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Virologin zur Corona-Pandemie: "Sehr gute Immunlage"

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Virologin zur Corona-Pandemie: "Wir haben eine sehr gute Immunlage"

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    Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie an der TUM und am Helmholtz Zentrum München, sagt: "Wir haben eine sehr gute Immunlage aufgebaut."
    Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie an der TUM und am Helmholtz Zentrum München, sagt: "Wir haben eine sehr gute Immunlage aufgebaut." Foto: Sven Hoppe/dpa

    Frau Prof. Dr. Protzer, wie schätzen Sie als Virologin die aktuelle Pandemie-Lage ein?

    Prof. Dr. Ulrike Protzer: Die Sommerwelle ist deutlich am Abflauen. Die Zahl der Infektionen ist nicht bei null, aber ich glaube auch gar nicht, dass wir das vor dem Herbst noch schaffen. In einigen Wochen wird man wieder mit einem Anstieg von Atemwegserkrankungen rechnen müssen – und zwar insgesamt. Nicht nur Corona-Viren, sondern auch andere Viren, etwa das Grippevirus, werden dann vermehrt zirkulieren.

    Glauben Sie, dass wir wieder in eine ähnliche Situation wie in den vergangenen Wintern kommen?

    Protzer: Nein. Wir haben durch die Impfungen und durch die durchgemachten Infektionen eine sehr gute Immunlage aufgebaut. Unser Immunsystem ist viel besser vorbereitet als in den letzten zwei Jahren. Deswegen würde ich nicht erwarten, dass es zu einem massiven Anstieg der Krankenhausaufnahmen wegen Covid-19 kommt. Was man schon befürchten muss, ist, dass es eine verstärkte Grippewelle gibt. Da hatten wir durch das konsequente Maskentragen in den vergangenen zwei Jahren sehr wenige Fälle, aber das wird uns dieses Jahr wieder treffen.

    Als die Impfungen damals zugelassen wurden, sprach man von einem Gamechanger, der entscheidenden Waffe im Kampf gegen das Virus. Ist das so? Die Menschen stecken sich ja trotzdem an.

    Protzer: Auf jeden Fall ist das so. Erinnern Sie sich doch mal an die Situation, bevor wir die Impfungen hatten. Wenn jemand mit einer Corona-Infektion ins Krankenhaus kam, dann verursachte das gerade bei älteren Menschen schwere, teils dramatische Verläufe, und wir haben einfach sehr viele Todesfälle gesehen. Seit ein Großteil drei Mal geimpft ist, ist das komplett anders. Das ist definitiv ein Gamechanger.

    Was halten Sie von den neuen Impfstoffen? Sie sind auf die Omikron-Subvariante BA.1 angepasst – die gibt es in Deutschland aber gar nicht mehr. Seit Monaten grassiert hier BA.5. In den USA ist auch bereits ein daran angepasster Impfstoff zugelassen.

    Protzer: Auf jeden Fall würde man sich wünschen, dass man den an die neuste Variante angepassten Impfstoff hat – und der kommt auch bald nach Deutschland. Im Moment, und das finde ich schade, gibt es ein bisschen Verwirrung. Eben dadurch, dass jetzt der Impfstoff, der die BA.1-Variante enthält, ausgeliefert wird und dann bald beides parallel auf dem Markt sein wird – das ist eine Situation, die suboptimal ist. Das haben die Amerikaner schlauer geregelt.

    Auf dieser vom US-Forschungszentrum National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) zur Verfügung gestellten Aufnahme ist eine Zelle (grün) mit dem Coronavirus (gelb) infiziert. In den Zellen kann das Virus große schäden anrichten, sagt Prof. Dr. ulrike Protzer von der Technischen Universität München.
    Auf dieser vom US-Forschungszentrum National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) zur Verfügung gestellten Aufnahme ist eine Zelle (grün) mit dem Coronavirus (gelb) infiziert. In den Zellen kann das Virus große schäden anrichten, sagt Prof. Dr. ulrike Protzer von der Technischen Universität München. Foto: picture alliance, dpa /Europa Press / Niaid

    Ist absehbar, in welche Richtung das Virus weiter mutieren könnte?

    Protzer: Keiner von uns ist Hellseher. Insofern kann man nur rationale Argumente finden für Szenarien, die mehr oder weniger wahrscheinlich sind. Viren passen sich immer so an, dass sie ansteckender werden. Das haben wir ja auch gesehen: Mit jeder neuen Variante ist SARS-CoV-2 ansteckender geworden. Viren passen sich aber nicht in der Art an, dass sie schwerer krank machen. Denn jemand, der schwer krank ist, liegt zuhause im Bett und läuft nicht rum und verbreitet das Virus. Das heißt, eine Variante, die schwer krank macht, die setzt sich nicht gut durch. Deshalb halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass eine „Killervariante“ kommt.

    Viele Menschen sind geimpft und hatte zudem eine Infektion. Macht es für den eigenen Schutz einen Unterschied, mit welcher Variante man infiziert war?

    Protzer: Der Schutz ist immer dann am besten, wenn ich genau das passende Antigen, also genau die passende Variante gesehen habe. Aber: Die Stimulation des Immunsystems durch die Impfung mit der ursprünglichen Variante plus einer Infektion mit einer bereits veränderten Variante macht auf jeden Fall auch eine gute Immunität. Das schützt einen nicht sicher vor Ansteckung, aber es schützt einen vor einer schweren Erkrankung.

    Wie lang ist man denn relativ gut vor einer Ansteckung geschützt?

    Protzer: Einen hundertprozentigen Schutz vor Ansteckung gibt es nicht, auch nicht nach einer durchgemachten Infektion. Aber die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, geht für etwa fünf bis sechs Monate deutlich zurück.

    Es wird derzeit auch an Nasenspray-Impfstoffen geforscht. Was halten Sie davon?

    Protzer: Das ist eine sehr gute Idee. Denn wenn ich nicht nur Schutz vor Erkrankung haben will, sondern eben auch vor einer Infektion, dann brauche ich eine gute Immunität in den Schleimhäuten. Und die kann ich am besten aktivieren, wenn ich einen Impfstoff habe, der dort direkt ansetzt. So soll ein Eindringen des Virus in den Körper verhindert werden.

    Mittlerweile gibt es auch Medikamente gegen Covid-19, etwa Paxlovid. Wie gut sind die Präparate?

    Protzer: Paxlovid ist sicherlich sehr wirksam, es hemmt die Virusvermehrung sehr effizient. In mehreren Studien hat man auch gesehen, dass es bei gefährdeten Personengruppen das Risiko, ins Krankenhaus zu müssen oder an der Infektion zu sterben, deutlich senkt. Das Problem bei Paxlovid ist zum einen, dass es relativ früh gegeben werden muss. Man muss also sehr schnell reagieren. Und zum anderen: Das Medikament enthält einen Wirkstoffverlängerer, damit es richtig wirken kann. Dieser Wirkstoffverlängerer beeinflusst aber auch andere Medikamente.

    Wird Paxlovid wegen dieser Wechselwirkungen bisher eher zögerlich eingesetzt?

    Protzer: Ja, das ist ein Grund. Der zweite ist, dass man immer ein bisschen Angst vor dem sogenannten Rebound hat. Das heißt: Wenn die Paxlovid-Therapie zu Ende ist, kann noch einmal eine Viruswelle zurückkommen.

    Die Zahl der Menschen, die an Long Covid leiden, nimmt zu. Was macht das Virus im Körper?

    Protzer: Dieses Virus ist eben leider kein reines Erkältungsvirus, das sich nur auf der Nasenschleimhaut vermehrt. Dieses Virus geht in die Lunge, in die Blutbahn, an die Blutgefäße, in die Nieren oder den Herzmuskel. Es kann sogar bis ins Gehirn gelangen. Eine zweite Eigenschaft ist, dass das Virus Zellen kaputt macht. Das heißt: Wenn das Virus in eines dieser Organe geht, dann kann es auch einen Zellschaden anrichten. Und dieser Schaden muss vom Körper erst einmal repariert werden, das dauert. Deswegen hat man dann diese lang anhaltenden Folgen.

    Kommen wir zum Beginn unseres Gesprächs zurück, zur aktuellen Pandemielage. Mittlerweile gibt es kaum mehr Einschränkungen, der Großteil der Menschen geht ohne Maske einkaufen, die Bierzelte sind voll. Ist das vertretbar?

    Protzer: Das Oktoberfest wird sicherlich ein Infektionstreiber sein. Nicht nur für das Coronavirus, sondern auch für alle Erkältungsviren und das Grippevirus. Deswegen sollte jeder sein persönliches Risiko bewerten und sich überlegen, ob man da wirklich hingehen möchte.

    Zur Person:

    Prof. Dr. Ulrike Protzer übernahm 2007 den Lehrstuhl für Virologie an der Technischen Universität München und ist seitdem Direktorin des Instituts für Virologie an der TUM und am Helmholtz Zentrum.

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