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Wolfsverordnung: Debatte um Wolf-Abschuss in Bayern ab Mai 2023

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Streit um den Wolf: "Mit der Angst der Menschen wird Wahlkampf gemacht"

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    Wölfe dürfen in Bayern ab 1. Mai leichter getötet werden. Gegen den Beschluss gibt es heftigen Widerstand.
    Wölfe dürfen in Bayern ab 1. Mai leichter getötet werden. Gegen den Beschluss gibt es heftigen Widerstand. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Das Entsetzen unter Bayerns Naturschützern ist groß, seit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Jagd auf den Wolf eröffnet hat. "Mit der Angst der Menschen wird Wahlkampf gemacht. Und die Angst wird noch geschürt", sagt Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern (BN). Der Kabinettsbeschluss sei ein Schlag ins Gesicht, fährt Mergner fort. "Wir wurden nicht beteiligt oder zuvor informiert." Der BN erwägt eine Klage und prüft derzeit ein juristisches Vorgehen. Denn Mergner zufolge steht der Beschluss auf dünnem Eis. "Man versucht, mit dem juristischen Trick, die öffentliche Sicherheit sei in Gefahr, einen allgemeinen Abschuss durchzusetzen." 

    Die neue Wolfsverordnung umfasst gerade einmal vier Paragrafen, eins und zwei sind die, über die derzeit so hitzig debattiert wird. Der erste befasst sich mit der von Mergner angesprochenen öffentlichen Sicherheit, der zweite mit der Abwendung von ernstem wirtschaftlichem Schaden, also dem Reißen von Nutztieren. Im Kern sieht die Vorordnung vor, dass Wölfe leichter getötet werden können. Laut Söder reicht ein einziger Riss, dann könne in dem Gebiet eine "Entnahme" – was nichts anderes als Abschuss bedeutet – erfolgen. Es müsse, erklärte Söder, auch nicht der eine Wolf ermittelt werden, der ein Schaf gerissen habe. Umweltminister Thorsten Glauber (FW) versicherte in einem Pressestatement: "Wir machen, was rechtlich möglich ist, um zentrale Ziele zu erreichen: die Weidewirtschaft unterstützen und die Weidetiere schützen, Gefährdungen für den Menschen ausschließen und die Artenvielfalt im Alpenraum erhalten." Und genau da ist der Haken: Ist das alles tatsächlich rechtlich wasserdicht?

    Grünen-Chef Hartmann über Wolfsverordnung: "Absehbar, dass Söder damit vor jeder gerichtlichen Instanz scheitern wird"

    Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen im Landtag, findet darauf eine deutliche Antwort: "Es ist absehbar, dass Söder damit vor jeder gerichtlichen Instanz scheitern wird." Das lasse nur eine Vermutung zu: "Es interessiert ihn nicht, ob er mit seinem aktionistischen Vorgehen den bayerischen Tierhalterinnen und Tierhaltern wirklich helfen kann. Die Hauptsache für ihn ist, dass er einmal mehr die Schlagzeilen dominiert." Söder gehe es "einzig und allein darum, im Wahljahr vermeintlich einfache Lösungen zu präsentieren, ganz egal, ob sie am Ende umsetzbar sind oder nicht", sagt Hartmann und ergänzt: "Wir stehen hinter der Klage, die vonseiten der Verbände angekündigt worden ist." Schließlich setze sich die Staatsregierung "aus reinem Wahlkampfkalkül über geltendes nationales und europäisches Recht" hinweg.

    Söder gehe es "einzig und allein darum, im Wahljahr vermeintlich einfache Lösungen zu präsentieren, ganz egal, ob sie am Ende umsetzbar sind oder nicht", meint Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen.
    Söder gehe es "einzig und allein darum, im Wahljahr vermeintlich einfache Lösungen zu präsentieren, ganz egal, ob sie am Ende umsetzbar sind oder nicht", meint Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen. Foto: Bernhard Weizenegger

    Ähnlich sieht das Willi Reinbold, Wolfsbeauftragter für Bayern beim Landesbund für Vogelschutz (LBV). Die Organisation ist Mitglied in der Steuerungsgruppe „Wildtiermanagement/Große Beutegreifer“. Über die Hintertür würden wolfsfreie Zonen eingerichtet, indem man sage, dass manche Gebiete nicht schützbar seien, sagt Reinbold. "Nach EU-Recht kann es wolfsfreie Zonen aber nicht geben." Er glaubt deswegen nicht, dass der Kabinettsbeschluss vor Gericht haltbar sei. Damit er Bestand haben könnte, müsste die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie – ein Abkommen der EU zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen – geändert werden, erklärt Reinbold. "Und da sagt die

    Wolfsexperte: Abschüsse von Wölfen lösen das Problem nicht

    Reinbold weist nicht nur auf die juristischen Probleme hin – auch die von der Staatsregierung angekündigte Wirkung gebe es nicht, sagt der Wolfsexperte. "Der langfristige Schutz der Weidetiere funktioniert nur über Herdenschutzmaßnahmen. Nicht über Abschüsse." In Spanien etwa habe sich gezeigt, dass dort, wo Wölfe geschossen wurden, die Weidetiere nicht besser geschützt waren. "Oft wurden die falschen Tiere getötet. Der Rest des Rudels musste ums Überleben kämpfen und riss jedes Weidetier, das es kriegen konnte." Bei unter Strom stehenden Herdenschutzzäunen indes stelle sich beim Wolf ein Lerneffekt ein. "Und dann hält er sich fern." 

    Bereits jetzt sei es möglich, Wölfe, die wiederholt Herdenschutzmaßnahmen überwunden haben oder für den Menschen gefährlich sind, zu töten, erklärt Mergner vom BN. "Was nicht geht, ist, so etwas vorsorglich und auf Verdacht zu tun, etwa wenn sich ein Wolf in der Nähe einer Siedlung aufhält. Und es geht auch nicht, dass nicht geprüft wird, ob man den richtigen Wolf erwischt." Die neue Verordnung sei keine Problemlösung, sagt Mergner. "Umwelt- und Landwirtschaftsministerium wurden von Söders Aktionismus überrumpelt und mussten mit heißer Nadel an einer Verordnung stricken, die hinten und vorne nicht mit dem Naturschutzrecht in Einklang zu bringen ist."

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