Darf das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) die bayerische AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall beobachten? „Ja“, findet das Verwaltungsgericht in München – und geht noch einen Schritt weiter: Die Hinweise auf verfassungsfeindlichen Rechtsextremismus innerhalb der Bayern-AfD seien so umfangreich und gewichtig, dass bei der Beobachtung sogar „die Voraussetzung für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegeben ist“, sagte der Vorsitzende Richter Michael Kumetz. Die Beobachtung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte zuvor bereits das Oberverwaltungsgericht Münster für rechtens erklärt.
Bisher verzichtet das LfV nach eigenen Angaben beispielsweise auf den Einsatz von V-Leuten in der Bayern-AfD und beschränkt sich auf die Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen. Nach der Klage der AfD gegen die Beobachtung in Bayern hatten die Verfassungsschützer dem Gericht mehrere Tausend Seiten aus diesem Material zur Prüfung vorgelegt. Die Auswertung dieser Quellen lege nun eindeutig dar, dass es in der gesamten bayerischen AfD „Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“ gebe, urteilte das Gericht: „Vom Vorliegen nur einzelner verbaler Entgleisungen kann keine Rede sein“, sagte Richter Kumetz. „Auch eine Beobachtung nur einzelner Kreisverbände würde zu kurz greifen.“
Innenminister Joachim Herrmann will "auch auf Staatsdiener ein besonderes Auge werfen"
So baue die AfD in Bayern mit Blick auf Zuwanderer gezielt ein „Bedrohungs- und Schreckensszenario“ auf. Muslimen werde etwa pauschal unterstellt, in Bayern „die Scharia einführen zu wollen“, so der Richter. Darüber hinaus gebe es AfD-Äußerungen, „die auf einem ethnisch-biologischen Volksverständnis basieren“. Dieses ziele darauf ab, „auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund menschenwürdeverletzend auszugrenzen“. Wohl mit Blick auf den vom Verfassungsschutz kürzlich persönlich ins Visier genommenen schwäbischen AfD-Landtagsabgeordneten Franz Schmid sagte der Richter zudem, „auch führende AfD-Leute“ teilten und verharmlosten die von der „Identitären Bewegung“ erhobene Forderung einer „Remigration“ von Zuwanderern. Zudem gebe es Äußerungen aus der AfD, die jenseits legitimer Kritik an der aktuellen Regierung „die Demokratie und den Rechtsstaat insgesamt“ verächtlich machten. Der Richter verwies etwa auf „Umsturzfantasien“ in internen Chats oder eine AfD-interne Forderung von „Erschießungskommandos“ für politische Gegner.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte das Urteil. „Bei der Beobachtung der AfD werden wir sicherlich auch auf Staatsdiener ein besonderes Auge werfen,“ sagte Herrmann unserer Redaktion. Die Partei sei nicht verboten, aber man müsse im Blick haben, inwieweit Beamte dort aktiv seien. Zur Ausweitung der Beobachtung von Rechts-, aber auch Linksextremisten sowie Islamisten sei das Personal des Verfassungsschutzes bereits verstärkt worden.
AfD-Vize Teich sagt: „Unser Programm ist einwandfrei"
Der stellvertretende AfD-Landeschef Tobias Teich sagte dagegen: „Wir sind von dem Urteil nicht sonderlich überrascht.“ Den Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit seiner Partei wies Teich zurück: „Unser Programm ist einwandfrei, wir dulden keine strafbaren Inhalte.“ AfD-Landeschef Stephan Protschka kritisierte die gerichtliche Bestätigung der Beobachtung seiner Partei durch den Verfassungsschutz als „Einschränkung der politischen Meinungsfreiheit“. Die Bayern-AfD werde deshalb „alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, um gegen diese Entscheidung vorzugehen“.
Die AfD kassierte am Montag noch an anderer Stelle eine juristische Niederlage. Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke wurde erneut wegen einer verbotenen Nazi-Parole schuldig gesprochen. Das Landgericht Halle verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 16.900 Euro. Schon im Mai war Höcke wegen des gleichen Spruchs zu einer Geldstrafe verurteilt worden.