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Allgäu: Unbekannte Menschenaffenart im Ostallgäu entdeckt

Allgäu

Unbekannte Menschenaffenart im Ostallgäu entdeckt

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    In der Ostallgäuer Grabungsstätte Hammerschmiede bei Pforzen stieß Prof. Madelaine Böhme bereits auf zwei bislang unbekannte Arten ausgestorbener Menschenaffen. Hier zeigt sie eine zehnfach vergrößerte Nachbildung eines der Backenzahns von Buronius.
    In der Ostallgäuer Grabungsstätte Hammerschmiede bei Pforzen stieß Prof. Madelaine Böhme bereits auf zwei bislang unbekannte Arten ausgestorbener Menschenaffen. Hier zeigt sie eine zehnfach vergrößerte Nachbildung eines der Backenzahns von Buronius. Foto: Harald Langer

    Dass es im Allgäu eine Fossilfundstelle von Weltrang gibt, ist seit 2019 bekannt. Damals machte die Entdeckung des aufrecht gehenden Menschenaffen Danuvius guggenmosi - besser bekannt unter dem Namen Udo - weltweit Schlagzeilen. Jetzt steht fest: An Udos Fundort im Ostallgäu lebte zeitgleich, vor 11,6 Millionen Jahren, eine zweite bislang unbekannte Menschenaffenart.

    Funde werfen neues Licht auf die Vorgeschichte der Menschenaffen in Europa

    Buronius manfredschmidi war kleiner als Udo, vermutlich Baumbewohner und Vegetarier. "Der Bereich nördlich der Alpen ist ein Fundschwerpunkt", sagt die Entdeckerin der beiden Menschenaffen, die Paläontologin Prof. Madelaine Böhme von der Universität Tübingen. Seit 2011 forscht sie in der Tongrube Hammerschmiede zwischen Kaufbeuren und Pforzen. "Absolut außergewöhnlich ist, dass dort zwei Gattungen von Menschenaffen zur gleichen Zeit ein Ökosystem besiedelten. Das ist europaweit einzigartig."

    Böhme fand erste Fossilien von Buronius manfredschmidi bereits 2011

    Erste Fossilien von Buronius manfredschmidi – einen Zahn und eine Kniescheibe – hat Böhme bereits 2011, also noch vor Udos Knochen, gefunden: "Damals war uns zwar sofort klar, dass es sich um Relikte eines Primaten handelt, aber nicht, ob es ein Menschenaffe war." Erst 2017, als ein zweiter Zahn in der Tongrube zum Vorschein kam, habe man begonnen, die Objekte genauer zu untersuchen.

    Neben Böhme und ihrem Team vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen waren auch Wissenschaftler der Universität Toronto in Kanada an der Studie beteiligt. Am Freitag stellte Böhme die Entdeckung in Kaufbeuren der Öffentlichkeit vor, am selben Tag wurde sie im Fachmagazin PlosOne publiziert. Kaufbeuren sei als Ort für die Pressekonferenz ausgesucht worden, weil die Gattung der neu entdeckten Art auf den mittelalterlichen Namen der Stadt Buron Bezug nehme.

    "Den Namen Buronius manfredschmidi haben wir zu Ehren von Manfred Schmid aus Marktoberdorf ausgesucht", sagt Böhme. Der Zahnarzt ist Hobby-Archäologe und ging zusammen mit dem 2018 verstorbenen Sigulf Guggenmos bereits in den 1970er-Jahren in der Hammerschmiede auf Fossiliensuche.

    So lebte und ernährte sich Buronius möglicherweise

    Dass Zähne Einblicke in die Lebensweise ihrer Träger eröffnen, dürfte Schmid bekannt sein. Auch die Relikte der beiden Menschenaffen aus der Hammerschmiede beweisen dies. "Bei Primaten ist die Dicke des Zahnschmelzes eng mit ihrer Ernährung verknüpft. Sehr dünner Schmelz, wie ihn zum Beispiel Gorillas besitzen, weist auf eine faserreiche vegetarische Ernährung hin", erläutert Böhme. Ein dicker Zahnschmelz wie beim Menschen spreche dafür, dass es sich um einen Allesfresser mit hohen Beißkräften handelt, der harte und zähe Nahrung zerkleinern kann.

    Die Größe der Fossilien zeige, dass Buronius nur etwa zehn Kilogramm wog. Damit war er deutlich kleiner als heute lebende Menschenaffen, die zwischen 30 Kilogramm (Bonobo) und über 200 Kilogramm (Gorilla) erreichen. Udo war etwa 46 Kilogramm schwer. „Die Kniescheibe von Buronius ist dicker und asymmetrischer als bei Danuvius“, sagt Böhme. Dies könne mit Unterschieden in der Oberschenkelmuskulatur erklärt werden.

    Möglicherweise war Buronius besser an das Klettern auf Bäumen angepasst. Ergeben haben die Forschungen auch, dass sich Buronius und Danuvius den Lebensraum teilten. Sie mussten also auf unterschiedliche Ressourcen zurückgreifen, um Konkurrenz zu vermeiden. Es sei wahrscheinlich, dass der kleine blattfressende Buronius sich länger in den Baumkronen und auf Ästen aufhielt. Seine Anatomie unterscheide sich laut Böhme signifikant von der Udos. Buronius sei viel beweglicher und wahrscheinlich ein hervorragender Baumkletterer gewesen. Ob Buronius wie Udo auf zwei Beinen laufen konnte, sei schwer nachweisbar. Dazu bräuchte es weitere Teile des Skeletts.

    Buronius und Udo sind die bekanntesten Funde aus der Hammerschmiede

    Udo - und nun auch Buronius - sind zwar die bekanntesten Funde aus der Pforzener Tongrube. Aber bei weitem nicht die einzigen - über 40.000 Fossilien hat das Team um Paläontologin Böhme und Grabungsleiter Thomas Lechner dort bereits geborgen. Darunter sind Relikte von über 150 ausgestorbenen Wirbeltierarten. Am kommenden Montag wird in der Paläontologischen Sammlung der Universität Tübingen die Ausstellung "Danuvius & Buronius" eröffnet. Die Sonderschau zeigt dort bis September die Funde der beiden Arten, die laut Böhme für die Erforschung der menschlichen Evolution so bedeutend sind. Im Anschluss sei es durchaus möglich, die Exponate als Wanderausstellung ins Allgäu zu holen.

    Im diesem Sommer will das Grabungsteam erstmals wieder an der eigentlichen Fundstelle der beiden Menschenaffen graben. In diesem Bereich der Hammerschmiede vermutet Böhme weitere "tolle Funde". Sie sei froh, dass die Flächen jetzt freigegeben sind, "und wir dort weitermachen können, wo wir 2019 aufgehört haben." Sie rechnet damit, Anfang August in die diesjährige Grabungssaison starten zu können. Seit 2020 unterstützt der Freistaat Bayern die Grabungen finanziell. 2024 ist ein Betrag von 550.000 Euro im Haushalt vorgesehen.

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