Ob es der SPD schadet, der kleinere Partner in einer Koalition mit der CDU zu werden, ist nach Überzeugung des Berliner Wahlforschers Thorsten Faas noch offen. "Die Erwartung ist zunächst einmal, dass der Juniorpartner es ganz schwierig haben wird", sagte der Politikwissenschaftler, der an der Freien Universität lehrt, der Deutschen Presse-Agentur. "Aber es hängt letztlich davon ab, wie gut sich der große Partner aufstellt."
Die Frage sei, was für eine Art Koalition es werde, sagte Faas. "Wird Kai Wegner eine Merkel-Rolle haben und alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Oder wird es eher so wie am Ende der Großen Koalition im Bund sein, als ein Vizekanzler Scholz plötzlich wie der Amtsinhaber wirkte?"
Wegner sei auch in der CDU nicht unumstritten gewesen. "Jetzt hat die CDU ein sehr beeindruckendes Wahlergebnis erzielt und er selbst ist seinem Ziel, Regierender Bürgermeister zu werden, ein gutes Stück nähergekommen", so der Politologe. "Aber er ist bislang nicht wirklich bekannt in Berlin. Man wird sehen, wie er sich macht in diesem Amt. Das ist die große offene Frage - und das wird letztlich eine entscheidende sein."
Im Fall der jetzigen Regierenden Bürgermeisterin und SPD-Landesvorsitzenden Franziska Giffey sei das anders. "Die SPD weiß das, und das wissen auch die Menschen: Giffey kann das grundsätzlich", sagte Faas. Sie habe auch als Bürgermeisterin in Neukölln und als Bundesfamilienministerin schon ihre Frau gestanden.
"Den Beweis, dass er da mithalten kann, muss Wegner erst noch erbringen." Für ihn und die CDU seien die kommenden Wochen und Monate insofern spannend, ob er den Erwartungen gerecht werden könne oder nicht. Für die SPD könne Juniorpartner jedenfalls kein erstrebenswerter Dauerzustand sein, sagte Faas.
Dass Giffey ihr Amt als Regierungschefin aufgebe und in die zweite Reihe trete, das sei sehr ungewöhnlich, aber aus der Situation heraus verständlich: "Ein "Weiter so" in der bisherigen Koalition hätte potenziell desaströse Konsequenzen haben können bei der nächsten Wahl", sagte Faas. "Und dann gab es auch die Frage, klebt sie an ihrem Stuhl?" Offenkundig sei sie für sich zu der Entscheidung gekommen, dass es weniger riskant sei, jetzt zur Seite zu treten, als mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.
"Der zweite Punkt ist die Hoffnung, dass es noch dauert, bis das schwarz-rote Bündnis in einen Arbeitsmodus kommt und der neue Regierende Bürgermeister sich eine gewisse Sichtbarkeit und Popularität erarbeitet hat", sagte Faas.
"Sie selbst braucht das nicht. Sie wird an zentraler Stelle auf der Bühne bleiben und kann zugleich sagen, sie hat Demut gezeigt, sie ist einen ungewöhnlichen Schritt gegangen." Aber sie habe auch schon angedeutet, dass sie für die nächste Wahl die Spitzenkandidatur mit einem dann möglicherweise nochmal anderen Ausgang vorstellen könne.
(dpa)