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Verkehr: Die Zahl der Fahrradtoten steigt: Wo es in der Region besonders gefährlich ist

Verkehr

Die Zahl der Fahrradtoten steigt: Wo es in der Region besonders gefährlich ist

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    Die Zahl der Fahrradunfälle variiert von Landkreis zu Landkreis.
    Die Zahl der Fahrradunfälle variiert von Landkreis zu Landkreis. Foto: AZ/Daniel Bockwoldt, dpa

    Jeden Tag verunglücken Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer auf bayerischen Straßen. Sie müssen schwerverletzt in die Klinik, jeden vierten Tag stirbt einer dieser Menschen. Zwar ging die Zahl der Verkehrstoten über die vergangenen Jahre zurück. Nicht aber bei den Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrern. Im Gegenteil: Für sie bleibt die Straße eine große Gefahr – vor allem in Bayern. Die Zahl im Freistaat steigt sogar.

    Die Zahl der Toten ist so hoch wie seit 2009 nicht mehr

    Dabei verunglücken in Bayern ohnehin schon mehr Radfahrerinnen und Radfahrer als in anderen Teilen Deutschlands. Unter den Flächenbundesländern belegte der Freistaat 2021 einen traurigen zweiten Platz. Nur in Schleswig-Holstein verunglückten im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr Menschen auf dem Rad. Die drei Stadtstaaten – Berlin, Hamburg und Bremen – nehmen dabei eine Sonderstellung ein, da in urbanen Gebieten statistisch gesehen deutlich mehr Menschen verunglücken als in ländlichen Gebieten.

    Klar aber ist: Die Zahl der Fahrradunfälle ist in den vergangenen Jahren in Bayern deutlich gestiegen – 2022, verglichen mit 2015, um ein Viertel. 2015 waren es 15.405, im vergangenen Jahr 19.646. Dabei wurden mehr als 18.000 Radfahrerinnen und Radfahrer verletzt und 84 getötet. Das ist die höchste Zahl seit 2009 mit 97 Toten. Und das, obwohl die Zahl der Verkehrstoten insgesamt zurückgeht. 519 Menschen kamen bei Unfällen ums Leben, knapp 62.000 Menschen wurden verletzt. Mit Ausnahme der beiden Corona-Jahre 2020 und 2021, in denen auf den Straßen deutlich weniger Verkehr herrschte, war dies der niedrigste je gemeldete Stand von Unfallopfern in Bayern.

    Warum also wirkt sich das nicht auf die Zahl der verunglückten Radfahrerinnen und Radfahrer aus? Allgemein gibt es einen Trend zu mehr Radverkehr in Deutschland: Während 2017 nach Zahlen des Zweirad-Industrie-Verbandes hierzulande rund 73,5 Millionen Fahrräder gezählt wurden, waren es 2021 bereits rund 81 Millionen. Statistisch betrachtet besitzt damit fast jeder Mensch in Deutschland ein Fahrrad.

    Die meisten Unfälle verzeichnen kreisfreie Städte wie Memmingen und Augsburg, doch besonders schwere Unfälle geschehen eher auf dem Land

    Das ist aber nur ein Teil der Erklärung. "Der Verkehr – vor allem in den Städten – wird immer dichter, der Platz auf den Straßen enger", sagt Bernadette Felsch, Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Bayern. "Und das wird vor allem für die zur Gefahr, die keine Knautschzone haben", sagt sie. "Autos werden von Jahr zu Jahr mit mehr Sicherheitstechnik ausgestattet, bei Fahrrädern geht das nicht. Gerade deshalb ist es wichtig, die Radinfrastruktur auszubauen." Dazu zählen ausreichend breite Fahrradwege, aber auch die Beseitigung von zu hohen Bordsteinkanten, Schlaglöchern oder Räumung im Winter.

    Besonders häufig, sagt Felsch, verunglücken Menschen in urbanen Gebieten. Das zeigt auch ein Blick in die Region. Die meisten Unfälle verzeichnen kreisfreie Städte wie Memmingen und Augsburg, besonders wenige die eher ländlichen Kreise wie Dillingen oder Donau-Ries. "Das liegt vor allem am mangelnden Platz in den Städten", sagt Felsch, "Die Radfahrerinnen und Radfahrer verunglücken beim Überholen oder durch abbiegende Autos."

    Das Bild ändert sich, wenn man auf die Zahl der schweren Unfälle blickt. Hier liegen Dillingen und Donau-Ries im Verhältnis zur Einwohnerzahl sogar vor Augsburg. Besonders viele Schwerverletzte gab es im vergangenen Jahr im Oberallgäu mit 40 schweren Unfällen pro 100.000 Einwohner. "Auf dem Land ist zwar Platz, aber es fehlt an Infrastruktur", sagt Felsch. "Häufig fehlen Fahrradwege und die Radfahrerinnen und Radfahrer müssen auf schlecht beleuchtete Feldwege oder gar auf Landstraßen ausweichen", sagt Felsch. "Die Unfallgefahr ist dort entsprechend hoch." 

    Wie wenig die Radinfrastruktur in der Region ausgebaut ist, macht auch der Fahrradklima-Test 2022 deutlich, den der ADFC regelmäßig veröffentlicht. Die Umfrage, an der 245.000 Radfahrende bundesweit teilgenommen haben, ist nicht repräsentativ, gilt aber als aussagekräftiger Lagebericht. Darin haben die Radlerinnen und Radler dem Freistaat mit der Schulnote 4 ein schlechtes Zeugnis ausgestellt und ihn damit als fahrradunfreundlich erklärt. Besonders viele Menschen bemängeln ein fehlendes Sicherheitsgefühl und zu schmale Radwege. Auch in der Region sind die Radlerinnen und Radler unzufrieden. Besonders schlecht schnitten zuletzt Neuburg (Note 4,3), Kempten (Note 4,2) und Schondorf (Note 4,4) ab.

    Deshalb will die Landesregierung das Fahrradfahren nach eigener Aussage sicherer machen. Vergangenen Monat wurde das neue Radgesetz verabschiedet. Bis 2030 sollen 1500 Kilometer neue Radwege und ein landesweit durchgängiges Radverbindungsnetz entstehen. Ferner setzt das Gesetz auf mehr Verkehrssicherheit, eine zentralisierte Planung von Infrastrukturprojekten und eine günstigere Mitnahme des Fahrrads im Schienenpersonenverkehr für einen Euro pro Fahrt und Fahrrad.

    CSU und Freie Wähler standen bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs unter besonderem Handlungsdruck: Mehr als 100.000 Unterstützer hatten zuvor für ein Rad-Volksbegehren unterschrieben – das am Ende vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof aber gestoppt wurde. Bernadette Felsch kritisierte das Gesetz. "Zwar hat der Druck, mit dem wir die Schnecke CSU angeschoben haben, dazu geführt, dass nun endlich auch Bayern ein Radgesetz bekommt", sagte sie bei der Verabschiedung. "Doch glücklich sind wir nicht, weil das einzig konkrete Ziel für die Radinfrastruktur lautet: 1500 Kilometer neue Radwege bis 2030." Das entspreche im Schnitt 91 Metern pro Jahr und Gemeinde, rechnete sie vor. "In diesem Schneckentempo hätte Bayern erst 2160 ein Radverkehrsnetz. Damit bleiben wir sogar hinter den Zielen des Radverkehrsprogramms Bayern 2025 zurück."

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