Weil ihre Verfahren zu lange gedauert haben, sind im vergangenen Jahr in Berlin 9 Verdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Das teilte die Senatsjustizverwaltung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage mit. Bei den Fällen gehe es um Vorwürfe wie etwa gefährliche Körperverletzung, gewerbsmäßige Bandenhehlerei oder Drogenhandel. 2021 gab es laut Justizverwaltung 8 solcher Fälle. Bundesweit wurden 2022 mindestens 73 Verdächtige wegen zu langer Strafverfahren aus der Untersuchungshaft entlassen, wie aus Zahlen des Deutschen Richterbundes hervorgeht, die der dpa vorliegen.
Der Verband bezieht sich bei den Angaben auf eine Umfrage der Deutschen Richterzeitung bei den Justizministerien und Oberlandesgerichten der 16 Länder. 2021 hatten die Justizverwaltungen demnach 66 Fälle gemeldet, 2020 waren es 40. Die höchsten Zahlen hat danach Bayern mit 15 Fällen für 2022 gemeldet (2021: 10). In den zurückliegenden fünf Jahren sind nach den Angaben bundesweit mehr als 300 Verdächtige aus der U-Haft entlassen worden, weil die Verfahren zu lange dauerten.
Die Zahlen in Berlin sind nach Behördenangaben recht unterschiedlich ausgefallen. So wurde 2020 lediglich ein Mensch aus der U-Haft entlassen, weil die Justiz nicht schnell genug voran kam, 2019 waren es 10 und im Jahr zuvor 15 Verdächtige.
Der Richterbund sieht als Ursache für die bundesweite Entwicklung einen wachsenden Aufwand bei der Bearbeitung von Strafverfahren, aber auch einen Personalmangel bei Staatsanwaltschaft und Gerichten. Bundesweit fehlten dort mindestens 1000 Juristen.
Aus Sicht der Berliner Justizverwaltung war Personalmangel "in keinem der Fälle der maßgebliche Grund für die Haftentlassung". Vielmehr handele es sich "um Einzelfälle organisatorischen Verschuldens". Dabei sei zu berücksichtigen, dass in dem Bereich insgesamt viel Arbeit anfalle. So sei allein im Jahr 2021 in 1885 Fällen (2020: 2085 Fälle) U-Haft angeordnet worden.
(dpa)