Von der Idylle, deretwegen so viele Menschen für gewöhnlich in den oberbayerischen Kurort Bad Bayersoien kommen, ist derzeit nichts mehr zu spüren. Kaum ein Dachziegel ist noch da, wo er hingehört, Fenster wurden von bis zu acht Zentimeter großen Hagelkörnern zerschmettert, auf den Straßen stehen Autos mit zerstörten Windschutzscheiben. Das Unwetter, das am Samstag über den 1300-Einwohner-Ort gefegt ist, hat eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Und die Aufräumarbeiten werden dauern. Lange.
Insgesamt wurden 80 Prozent der Gebäude in Bad Bayersoien schwer beschädigt, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen und der Gemeinde.
Angesichts der verheerenden Lage rief Landrat Anton Speer am Sonntag den Katastrophenfall aus – dieser Schritt ermöglicht es, offiziell Einsatzkräfte aus den Nachbarlandkreisen und darüber hinaus anzufordern, die die Dächer sichern und abdichten sollen. "Diese Arbeit ist umso wichtiger, da die derzeitige Wetterlage mit anhaltendem Regen die Situation verschärft", heißt es in der Mitteilung. Um der Lage einigermaßen Herr zu werden, seien Notdächer angefordert worden, die aus ganz Bayern nun nach Bad Bayersoien transportiert würden. Trotz der Hilfe aus allen Teilen des Freistaates wird von Normalität aber noch lange nicht die Rede sein können. "Das Ende des Einsatzes ist noch nicht absehbar und die Kräfte vor Ort haben noch einige schwere Arbeit vor sich", sagt Landrat Speer.
In Kissing sind nach dem Unwetter Spielplätze und der Friedhof gesperrt
Auch in Schwaben sind die Einsatzkräfte damit beschäftigt, die Spuren des Unwetters zu beseitigen. Besonders betroffen war die Gemeinde Kissing im Landkreis Aichach-Friedberg. Im Seniorenheim Haus Gabriel hatte der Wind am Samstag Teile des Dachs heruntergerissen, das Wasser lief überall an den Wänden herab. Schließlich wurde das Haus evakuiert. Der Sturm fegte außerdem ein Festzelt um. Zehn Verletzte wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht. An der Paartalhalle zerschlug der Hagel eine Lichtkuppel, sodass Wasser eindrang. Wegen des Unwetters sind auch die Spielplätze und der Friedhof gesperrt.
Angesichts dieser massiven Schäden überrascht die Bilanz der Helfer kaum: Von Samstagabend bis Montagnachmittag verzeichnete allein die Freiwillige Feuerwehr Kissing rund 220 Einsätze. Kommandant Matthias Rawein berichtet: "Es war wie im Akkord. Einsatz, kurz schlafen und wieder weiter." Vorrang hatten am Wochenende jene Einsätze, bei denen Personen gefährdet waren. "Um ein paar Zentimeter Wasser im Keller konnten wir uns nicht kümmern, wir hatten andere Aufgaben", sagt Rawein.
Bäume krachten in Augsburg in Oberleitungen
Das Unwetter hat auch in Augsburg massive Probleme bereitet, Autos wurden beschädigt, Straßen überflutet. Auch am Sonntag und Montag gingen bei der Polizei noch vereinzelte Mitteilungen über Unwetterschäden ein. Hierbei habe es sich meist um abgebrochene Äste oder umgefallene Bäume gehandelt, sagt eine Sprecherin. Die Straßen seien zwar nass, aber Verkehrsbeeinträchtigungen gebe es vorerst nicht: "Die meisten übergelaufenen Abflüsse konnten bereits am Samstagabend noch freigeräumt werden."
Auch der öffentliche Nahverkehr der Stadt war beeinträchtigt. Weil an mehreren Stellen Bäume in Oberleitungen gekracht waren, könnten keine Straßenbahnen mehr fahren. Aber auch auf fast allen Buslinien ging am Samstagnachmittag nichts mehr, weil mehrere Straßen und Unterführungen unter Wasser standen. Die Stadtwerke Augsburg hatten nach eigenen Angaben bei ihren Fahrzeugen allerdings Glück im Unglück. Während viele Autofahrer darüber klagten, dass ihre Fahrzeuge durch den Hagel massive Blessuren abbekamen, sieht es beim Verkehrsunternehmen anders aus: "Die Fahrzeuge wurden nicht beschädigt", sagt eine Sprecherin. Es habe keine größeren Lack- oder Glasschäden gegeben. "Allerdings gab es durch den Starkregen Wassereintritt in den Innenraum von drei Straßenbahnen."
Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt warnt vor Hochwasser
Wegen des Dauerregens steigen auch die Pegel der Flüsse. Das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt hat am Montag eine Hochwasserwarnung für die Landkreise Neuburg-Schrobenhausen, Eichstätt und Pfaffenhofen sowie für die Stadt Ingolstadt ausgesprochen, die bis zu diesem Mittwoch, 15 Uhr, gültig ist. In Neuburg drohe am Dienstagmittag ein Anstieg auf die Meldestufe 3, was einem Wasserstand der Donau von 4,60 Meter an der Meldelatte entspricht, erklärt Martin Mayer, Leiter des Wasserwirtschaftsamts Ingolstadt. Diese Stufe bedeutet, dass einzelne bebaute Grundstücke und Keller überflutet sowie überörtliche Verkehrsverbindungen gesperrt werden können. Solange es nicht mehr regnet als aktuell vorhergesagt, sei die Lage aus Mayers Sicht jedoch "nicht dramatisch". (mit sry, akas, ands, möh)