Ein Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zur Bekämpfung von Hasskommentaren und Verleumdung im Netz ist bei einer Expertenanhörung im Bundestag fast durchgängig kritisch bewertet worden.
Nicht nur Vertreter der Digital-Wirtschaft bemängelten das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz, sondern auch Rechtswissenschaftler und Organisationen wie Reporter ohne Grenzen.
Etliche Experten befürchteten, dass Netzwerke wie Facebook sich durch das Gesetz gedrängt sehen, im Zweifelsfall auch nicht strafbare Kommentare zu löschen, um auf der sicheren Seite zu sein. "Im Bewusstsein, sich der Gefahr hoher Strafzahlungen auszusetzen, werden die Netzwerke dazu neigen, im Zweifel Löschungen vorzunehmen", kritisierte Prof. Bernd Holznagel, Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht in Münster. Der auch innerhalb der schwarz-roten Regierungskoalition umstrittene Gesetzentwurf sieht Strafen von bis zu 50 Millionen Euro vor, wenn Internet-Firmen illegale Inhalte nicht schnell genug löschen und die Zusammenarbeit verweigern.
Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, erklärte, die im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen zur Regulierung sozialer Netzwerke seien ungeeignet, um gegen "Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte" vorzugehen. "Damit verfehlen sie den Zweck des Gesetzes. Stattdessen greifen sie in dieser Ausgestaltung unverhältnismäßig in die Presse- und Meinungsfreiheit ein und können die Kommunikationsfreiheit im Internet nachhaltig beschädigen."
Der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes Bitkom, Bernhard Rohleder, erklärte, das geplante Hatespeech-Gesetz sei "gut gemeint, aber schlecht gemacht". So werde die Löschung von "offensichtlich rechtswidrigen Inhalten" innerhalb von 24 Stunden gefordert. "Aber was ist "offensichtlich rechtswidrig" bei Beleidigung oder Verleumdung? Selbst Richter tun sich mit Antworten schwer und kommen oft zu überraschenden Ergebnissen - wie nicht nur die Entscheidung zum Schmähgedicht von Jan Böhmermann zeigt", sagte Rohleder. Der Einzelne beurteilte Sachverhalte häufig anders als es Gerichte nach sorgfältiger Abwägung tun würden.
An die Seite von Bundesjustizminister Maas stellte sich unter anderen der Hamburger Staatsanwalt Ulf Bornemann: "Das Gesetz stellt ein klares Signal der Politik dar, gegen "Hasskriminalität" in sozialen Netzwerken vorzugehen." Damit werde die Verfolgung dieser Kriminalitätsform - insbesondere der Straftatbestände des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie der Volksverhetzung - ermöglicht.
In den vergangenen Tagen hatten Facebook und Google angekündigt, bei der Bekämpfung terroristischer Inhalte stärker auf künstliche Intelligenz zu setzen. So sollen selbstlernende Maschinen unter anderem erkennen, wenn jemand versucht, ein bereits bekanntes Video mit Terror-Propaganda hochzuladen. In der Vergangenheit hatten sich die Online-Plattformen weitgehend darauf beschränkt, Inhalte nur auf Hinweis von Nutzern hin zu entfernen. Inzwischen gehen sie aber zunehmend auch selbst auf die Suche nach strafbaren Einträgen.
Für Facebook betonte der für politische Fragen in Europa zuständige Manager Richard Allan in einem Blogeintrag die Fortschritte bei der Bekämpfung von Hassrede unter anderem durch den Ausbau der Zahl qualifizierter Prüfer. Facebook hatte bereits im Mai in einer ausführlichen Stellungnahme kritisiert, das Gesetz sei verfassungswidrig, zu unklar formuliert und könne die Meinungsfreiheit einschränken.
Stellungnahmen der Sachverständigen