Bayerns Innenminister Joachim Herrmann schwant Ungutes: „Nicht nur Drogen sind im Straßenverkehr hochgefährlich. Auch legale Medikamente können zur Fahruntüchtigkeit führen. Gerade im Kombination mit anderen Medikamenten oder auch Alkohol drohen erhöhte Unfallgefahren“, sagte Herrmann gegenüber unserer Redaktion. Um dieses Thema zu vertiefen, hat der CSU-Politiker am Montag zur zweiten Verkehrssicherheitskonferenz im Rahmen des Verkehrssicherheitsprogramms 2030 nach Ingolstadt eingeladen. Der Titel: „Medikamente und Drogen – Zu Risiken und Nebenwirkungen im Straßenverkehr“.
„Es geht insbesondere darum, mit Verkehrsexperten die Auswirkungen der Medikamenteneinnahme auf die Fahrtüchtigkeit, die Herausforderungen bei Schmerzpatienten und Dauermedikation sowie die Möglichkeiten zur Vorbeugung von Medikamentenmissbrauch zu diskutieren“, erklärt Herrmann. Außerdem wird die von der Bundesregierung angekündigte Cannabis-Freigabe ein Thema sein. Herrmann betont: „Aus meiner Sicht sind die Pläne der ,Ampel‘ für die Verkehrssicherheit hochproblematisch. Denn bei einer Freigabe von Cannabis müssen wir mit einem Anstieg der Unfallzahlen unter Drogeneinfluss rechnen.“
Bei 5000 Unfällen waren Alkohol oder Drogen im Spiel
Bereits im vergangenen Jahr nahmen diese Unfallzahlen im Vergleich zu 2020 um 4,6 Prozent zu. Insgesamt zählte man 586 Unfälle. Fünf Menschen hätten sterben müssen, weil sich Autofahrer unter Drogeneinfluss ans Steuer gesetzt hatten. Allerdings sind statistisch gesehen nach wie vor die alkoholisierten Fahrerinnen und Fahrer die größere Gefahr für den Straßenverkehr. Sie haben im vergangenen Jahr ebenfalls wieder mehr Unfälle verursacht. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl um 1,5 Prozent auf mehr als 4500 . Insgesamt gab es in Bayern im Jahresverlauf rund 359.000 Verkehrsunfälle.
Zählt man die Unfälle zusammen, bei denen Alkohol oder Drogen im Spiel waren, ist die Bilanz noch erschreckender: Es kam insgesamt zu 5000 Unfällen. 34 Menschen starben. Die Polizei hat wegen dieser Vergehen und Straftaten binnen eines Jahres mehr als 30.000 Anzeigen erstattet.
Joachim Herrmann für Null-Toleranz-Strategie bei Cannabis
Herrmann hatte schon in der Vergangenheit eine klare Meinung zur Freigabe von sogenannten Einsteigerdrogen: „Der Staat muss bei Cannabis ganz klar an der Null-Toleranz-Strategie festhalten.“ Das sei eine hochwirksame stimmungs- und wahrnehmungsverändernde Droge. Insbesondere ein früher Einstieg mit Cannabis könne dauerhafte Folgeschäden nach sich ziehen. Herrmann zufolge kann dies bis hin zu Psychosen und schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Der Minister räumte allerdings ein: „Zwar wird nicht jeder Cannabiskonsument zwangsläufig ein Junkie. Aber gerade Kinder und Jugendliche sind gefährdet, in eine verhängnisvolle Suchtspirale zu geraten.“
Strafrechtlich gesehen drohen aktuell ab einem Nanogramm THC, dem Hauptwirkstoff von Haschisch und Marihuana, laut Bußgeldtabelle saftige Bußgelder, Punkte und sogar ein Fahrverbot, wenn die Fahrt als Ordnungswidrigkeit eingestuft wird. Bei Fahrauffälligkeiten kann die Drogenfahrt sogar als Straftat gewertet werden. Beim Thema Arzneimittel sieht es etwas anders aus. Medikamente können für Autofahrer Fluch und Segen zugleich sein. Auf der einen Seite ermöglichen sie nach Einschätzung des ADAC Patienten mit bestimmten Erkrankungen eine erneute Teilnahme am Straßenverkehr. Auf der anderen Seite könnten Nebenwirkungen oder falsch eingenommene Medikamente die Fahrsicherheit erheblich einschränken.
Der Autoclub warnt allerdings auch: „Viele Menschen, die täglich im Straßenverkehr unterwegs sind, sind sich der Nebenwirkungen von eingenommenen Medikamenten nicht bewusst.“ Rund ein Fünftel aller auf dem Markt erhältlichen Medikamente könnten Auswirkungen auf die Fahrsicherheit haben. Neben zahlreichen verschreibungspflichtigen würden auch viele frei verkäufliche Medikamente wie zum Beispiel Schmerz- und Erkältungsmittel zu den verkehrsrelevanten Medikamenten zählen. Zudem enthielten einige Medikamente Alkohol im zweistelligen Prozentbereich.
Bei der Verkehrskonferenz am 17. Oktober sprechen zu diesen Themen unter anderen Polizeirätin Nicole Wilhelm, Professor Benno Hartung vom Institut für Rechtsmedizin in München sowie Professor Claudia Sommer vom Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Würzburg.