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Warum es beim Hochwasserschutz in Bayern nicht vorangeht

Hochwasserschutz

Und wieder hatte es das Wasser leicht

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    Schrobenhausen und seine Stadtteile waren im Juni schwer vom Hochwasser betroffen.
    Schrobenhausen und seine Stadtteile waren im Juni schwer vom Hochwasser betroffen. Foto: Reinhard Köchl

    Seit der Gebietsreform 1972 gab und gibt es eine ganze Reihe von Gründen, warum Schrobenhausen unverhohlen neidisch auf seinen größeren Landkreispartner Neuburg blickt. Eine Liebesheirat war es sowieso nie, mehrere Behörden fanden in der Großen Kreisstadt an der Donau ihre neue Heimat, während die Geburtsstadt des Malerfürsten Franz von Lenbach in dieser Hinsicht häufig das Nachsehen hatte. Auch beim jüngsten und womöglich schmerzlichsten Vergleich zieht Schrobenhausen den Kürzeren. Aber dafür ist die Stadt in großen Teilen auch selbst verantwortlich.

    „Wenn wir doch nur einen umfassenden Hochwasserschutz wie in Neuburg hätten“, klagten zahlreiche Einwohner während und nach der Hochwasserkatastrophe vom 1. Juni, als sich Paar und Weilach nach andauernden Regenfällen in einen reißenden Strom verwandelten und innerhalb kurzer Zeit die Innenstadt und den Stadtteil Mühlried überfluteten. Eine 43-jährige Frau ertrank, über 500 Keller mussten ausgepumpt und das Alten- und Pflegeheim St. Georg komplett evakuiert werden. Viele Menschen verloren ihr gesamtes Hab und Gut und warten zum Teil heute noch auf die versprochene „unbürokratische Hilfe“. Die Erkenntnis nach dem Rückgang des Hochwassers: Die Naturkatastrophe hätte weitaus weniger Schaden angerichtet, wenn sich die Schrobenhausener und die Behörden frühzeitig auf einen gemeinsamen Weg für einen technischen Hochwasserschutz verständigt hätten. Eine bittere Wahrheit, die man auch in manchen betroffenen Gemeinden in Schwaben eingestehen musste, in denen der Hochwasserschutz teils jahrzehntelang in einer Blockadehaltung feststeckte.

    Neuburg hatte innerhalb von drei Jahren einen Hochwasserschutz

    In Neuburg an der Donau, 25 Kilometer nördlich von Schrobenhausen, ist das anders. Hier gelang Bürgern und Entscheidungsträgern nach dem Jahrhunderthochwasser 1999 ein seltener Schulterschluss, nachdem die Flut der Donau mit bis dato nicht gekannten 2400 Kubikmetern Wasser und einem Pegelstand von 7,35 Metern gegen Dämme und Kaimauer gedrückt und letztlich über eine „Hintertür“, nämlich eine gebrochene Schutzplatte des Kanalauslaufs, den Weg in die Stadt gefunden hatte. Der Schock saß tief, doch die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Nach gerade einmal drei Jahren besaß die Stadt einen fast kompletten Hochwasserschutz mit neuen und höheren Dämmen sowie mobilen Schutzwänden. 22,5 Millionen Euro wurden dabei verbaut. Nicht nur Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (CSU) ist seither überzeugt, dass Neuburg bei einer Wiederholung „nach menschlichem Ermessen bestens gerüstet wäre“.

    Am Geld scheitert es in Schrobenhausen kaum. Aber starke Eigeninteressen, die mitunter wenig Spielraum für einen Konsens bieten, hohe bürokratische Hürden und die mangelnde Bereitschaft, diese zu überwinden, sowie falsch gesetzte politische Prioritäten führten dazu, dass es bis heute in der Spargelstadt keinen Hochwasserschutz gibt. Dabei wurde die Stadt seit dem Entschluss 1994, einen Hochwasserschutz auf den Weg zu bringen, von mehreren kleineren Überflutungen heimgesucht. Doch niemand nahm diese Warnsignale ernst. Das Gefühl, dass alles beim nächsten Mal schon irgendwie wieder gutgehen würde, verankerte sich tief im kollektiven Bewusstsein. Spätestens seit Juni muss die 18.000 Einwohner zählende Stadt mit einem Trauma fertig werden, das bei jeder dunklen Wolke eine tiefsitzende Angst freisetzt.

    Eine Luftaufnahme zeigt überschwemmte Straßen in Schrobenhausen im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen.
    Eine Luftaufnahme zeigt überschwemmte Straßen in Schrobenhausen im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Foto: Marc Gruber, tv7news/dpa

    Die ganze Misere wurde Ende September bei einer Bürgerversammlung deutlich, zu der zahlreiche Menschen kamen, weil sie sich endlich einen Fahrplan für den Bau des Hochwasserschutzes erhofften. Doch die Erwartungen wurden nicht zum ersten Mal enttäuscht. Das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt und der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen schoben die Verantwortung, sprich den Schwarzen Peter, hin und her. So wartet Ingolstadt seit 2007 auf den Planfeststellungsbeschluss der Kreisbehörde. Dabei geht es vor allem um 140 Einwendungen, die laut Landrat Peter von der Grün (parteilos) schon seit 2016 abgearbeitet sind. Das Verfahren könnte längst starten, wenn da nicht der Dauerstreit um ein Baurecht auf einem Firmengelände im Stadtzentrum wäre, den selbst drei Bürgermeister bislang nicht befrieden konnten. Der amtierende Rathauschef Harald Reisner (Freie Wähler) hat sich nun vorgenommen, bis Jahresende eine Lösung zu präsentieren: Das Baurecht soll an anderer Stelle gewährt werden.

    Kleine Hoffnung beim Hochwasserschutz

    Aber das Wasserwirtschaftsamt bräuchte wesentlich mehr Grundstücke, Verhandlungen darüber wurden jedoch noch keine aufgenommen. Als Sofortmaßnahme würden einige im erneuten Katastrophenfall die überlaufende Paar lieber in das Naturschutzgebiet Goachat ableiten. Aber auch dieser Vorschlag dürfte nur Wunschdenken bleiben, weil das Goachat nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützt ist. Als sich dann auch noch Altbürgermeister Josef Plöckl (CSU) in der Bürgerversammlung vehement gegen einen mechanischen Hochwasser-Damm wehrte, weil die mobilen Schutzwände über das Gritscheneck laufen würden, wo er mit seiner Frau eine Gastwirtschaft betreibt, wusste jeder, dass eine schnelle Lösung in immer weitere Ferne rückt.

    Wenigstens einen kleinen Hoffnungsschimmer gab es doch. Drei Bürgerinitiativen brachten einen Antrag auf den Weg, in dem die sofortige Einsetzung einer Projektgruppe gefordert wird, die schon im März 2025 mit konkreten Ergebnissen aufwarten soll. „Die Sintflut war innerhalb von zwei Stunden da. Wenn sie jetzt wiederkommt, dann haben wir wieder keine Chance, sie aufzuhalten“, prophezeite düster Schrobenhausens Feuerwehrkommandant Ralf Schlingmann. Schon wenige Tage später beschloss der Stadtrat dann den Kauf eines mobilen Hochwasserschutzes mit schnell aufstellbaren Plastikelementen – auf Antrag der Feuerwehr. 400 Meter kosten dabei 100.000 Euro. „Immerhin schneller und effizienter als Sandsackwälle“, meinte Bürgermeister Reisner.

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    4 Kommentare
    Renate Frey

    Dann kann es ja mit den Hochwasserschäden nicht so schlimm sein, wenn sich seit 30 Jahren alle Bürger mit ihren Eigeninteressen gegen einen Hochwasserschutz aussprechen.

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    Günter Köhler

    Frau Frey, ich finde es schon fast zynisch, wie Sie hier allen Bürgern Schrobenhausens ein Eigeninteresse gegen den Hochwasserschutz unterstellen. Dies geht auch aus dem Artikel nicht so hervor. Ich bin mir sicher, dass sich hier sogar ein gehöriger Bürgeranteil einen besseren Hochwasserschutz wünscht.

    Gabriele Schäfer

    "Als sich dann auch noch Altbürgermeister Josef Plöckl (CSU) in der Bürgerversammlung vehement gegen einen mechanischen Hochwasser-Damm wehrte, weil die mobilen Schutzwände über das Gritscheneck laufen würden, wo er mit seiner Frau eine Gastwirtschaft betreibt, wusste jeder, dass eine schnelle Lösung in immer weitere Ferne rückt": Was für ein Egoist. Die Einwohner Schrobenhausens sind im offenbar völlig egal. Er könnte zumindest versuchen, eine Ausgleichslösung herbei zu führen. Aber so... einfach nur schrecklich.

    Maria Reichenauer

    Und wer wählt jemand zum Bürgermeister, der sich aus Eigennutz gegen mobile Schutzwände stellt? Weil er von der CSU ist und man die ja immer schon gewählt hat? Vielleicht sollte man den Herrn Bürgermeister dann bei den Aufräum- und Sanierungsmaßnahmen in die Pflicht nehmen?

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