Im Wirecard-Prozess haben die Wahlverteidiger des Hauptangeklagten Markus Braun ihr Mandat niedergelegt. Ihre Bezahlung sei nicht mehr gewährleistet, teilten Rechtsanwalt Alfred Dierlamm und seine Kollegin Elena-Sabella Meier dem Landgericht München vor der Verhandlung am Mittwoch mit: Die Management-Versicherung des früheren Wirecard-Vorstandschefs Braun erstatte seine Anwaltskosten nicht mehr. Für den weiteren Prozess stellte das Gericht dem ehemaligen Milliardär umgehend zwei Pflichtverteidigerinnen zur Seite.
Der zusammen mit Braun und dem ehemaligen Wirecard-Manager Oliver Bellenhaus wegen Bilanzfälschung und Bandenbetrugs angeklagte Chefbuchhalter E. hat am Mittwoch erneut ein Geständnis in Aussicht gestellt. Der Vorsitzende Richter Markus Födisch sagte nach einem Gespräch mit den Verteidigern und der Staatsanwaltschaft, E. könne bei einem zeitnahen und umfassenden Geständnis mit einer Strafe zwischen sechs und acht Jahren Gefängnis rechnen.
Der Zahlungsdienstleister Wirecard war im Juni 2020 insolvent gegangen, weil auf Treuhandkonten verbuchte 1,9 Milliarden Euro nicht mehr auffindbar waren. Die Anklage wirft den drei Angeklagten sowie dem abgetauchten früheren Vertriebsvorstand Jan Marsalek und weiteren Komplizen vor, Umsätze in Milliardenhöhe schlicht erfunden zu haben, um den eigentlich defizitären Dax-Konzern über Wasser zu halten. In dem seit Dezember 2022 geführten Prozess hat E. bisher geschwiegen. Braun hat alle Vorwürfe bestritten, der geständige Bellenhaus tritt als Kronzeuge auf und beschuldigt die beiden Mitangeklagten.
Das Gericht stellte E. am Mittwoch eine Freiheitssstrafe zwischen sechs und acht Jahren in Aussicht, wenn er zeitnah ein qualifiziertes Geständnis auf Grundlage der Anklagevorwürfe ablege. Ein Beitrag zur Aufklärung allein reiche nicht, sagte der Vorsitzende Richter. E. könne aber einiges zu Vorgängen in der Konzernzentrale in Aschheim bei München aussagen, in die Bellenhaus von seinem Dienstort in Dubai aus keine Einsicht gehabt habe. Als Beispiele nannte der Richter Umbuchungen innerhalb des Konzerns, die Zusammenarbeit mit dem Prüfer EY, Gespräche im Vorfeld und die Haltung des Vorstandschefs Braun.
Braun bestreitet kategorisch alle Vorwürfe. Er wünscht auch weierhin kein Rechtsgespräch über eine mögliche Verständigung, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Anders als seine beiden Mitangeklagten sitzt der Ex-Vorstandschef und einstige Milliardär weiter in Untersuchungshaft - seit bald vier Jahren.
(dpa)