Immer mehr Deutsche nutzen Smartphone-Apps, um ihre Fitness zu messen, ihren Schlaf zu kontrollieren oder ihren Zyklus zu berechnen. Bei sogenannten Medizin- beziehungsweise Gesundheits-Apps ist aber Vorsicht geboten. Unter der zahlreichen Gesundheits-Apps befinden sich bislang wenige mit echtem diagnostischem und therapeutischem Anspruch. Dies ist das Ergebnis einer vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Studie des Peter-L.-Reichertz-Instituts für Medizinische Informatik, die am Montag in Berlin präsentiert wurde.
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Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) forderte eine Verständigung auf "klare Qualitäts- und Sicherheitsstandards" für Patienten, Ärzte und App-Entwickler. Gesundheits-Apps könnten Menschen unterstützen und ihnen eine Hilfe sein, erklärte Gröhe. Bei inzwischen schon mehr als 100.000 verschiedenen Angeboten sei es für Bürger wie Mediziner "aber nicht einfach, zwischen guten und schlechten Angeboten zu wählen".
Geeignete Gesundheits-App für Diabetiker
So ist etwa die Suche nach einer geeigneten Gesundheits-App für die rund sieben Millionen Diabetiker in Deutschland recht kompliziert. Das wiederum zeigt eine Studie des Universitätsklinikums Freiburg, bei der Medizin-, Gesundheits- und Lifestyle-Apps unter die Lupe genommen wurden. So kann man beispielsweise für Smartphones mit dem Betriebssystem Android alleine unter 22 deutschsprachigen und kostenlosen Angeboten wählen. Davon haben allerdings nur drei Apps von den Experten durchweg gute Noten erhalten. Sie informieren die Patienten nicht nur über die Ursachen von Diabetes und dokumentieren die Messwerte, sondern geben den Betroffenen durch ein individuelles Feedback Anreize, sich gesundheitsförderlich zu verhalten. Andere Gesundheits-Apps wurden aber durch mangelhafte Datenschutz-Erklärungen oder ein fehlerhaftes Impressum abgewertet.
Das Beispiel der Diabetes-Apps zeigt: Smartphone-Apps und Internet-Dienste haben das Potenzial, die Gesundheitsversorgung der Menschen in Deutschland positiv zu beeinflussen, doch noch werden diese Chancen nicht umfassend genutzt. Bei der Bevölkerung ist die Bereitschaft jedenfalls vorhaben, sich auf Gesundheitsdienste im Netz und Gesundheits-Apps einzulassen. Das ergab eine Umfrage, die von der Techniker Krankenkasse (TK) in Auftrag gegeben wurde. Drei von vier Befragten sagen, dass sie vorwiegend oder ausschließlich online nach Gesundheitsinformationen suchen. Mehr als jeder Zweite (52 Prozent) gab an, mit einem Arzt über das Internet in Kontakt treten zu wollen. Bei dieser Bereitschaft spielt das Alter der Befragten kaum eine Rolle.
Deutlich geringer fällt die Bereitschaft aus, seine Gesundheitsvorsorge und die Speicherung von medizinischen Daten umfassend online zu organisieren. Immerhin jeder Dritte möchte kostenlos per E-Mail an anstehende Früherkennungs- und Vorsorge-Termine erinnert werden. Auch die "Patientenquittung", also eine Auflistung aller vom Arzt abgerechneten Leistungen, will ein Drittel online erhalten. Doch bei den Gesundheits-Apps für das Smartphone, die helfen sollen, gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden, schrumpft die Zustimmung im Trendmonitor der TK auf magere 7 Prozent. Boom von Gesundheits-Apps und Recht auf die analoge Welt
Gesundheits-Apps: So unsicher sind sie
Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass längst nicht jeder Krankenversicherte über ein Smartphone verfügt. Dahinter steht aber auch ein Misstrauen, ob die Daten in den Gesundheits-Apps ordentlich geschützt sind und nicht in falsche Hände fallen können. "Der Schutz der Sozialdaten ist extrem wichtig", sagte Jens Baas, der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse. Ohne die Namen Google und Apple in den Mund zu nehmen, stellte er in Frage, ob die beiden US-Konzerne geeignet seien, die "digitalen Schätze" der Versicherten zu hüten. Seine eigene Organisation brachte er als Aufbewahrungsort ins Gespräch.
Bei den Krankenkassen seien die Daten bestens aufgehoben, sagt Baas. Sie machten zum einen keinen Profit mit dem Verkauf der Hardware. Auch ein kommerzielles Interesse an diesen Daten sei nicht vorhanden - schließlich sei eine kommerzielle Risikobewertung der Versicherten bei den gesetzlichen Kassen in Deutschland verboten. Bei den privaten Versicherungen gelte das Verbot jedoch nicht. "Und zum anderen ist der Datenschutz innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen bereits auf einem sehr hohen Niveau strikt geregelt."
Ein zentraler Speicher der medizinischen Daten bei der gesetzlichen Krankenkasse ermögliche auch beispielsweise, die Verschreibung von Medikamenten unabhängig von den beteiligten Ärzten zentral zu erfassen und den Patienten bei Bedarf vor unerwünschten Wechselwirkungen zu warnen. "Vieles von dem, was heute den Arzt Zeit kostet, kann in naher Zukunft durch eine bessere Vernetzung vereinfacht und verbessert werden." AZ/dpa