Kleine Bäche werden über Nacht zu reißenden Fluten, sie setzen Keller unter Wasser, überfluten ganze Straßenzüge und schwemmen Autos wie Spielzeug davon: Auch am Montag hat die Hochwasserlage weite Teile der Region rund um Stuttgart sowie in Oberschwaben und im Allgäu fest im Griff. Während die Rettungskräfte dort nach wie vor unermüdlich im Einsatz gegen die Wassermassen sind, gibt es an anderen Flussläufen leichte Zeichen einer Entspannung. Und Erfolgsmeldungen wie in Esslingen und der kleinen Gemeinde Rudersberg.
Die Lage
Nach weiteren Regenfällen in der Nacht zum Montag hatte sich die Hochwasserlage vor allem an Rems und Murr, im Ostalbkreis und dem Kreis Göppingen sowie in Oberschwaben zunächst noch verschärft.
In der Stadt Ebersbach an der Fils (Kreis Göppingen) südöstlich von Stuttgart wurden Anwohnerinnen und Anwohner einiger Straßenzüge evakuiert. Die Überflutungen betrafen ein Wohngebiet, es wurde eine außergewöhnliche Einsatzlage angeordnet, wie das Landratsamt Göppingen am Morgen mitteilte. Unklar war noch, wie viele Menschen betroffen waren. Gesperrt ist auch die Bundesstraße 10 in Ebersbach, das Wasser stehe teilweise kniehoch, sagte ein Sprecher des Landratsamts. Wassermassen haben an der Bundesstraße eine Lärmschutzwand durchbrochen und die Fahrbahnen überflutet. Das Wasser auf der Straße komme überwiegend von dem Fluss Fils, der in der Nähe verläuft, aber auch von Hängen. Die Bahnlinie von Göppingen nach Ebersbach ist ebenfalls dicht.
Auch im baden-württembergischen Ostalbkreis spitzte sich die Hochwasser-Lage am Morgen zunächst zu. Wegen vorhergesagter Überflutungen wurden in der Nacht vorsorglich Menschen in Teilen der Gemeinden Leinzell, Heuchlingen und Göggingen aus ihren Häusern gebracht, wie eine Sprecherin des Krisenstabs mitteilte. Die Gemeinde Täferrot wurde zeitweise ebenfalls evakuiert. Später stufte der Krisenstab die Hochwasserlage von einem sogenannten Extremhochwasser- zu einem Jahrhunderthochwasser-Ereignis zurück. Ein Großteil der Menschen konnte in die Häuser zurückkehren. Entwarnung gebe es nicht. "Aber es ist ein deutliches Signal der Verbesserung", sagte die Sprecherin.
Entspannung nach schweren Überflutungen gab es auch im gesamten Rems-Murr-Kreis. Die Integrierte Leitstelle Rems-Murr teilte mit, die Warnung vor Hochwasser sei aufgehoben. Auch vorsorglich angeordnete Evakuierungen würden aufgehoben, hieß es weiter. Rückhaltebecken würden langsam und kontrolliert abgelassen.
In der Nacht hatte der Landkreis nach extremem Starkregen Katastrophen-Voralarm ausgelöst. Durch diese Vorstufe des Katastrophenalarms kann der Einsatz ebenso wie die Freistellung von Helferinnen und Helfern des Katastrophenschutzes sichergestellt werden. Auch für die Gemeinde Rudersberg gab es Entwarnung. Dort hatte der Starkregen Schäden angerichtet. Auf Fotos waren weggespülte Autos und Schlammmassen zu sehen.
Zugesetzt hatte der extreme Starkregen zwischenzeitlich besonders der kleinen Gemeinde Rudersberg. Das gesamte Gemeindegebiet war betroffen, alle Straßen waren gesperrt, sagte ein Sprecher der örtlichen Feuerwehr. Zeitweise waren die Teilorte Schlechtbach und Klaffenbach überschwemmt. Die Feuerwehr musste versuchen, sich einen Zugang zu den Bewohnern zu verschaffen. Berichte, wonach 20 Menschen dort vermisst würden, konnte der Sprecher nicht bestätigen. Auch aus dem Landratsamt hieß es, dass keine Personen vermisst würden. Auch dort wurde die Warnung vor Hochwasser inzwischen aufgehoben.
Die Verantwortlichen im benachbarten Landkreis Ludwigsburg gingen dagegen auch am Montag von einer akuten Gefahrenlage und steigenden Wasserständen aus. "Auch wenn derzeit kein starker Regen fällt, erwarten wir weiterhin einen Anstieg des Wasserstands von Rems und Murr", sagte Landrat Dietmar Allgaier. In Remseck sei der Scheitelpunkt der Rems noch nicht erreicht. Der Führungsstab beobachte die Lage und koordiniere die Einsatzkräfte. Insgesamt seien rund 250 Männer und Frauen der Feuerwehren im Einsatz, zudem 100 Polizistinnen und Polizisten.
Der Landkreis rief die Anrainerkommunen von Neckar, Rems und Murr zudem auf, ihre lokalen Krisenstäbe einzurichten. Möglich sei ein Hochwasser, wie es dort nur einmal in 100 Jahren vorkomme. Außerdem wurden zwei Pflegeheime in Steinheim an der Murr evakuiert. Mehr als 100 Bewohnerinnen und Bewohner der beiden Einrichtungen seien auf andere Heime verteilt worden.
Provisorischer Damm in Esslingen
In Esslingen am Neckar sollte ein provisorischer Damm eine vorhergesagte Überflutung von Teilen der historischen Altstadt verhindern. Der Scheitelpunkt war am frühen Montagmorgen erwartet worden. Vor dem sogenannten Wasserhaus an einem Kanal wurden den Angaben zufolge in der Nacht und am Montagvormittag knapp 1500 Tonnen Stein und Sand aufgeschüttet. Der Damm sei dicht, teilte die Stadt mit. Da nun aber als Folge die Kanäle in der Innenstadt von der Wasserversorgung abgeschnitten seien, drohten diese auszutrocknen. "Daher bemühen sich die Einsatzkräfte aktuell nach Kräften, die dort lebenden Fische zu retten", hieß es weiter. Es würden unter anderem rund 10 000 Liter Wasser pro Minute in die Kanäle gepumpt und Löschwasser zugeleitet.
Vorsicht in Kellern und Tiefgaragen
Städte warnten zudem vor dem Betreten bestimmter Bereiche. "Wir bitten Sie dringend darum, Keller und Tiefgaragen im Bereich der Innenstadt und in Oberesslingen nicht zu betreten. Zudem sollten die Bereiche direkt am Neckar nicht betreten werden", teilte die Stadt Esslingen mit. Die Stadtverwaltung beobachte die Pegelstände weiterhin. "Bitte informieren Sie sich regelmäßig auf dieser Website und in den Medien", hieß es auf der Internetseite der Stadt.
Erdrutsche im
Die schweren Regenfälle haben auch Folgen im Schwarzwald: Im Schwarzwald-Baar-Kreis lösten sie mehrere Erdrutsche aus. Bei dem zu Villingen-Schwenningen gehörenden Ort Mühlhausen gerieten entlang einer Land- und einer Kreisstraße Erdmassen in Bewegung, die Straßen mussten nach Worten einer Polizeisprecherin gesperrt werden. Im Ort selbst seien mehrere Menschen mit Schlauchbooten in Sicherheit gebracht worden, nachdem das Wasser in einer Straße dort bis zu 1,80 Meter hoch stand. Auch seien zahlreiche Unterführungen im Landkreis vollgelaufen, wie es weiter hieß. Im Landkreis Tuttlingen waren vor allem die Orte Aldingen, Gosheim und Denkingen von Überflutungen betroffen. Zwischen Denkingen und Gosheim versperrte ein Erdrutsch eine Landstraße.
Ministerpräsident besucht zwei Hochwassergebiete
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Landesinnenminister Thomas Strobl wollten sich am Vormittag in Meckenbeuren im Bodenseekreis ein Bild von der Lage machen. Danach wollten die beiden Regierungsvertreter Erbach im Alb-Donau-Kreis besuchen, wie ein Sprecher der Landesregierung am Sonntagabend mitteilte.
Bahnverkehr teilweise unterbrochen
Wegen der Unwetterschäden bleibt auch der Bahnverkehr im Süden Deutschlands stark beeinträchtigt. "Wir raten von Reisen in die betroffenen Hochwassergebiete in Bayern und Baden-Württemberg ab und empfehlen, nicht notwendige Reisen zu verschieben", warnte die Deutsche Bahn. "Bitte rechnen Sie zusätzlich damit, dass es bei den noch verkehrenden Zügen zu einer sehr hohen Auslastung kommt." Für die Nacht waren in Stuttgart, Nürnberg und München für Reisende Aufenthaltszüge eingerichtet worden.
Regenmassen nur noch in Oberschwaben und Allgäu
Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Während die Meteorologen vor allem in Oberschwaben weiter längere Regenfälle und im Allgäu Unwetter oder Gewitter erwarten, setzt sich nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes in den übrigen Regionen Baden-Württembergs am Montag sogar die Sonne durch. "Es bleibt sonst meist trocken, im Tagesverlauf auch mit Sonne", sagte ein DWD-Experte am Montagmorgen. Das gelte auch für die derzeit vom Hochwasser besonders stark betroffenen Regionen rund um die Landeshauptstadt Stuttgart.
Laut DWD könnte in Oberschwaben nach den Regenmengen von bis zu 20 Litern pro Quadratmeter aus der Nacht zum Montag weitere 5 bis 15 Liter bis zum Abend hinzukommen. Im Allgäu an der Landesgrenze zu Bayern seien auch lokal bis 35 Liter pro Quadratmeter möglich. Auch in diesen Gebieten versprechen die Meteorologen zum Dienstag und Mittwoch deutlich besseres Wetter.
(dpa)