Wer im Gefängnis sitzt, verbüßt eine Freiheitsstrafe. Heißt: Bestimmte Freiheiten der Insassinnen oder Insassen sind eingeschränkt. Doch wie weit darf eine Justizvollzugsanstalt die Rechte von Gefangenen einschränken – und welche Voraussetzungen gibt es dafür? Diese Fragen stellen sich aktuell auch angesichts der Vorwürfe, die gegen die JVA Gablingen erhoben werden. Unter anderem geht es darum, dass Häftlinge dort nackt und ohne Matratze in Spezialzellen eingesperrt worden sein sollen. Nun wird gegen die stellvertretende Anstaltsleitung und weitere Mitarbeitende ermittelt.
Erst einmal ist festzuhalten: Wie eine Haftstrafe genau aussieht, unterscheidet sich im föderalen Deutschland stark je nach Bundesland. Denn der sogenannte Justizvollzug ist seit einer Reform aus dem Jahr 2006 Ländersache.
Wann dürfen Gefangene in einem „besonders gesichertem Haftraum“ untergebracht werden?
Bei den Vorwürfen gegen die JVA Gablingen geht es um die Situation in sogenannten „Spezialzellen“. Im Strafvollzugsgesetz heißen diese „besonders gesicherte Hafträume“ (bgH) und sind als eine „besondere Sicherheitsmaßnahme“ aufgeführt. Diese sind für Gefangene vorgesehen, bei denen erhöhte Fluchtgefahr oder die Sorge besteht, dass sie sich oder andere verletzten könnten. In so einem Fall kann die Gefängnisleitung – oder unter Umständen ein vor ihr beauftragter Abteilungsleiter – die Unterbringung in diesem speziellen Haftraum anordnen. Es handelt sich um eine Einzelzelle, die nichts enthält, mit dem die Insassen sich selbst oder andere verletzen könnten. In der Regel ist nur eine Matratze vorhanden, die Toilette ist in den Boden eingelassen. Die Zellen können durchgehend mit Kameras überwacht werden. Wie so ein Raum konkret aufgebaut sein soll und wie es etwa mit der Kleidung der Gefangenen aussieht, steht weder im Bayerischen Strafvollzugsgesetz noch in den dazugehörigen Verwaltungsvorschriften . „Das wird ein Stück weit den Entscheidungsträgern vor Ort überlassen, wie sie das ausgestalten und wie sie so einen Haftraum einrichten“, sagt der Augsburger Anwalt und Gefängniskritiker Thomas Galli. „Da gibt es riesige Unterschiede – zwischen den Bundesländern ja sowieso, aber auch zwischen den Anstalten in Bayern.“
Was definiert ist: Wenn Gefangene mehr als drei Tage in so einer Zelle verbringen, muss das dem Justizministerium gemeldet werden. „Die müssen nicht zustimmen, aber es muss zumindest berichtet werden“, sagt Galli. Der Gesetzestext schreibt zudem vor, dass regelmäßig überprüft wird, ob diese Art der Unterbringung noch notwendig ist, und es eine ärztliche Betreuung geben muss.
Was ist Einzelhaft und wann darf sie verhängt werden?
Von Einzelhaft ist die Rede, wenn Gefangene keinen Kontakt zu anderen Insassen haben dürfen und dafür etwa in einem extra Trakt des Gefängnisses untergebracht werden. Im Bayerischen Strafvollzugsgesetz heißt es, das sei „nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person des oder der Gefangenen liegen, unerlässlich ist“. Klingt erst einmal wenig konkret, aber Galli erklärt: „Das verhindert zumindest, das ein Gefangener weitgehend isoliert wird, weil gerade zu wenig Personal vorhanden ist – denn die Gründe für die Einzelhaft müssen in der Person liegen.“ Auch dass es „unerlässlich“ sein muss, sei eine gewisse Schwelle. Grundsätzlich liegt die Entscheidung zur Einzelhaft bei der JVA und deren Leitung. Nur wenn eine Einzelhaft länger als drei Monaten innerhalb eines Jahres dauern soll, ist die Zustimmung der Aufsichtsbehörde, also des Bayerischen Justizministeriums nötig.
Haben Gefangene ein Recht auf Besuch?
Grundsätzlich haben Gefangene das Recht, Besuch zu empfangen. Gesetzlich vorgeschrieben ist aber gerade mal eine Stunde im Monat, die auf zwei Mal eine halbe Stunde aufgeteilt werden kann. Die Gefängnisleitung kann jedoch weitere Besuche gestatten, wenn sie das für sinnvoll hält. Während Besuche von Angehörigen und beispielsweise auch Anwälten generell erlaubt werden müssen, kann die Gefängnisleitung Besuche von anderen Personen verbieten, wenn zu befürchten ist, dass diese einen schädlichen Einfluss auf die Gefangenen haben – etwa wenn es sich bei den Besuchern um Menschen aus dem kriminellen Milieu handelt.
Die Gefängnisleitung kann Besuche auch verbieten, wenn durch sie „die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde“. Galli erklärt, dass Besuche aber auch hinter einer Trennscheibe stattfinden und überwacht werden können – mit Ausnahmen, etwa Besuche von Strafverteidigern. „Deshalb wäre mir jetzt nicht ersichtlich, was es für einen Grund geben könnte, jemandem vollkommen die Besuchsmöglichkeiten zu nehmen.“
Wird die Kommunikation von Gefangene mit der Außenwelt eingeschränkt?
Grundsätzlich dürfen Gefangene über Briefe mit der Außenwelt kommunizieren – erst einmal unbeschränkt, allerdings tragen sie die Kosten dafür selbst. Die Gefängnisleitung kann den Schriftwechsel mit einzelnen Personen verbieten, entweder aus Sicherheitsgründen oder wenn sie von einem schädlichen Einfluss dieser Personen ausgeht. Das Gefängnis darf die meisten Briefe überwachen. „Nach meiner Kenntnis wird in Bayern allgemein und in Augsburg-Gablingen wohl ohnehin jedes Schreiben gelesen, also auch inhaltlich überprüft.“ Die Gefängnisleitung muss die Briefe grundsätzlich weiterleiten – unter bestimmten Voraussetzungen kann sie aber auch aufhalten. Etwa, wenn sie die Sicherheit der Anstalt gefährden, wenn sie grobe Beleidigungen enthalten oder in einem Code oder einer fremden Sprache verfasst sind. Ausgenommen von der Überwachung sind nur Briefe an Strafverteidiger und an öffentliche Stellen wie etwa der Europäische Gerichtshof, Abgeordnetenbüros und auch die Nationale Stelle zur Verhütung der Folter.
Wenn Gefangene telefonieren wollen, brauchen sie dafür eine Erlaubnis. Die Kosten tragen sie selbst und die Gespräche dürfen überwacht werden. Pakete dürfen nur mit Erlaubnis verschickt und empfangen werden und werden ebenfalls durchsucht.
Welche Möglichkeiten haben Gefangene, sich zur Wehr zu setzen?
„Letztlich müssen die Inhaftierten sich selber darum kümmern, wenn sie der Meinung sind, dass sie nicht rechtmäßig behandelt werden“, sagt Galli – und das komme naturgemäß sehr oft vor. Es gebe verschiedene Wege, wie sie das tun können. So muss die Gefängnisleitung Insassen die Möglichkeit geben, Beschwerden vorzubringen – etwa, wenn es um Probleme mit Abteilungsleitern geht. Wenn es um die Anstaltsleitung selbst geht, könnten Gefangene Mitglieder des Anstaltsbeirates kontaktieren, die auch immer wieder selbst in der JVA vor Ort sind. Möglich seien außerdem Anträge auf gerichtliche Entscheidungen – auch Eilentscheidungen – über bestimmte Maßnahmen bei der Strafvollstreckungskammer.
Anmerkung: Die Staatsanwaltschaft ermittelt aktuell gegen die Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen. Der Vorwurf: Mitarbeitende sollen Gefangene misshandelt haben. Alle Texte zum Fall finden Sie hier. Über die JVA Gablingen gibt es auch eine dreiteilige Dokumentation unserer Redaktion.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden