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Wissenschaft: Mehr Mücken, mehr Zecken, mehr Hitze: So gefährdet der Klimawandel die Gesundheit

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Mehr Mücken, mehr Zecken, mehr Hitze: So gefährdet der Klimawandel die Gesundheit

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    Von Stechmücken kann das West-Nil-Virus auf andere Wirte wie den Menschen übertragen werden.
    Von Stechmücken kann das West-Nil-Virus auf andere Wirte wie den Menschen übertragen werden. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Eigentlich klingt der Name so, dass man ihn nicht unbedingt mit Bayern in Verbindung bringen würde. Doch das West-Nil-Virus, das von Stechmücken übertragen wird, taucht seit einigen Jahren tatsächlich auch im Freistaat auf – im Frühling 2022 galt der Süden der Republik sogar als Hotspot für die fiebrige Erkrankung. Aber nicht nur dieser Erreger lässt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufhorchen. Eine ganze Reihe von Infektionskrankheiten steht derzeit im Fokus. Vor allem geht es dabei um die Frage, welche Auswirkungen der Klimawandel darauf hat.

    Am Donnerstag wurde vom Robert Koch-Institut (RKI) der erste Teil eines Berichts veröffentlicht, der sich mit den komplexen Zusammenhängen zwischen Klimawandel und Gesundheit beschäftigt. Der zweite Teil wird im September publiziert, der dritte Ende des Jahres. Eine der Autorinnen ist Elke Hertig, Inhaberin der Professur Regionaler Klimawandel und Gesundheit an der Universität Augsburg. "Der letzte Sachstandsbericht stammt aus dem Jahr 2010, seither hat sich viel getan", sagt sie in einem Pressegespräch. "Die Brisanz des Themas verlangt es, das, was wir bisher wissen, zusammenzutragen. Das Thema muss einfach viel mehr auf die Agenda." Auf den Punkt gebracht sei die Sache so: "Klimaschutz ist Gesundheitsschutz", sagt Hertig. "Je stärker wir es schaffen, den Klimawandel zu begrenzen mit all seinen großen Auswirkungen, umso vorteilhafter ist es für die Gesundheit."

    Übertragung durch Zecken: FSME wird sich weiter ausbreiten

    Professor Klaus Stark, Leiter des Fachgebiets Gastroenterologische Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen am RKI und auch einer der Autoren des neuen Berichts, hat sich genauer angesehen, welche Krankheiten zunehmen könnten. "Es gibt ein breites Spektrum an klimasensitiven Erregern", sagt er. Im Vordergrund stünden dabei die, die über Mücken und Zecken übertragen werden – eben etwa das West-Nil-Virus oder die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). "Es gibt aber noch viel mehr Erreger, die etwa auch über Wasser und Lebensmittel übertragen werden können", fährt Stark fort. Die Zusammenhänge seien sehr komplex – dennoch könne man schon jetzt sagen: "Die Fallzahlen werden sehr wahrscheinlich steigen." 

    Gerade die FSME ist in Bayern ohnehin ein heikles Thema. Denn der Freistaat ist Zecken-Land. Beinahe jeder Landkreis gilt als FSME-Risikogebiet, 2023 kamen zwei neue dazu. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte zum Beginn der Zeckensaison zur FSME-Schutzimpfung geraten: "Experten zufolge gibt es in diesem Jahr viele Zecken. Menschen, die sich oft in der Natur aufhalten, sollten sich deshalb jetzt gegen FSME impfen lassen." FSME sei eine ernstzunehmende Erkrankung mit Entzündungen von Hirnhaut, Gehirn oder Rückenmark. Stark glaubt, dass sich die FSME in den kommenden Jahren weiter verbreiten werde. "Es gibt einen klaren Trend zur Ausweitung der geografischen Risikogebiete", sagt er. Auch der Norden Deutschlands werde künftig stärker betroffen sein. "Und dabei spielen eben klimatische Kriterien eine Rolle." 

    Die Tigermücke überträgt Dengue-Fieber

    Auch die Asiatische Tigermücke, die ebenfalls im Bayern vorkommt, wird sich nach Einschätzung der Expertinnen und Experten weiter ausbreiten. Das Insekt kann etwa das Dengue-Fieber, das eigentlich aus den Tropen bekannt ist, übertragen. Dass diese Krankheit auch in Deutschland auftreten könne, dafür müsse man Ärztinnen und Ärzte sensibilisieren, sagt Stark. "Damit sie, wenn jemand Fieber hat, eben auch an Dengue denken. Auch, wenn derjenige nicht verreist war." Dass Mücken gefährliche Krankheiten übertragen, mag vielen Menschen neu vorkommen – ist es aber nicht. "Die Malaria war in Deutschland mal endemisch", sagt Elke Hertig von der Universität Augsburg. "Aber das haben wir nicht mehr auf dem Radar." 

    In dem Bericht geht es aber nicht nur um übertragbare Infektionskrankheiten, sondern auch um die direkte Auswirkung von steigenden Temperaturen auf die Menschen. "Hitze ist eine der größten Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland", sagt Hertig. Jedes Jahr sterben Menschen wegen sehr hoher Temperaturen, vor allem ältere Personen sind gefährdet. Und die Lage dürfte sich – wegen der jährlichen Zunahme von Hitzeereignissen zum einen und des demografischen Wandels zum anderen – noch zuspitzen: Die Landeszentrale für Gesundheit in Bayern kam mithilfe von Modellrechnungen zu dem Ergebnis, dass in den Jahren 2071 bis 2100 die jährlichen hitzeassoziierten Todesfälle in Bayern um den Faktor 3,6 zunehmen werden.

    Derzeit habe man drei Hitzewellen pro Jahr – Ende des Jahrhunderts könnte sich diese Zahl verdoppelt haben, sagt Hertig. Im Pariser Klimaabkommen hat sich die Weltgemeinschaft eigentlich darauf verständigt, die Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad zu begrenzen. Die Wissenschaftlerin glaubt aber nicht, dass das gelingt. "Ich bin sehr pessimistisch, dass wir das schaffen." 

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