Der Garchinger Forschungsreaktor FRM II soll erst im übernächsten Jahr wieder laufen. Die Wiederaufnahme des Betriebs ist für 2024 geplant, wie aus einer Anfrage der Grünen Landtagsgeordneten Abgeordneten Köhler an das Wissenschaftsministerium hervorgeht. Damit wird der Reaktor, der im März 2020 wegen der Pandemie heruntergefahren worden war, voraussichtlich fast vier Jahre stillstehen. Grund für die Verzögerung des vom Umweltministerium schon freigegebenen Neustarts ist ein fehlendes Ersatzteil. Im Herbst 2021 war noch ein Wiederanfahren für 2022 angekündigt worden.
"Der Garchinger Forschungsreaktor steht seit 1000 Tagen still und seine Zukunft steht weiter in den Sternen", kritisierte Köhler. Es habe offensichtlich Monate gedauert, um überhaupt einen Auftragnehmer für die Beschaffung des Ersatzteils zu finden. "Nun ist der Auftrag zwar erteilt, aber die Herstellung und der Einbau werden sich mindestens über das gesamte nächste Jahr hinziehen."
Die Umweltausschuss-Vorsitzende Rosi Steinberger (Grüne) sprach von einem eklatanten Know-how-Verlust. Der lange Stillstand habe nicht nur mit defekten Teilen zu tun, sondern auch damit, dass das Wissen um die Herstellung solcher Bauteile wohl nicht gut dokumentiert wurde. "Da sind zukünftig vielleicht noch mehr Probleme zu erwarten."
Der Grünen-Abgeordnete Markus Büchler verlangte: "Es wäre angebracht, dass die TU München die Situation am Reaktor einmal schonungslos und ungeschönt darstellt." Er listete jüngste Probleme auf: Im März 2020 war bei einem Defekt der Jahresgrenzwert für radioaktives C14 binnen weniger Wochen überschritten worden. Dann verhinderte ein Defekt an der Kalten Quelle den Betrieb - und zu Jahresbeginn wurde im Bereich des Reaktorbeckens ein Leck entdeckt. Dafür ist das Ersatzteil nötig.
Beim FRM II hieß es, das Ersatzteil sei ein Unikat. Auch weil mehrere Akteure involviert seien, dauere die Herstellung. Um künftig schneller reagieren zu können, sei an der Technischen Universität München (TUM) als Betreiberin ein Zentrum für kerntechnische Fragen gegründet worden. Wissenschaft und Medizin warteten dringend auf den Neustart der wichtigen Neutronenquelle. Nuklearmediziner berichteten von Engpässen bei Radiopharmaka.
Erst im November hatte die TUM bekannt gegeben, dass der FRM II auch mit niedrig angereichertem Uran betrieben werden kann. Damit ist ein wichtiger Schritt für den Betrieb auch in weiterer Zukunft getan. Wegen des hoch angereicherten Urans als Brennstoff war der FRM II seit Jahren in der Kritik. Atomgegner sprechen bei dem zu 93 Prozent angereicherten Uran von waffenfähigem Material und klagten vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen den Betrieb. Es müsse mindestens auf unter 50 Prozent angereichertes Material verwendet werden. Die Betriebsgenehmigung von 2003 gab vor, baldmöglichst auf einen niedriger angereicherten Brennstoff umzurüsten.
(dpa)