-Pandemie anhalten?

    Farca: Die Nachfrage ist aktuell natürlich extrem hoch. Ich kann mir schon vorstellen, dass sie nach der Krise etwas abflacht. Generell hält der Gaming-Boom in Deutschland nun allerdings schon lange an.

    Zur Person: Gerald Farca (36) kommt aus Augsburg und ist Professor für Gamedesign mit Schwerpunkt Game Studies und Narrative Design an der Macromedia-Hochschule in Leipzig. In seinem Blog beschäftigt er sich unter anderem mit dem Phänomen des Videospiel-Tourismus.

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