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Zweite Stammstrecke: Ex-Ministerin spricht Klartext und Scheuer handelt sich eine Anzeige ein

Zweite Stammstrecke

Ex-Ministerin spricht Klartext und Scheuer handelt sich eine Anzeige ein

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    Zwei Jahre lang war Kerstin Schreyer (CSU) bayerische Verkehrsministerin.
    Zwei Jahre lang war Kerstin Schreyer (CSU) bayerische Verkehrsministerin. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Die Grünen im Landtag haben Strafanzeige gegen Ex- Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gestellt. Er soll, so ihr Verdacht, im Untersuchungsausschuss des Landtags zum Debakel um die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München falsch ausgesagt haben. Die Anzeige stützt sich unter anderem auf die Aussage der früheren bayerischen Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) am Dienstag im Untersuchungsausschuss. Schreyer widersprach einer Darstellung Scheuers, die zuvor auch schon von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) angezweifelt worden war. Obendrein sieht sich die Opposition durch die Aussage Schreyers in dem Verdacht bestätigt, dass milliardenschwere Mehrkosten und jahrelange Zeitverzögerungen bei dem Megaprojekt möglicherweise bewusst unter der Decke gehalten wurden.

    Nur zwei Jahre – von Februar 2020 bis Februar 2022 – war Schreyer in Bayern Verkehrsministerin. Für den Untersuchungsausschuss, der die Verantwortlichkeiten für das Finanz- und Planungsdebakel klären soll, aber ist das ein entscheidender Zeitraum. Noch im Jahr 2019 hatte die Bahn bei einem Spitzengespräch versichert, dass es bei der zweiten Stammstrecke durch diverse Umplanungen weder zu Verteuerungen noch zu Zeitverzögerungen komme, und dies bei ihrem Amtsantritt noch einmal bekräftigt. Am 25. September 2020 aber wurde bei einem Gespräch auf Fachebene bekannt, dass die Kosten nach Schätzung der Bahn von 3,8 auf 5,2 Milliarden steigen werden und sich die Inbetriebnahme der zweiten S-Bahn-Röhre um weitere fünf Jahre bis 2033 verzögern werde. "Da brannte die Hütte", sagte Schreyer.

    Schreyer zur Stammstrecke: Kein klärendes Gespräch bis Anfang 2022

    Sie hat dann, wie sie dem Ausschuss berichtete, schnell und in der Folge auch beharrlich auf ein neues Spitzengespräch gedrängt. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe ihr zugesagt, Bahn, Bund und Stadt München erneut zu einem Runden Tisch einzuladen. Dazu sei es aber, obwohl sie immer wieder "auf allen Ebenen nachgefragt" habe, bis zum Ende ihrer Amtszeit nicht gekommen.

    Auch ihre eigenen Bemühungen, Klarheit zu schaffen, seien ins Leere gelaufen. Nach Schreyers Darstellung kam sie weder bei ihrem Parteifreund Scheuer noch beim zuständigen Bahn-Vorstand Roland Pofalla weiter. Sie habe mit Scheuer telefoniert und ihm einen Brief geschrieben, aber nur kurz – „wahrscheinlich über WhatsApp“ – zur Antwort bekommen, dass sie sich an die Bahn wenden solle. Scheuer hatte bestritten, den Brief zu kennen und gesagt, er könne sich an kein Telefonat erinnern – weshalb ihn die Grünen jetzt angezeigt haben. 

    Andreas Scheuer (CSU), ehemaliger Bundesverkehrsminister, im Untersuchungsausschuss.
    Andreas Scheuer (CSU), ehemaliger Bundesverkehrsminister, im Untersuchungsausschuss. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Den Bahn-Vorstand habe sie persönlich bei einem Termin in Nürnberg auf die Zahlen angesprochen. Pofalla, so berichtete Schreyer, "herrschte mich an, dass ich irgendwelche Zahlen in die Welt setze". Es seien aber Zahlen der Bahn gewesen. Als sie ihm das zwei Tage später schriftlich mitteilte, habe er in einem Brief zwar etwas freundlicher geantwortet, aber die Zahlen für "gegenstandslos" erklärt. Sie seien nur eine Diskussionsgrundlage. Fortan habe sie sich mit der Frage beschäftigt: "Wie kriegen wir Druck in den Kessel, dass wir an die Zahlen kommen?" Ihre Versuche, Unterstützung von der Staatskanzlei zu bekommen, scheiterten nach ihrer Aussage.

    Ein Aktenvermerk aus dem zuständigen Referat der Staatskanzlei vom Dezember 2020 deutet nach Auffassung der Opposition darauf hin, dass die Zurückhaltung Söders einen handfesten Grund hatte. In dem Vermerk wird zu einer "dilatorischen", also aufschiebenden beziehungsweise verzögernden Behandlung des Problems geraten. Es sei "kein Gewinnerthema", heißt es in dem Vermerk. Tatsächlich wurde bis zum Ende der Amtszeit Schreyers kein Runder Tisch einberufen.

    FDP: Söder gab Kanzlerkandidatur den Vorzug

    Für die Opposition liegt der Grund dafür auf der Hand – die damals mögliche Kanzlerkandidatur Söders. Er und Scheuer, so sagt Inge Aures (SPD), hätten "das Milliardengrab wegen der Bundestagswahl verheimlicht" und Schreyer "gnadenlos ausgebremst". Sebastian Körber (FDP) wirft Söder vor, Schreyers Alarmmeldungen ignoriert zu haben: "Anstatt sich dem Wohle Bayerns und den Pendlerinnen und Pendlern im Großraum München verpflichtet zu fühlen, hat Söder offenbar seiner persönlichen Karriereplanung, Bundeskanzler werden zu wollen, den Vorzug gegeben."

    Die CSU-Abgeordneten, die die Verantwortung für das Debakel bei der Bahn sehen, hielten sich bei der Vernehmung Schreyers zurück. Sie stellten keine Fragen, protestierten aber in Zwischenrufen gegen angebliche Unterstellungen aus den Reihen der Opposition.

    Der Ausschussvorsitzende Bernhard Pohl (Freie Wähler) attestierte Schreyer Tatkraft: "Sie hat sich nach Kräften, fast schon verzweifelt bemüht, an Informationen zu kommen, aber Scheuer und Pofalla haben sie abtropfen lassen."

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