Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Berlin: Geteiltes Echo: Viel Kritik am Koalitionsvertrag

Berlin

Geteiltes Echo: Viel Kritik am Koalitionsvertrag

    • |
    Die Spitzen der Berliner SPD und CDU mit dem Koalitionsvertrag.
    Die Spitzen der Berliner SPD und CDU mit dem Koalitionsvertrag. Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD stößt auf ein geteiltes Echo. Nachdem beide Parteien ihn am Montag vorgestellt haben, gab es durchaus Zustimmung, aber auch viel Kritik von ganz verschiedenen Seiten.

    - Das gilt zum einen für die Berliner Wirtschaft: Der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, Sebastian Stietzel, lobte zwar die Einigung auf ein digitales Bürgeramt, die Fortsetzung des Bündnisses für Wohnungsbau und die Entbürokratisierung des Vergaberechts. "Ein klares No-Go ist allerdings die angekündigte Ausbildungsplatzumlage", sagte er am Montag nach der Vorstellung des Koalitionsvertrags. Sie soll ein finanzielles Druckmittel sein, um die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe zu erhöhen.

    Der Präsident der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Stefan Moschko, ergänzte, CDU und SPD müssten jetzt an einem Strang ziehen, um die Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern. Nötig sei ein Aufbruch gerade bei der Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung. Es sei richtig, dass Kai Wegner diese Themen zur Chefsache machen wolle. "Weniger Bürokratie und schnelleres Verwaltungshandeln sind für die Unternehmen essenziell."

    - Lob gibt es von den Gewerkschaften: "Die erste Bewertung fällt positiv aus", sagte die Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, Katja Karger. "Es werden entscheidende Aspekte für die Beschäftigten in den Mittelpunkt gestellt: Tariftreue, Mitbestimmung, Ausbildung." Zu begrüßen sei die Absicht, den Landesmindestlohn und den Vergabemindestlohn regelmäßig anzupassen. Anders als die IHK sehen die Gewerkschafter auch die angekündigte Ausbildungsumlage positiv, die kommen soll, wenn die Berliner Unternehmen bis 2025 nicht 2000 neue Ausbildungsplätze schaffen.

    - Deutliche Kritik gibt es aus der Politik: "Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD ist eine milliardenschwere Wundertüte", so Grünen-Landesvorsitzender Philmon Ghirmai. Die vielen Ankündigungen seien keine Antworten darauf, wie sich das Leben der Menschen in Berlin spürbar verbessern lasse. "Gesellschaftspolitische und bürgerrechtliche Errungenschaften werden wie erwartet zurückgedreht." Die CDU habe sich auf ganzer Linie durchgesetzt, eine sozialdemokratische Handschrift sei nicht zu erkennen. "Videoüberwachung, Online-Durchsuchungen, die Ausweitung von Telekommunikationsüberwachung oder der Einsatz von BodyCams in privaten Räumen: Schwarz-Rot is watching you."

    Auch Berlins FDP-Landesvorsitzender Christoph Meyer sparte nicht an Kritik: "Es wurden ohne große Diskussionen - da endlich das Amt des Regierenden Bürgermeisters winkt - die eigenen Positionen billig verkauft", warf er der CDU vor. Zentrale Fragen blieben unbeantwortet. "Etwa eine Lösung, wie das Berliner Wohnungsproblem endlich angegangen werden kann." Ihre Positionen aus dem Wahlkampf bei Themen wie Enteignung großer Wohnungsunternehmen, Rekommunalisierung der Fernwärme oder dem Rückkauf von Wohnungen habe die CDU offenbar mit in die Wahlurne geworfen.

    Die Vorsitzende der AfD-Hauptstadtfraktion, Kristin Brinker, kritisierte, der Koalitionsvertrag beschränke sich bei Themen wie Wohnungsmangel und Verwaltungsmodernisierung auf wolkige Absichtserklärungen. Sorge mache die lockere Haltung der neuen Koalition zum Geld. "Dass Milliarden für sogenannten Klimaschutz und den Ankauf von Wohnungen ausgegeben werden sollen, werden noch unsere Enkel teuer bezahlen müssen."

    - Umweltschützer äußerten sich besorgt: Ein Schritt nach vorne sei zwar beispielsweise das geplante Sondervermögen für mehr Klimaschutz, so der Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Berlin, Tilmann Heuser. Es fehle aber eine konsequente Handlungsstrategie für eine klimaneutrale Stadt. "Wie die Umsetzung der Klimaschutzziele erreicht werden soll, bleibt offen."

    Ähnlich sehe es in der Baupolitik aus. Zwar kündige Schwarz-Rot an, versiegelte Flächen besser nutzen, gleichzeitig aber auch, unversiegelte Flächen wie Teile des Tempelhofer Felds bebauen zu wollen. "Das lehnen wir aus Gründen des Klima- und Naturschutzes kategorisch ab."

    - Deutliche Worte waren von "Deutsche Wohnen & Co enteignen" zu hören: Die Initiative hat CDU und SPD eine antidemokratische Haltung vorgeworfen. Die beiden Parteien wollten den erfolgreichen Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen untergraben, kritisierte sie. "Wir sind entsetzt über diese klar antidemokratische Haltung." CDU und SPD wollten mit einem Rahmengesetz versuchen, die Vergesellschaftung zu verhindern.

    Im Koalitionsvertrag heißt es, ein Vergesellschaftungsrahmengesetz solle "objektiv qualitative Indikatoren beziehungsweise Kriterien" für eine Vergesellschaftung festlegen. Dabei sei juristisch unstrittig, dass Artikel 15 des Grundgesetzes bereits die rechtliche Grundlage dafür biete, so Initiativen-Sprecherin Isabella Rogner. Dass die Berliner SPD die Selbstgeißelung auf sich nehme, Juniorpartnerin der CDU zu werden, sei völlig unverständlich. "Damit schafft die SPD sich selbst ab - und bringt gleichzeitig großes Unheil über unsere Stadt."

    (dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden