Die Ukrainische Freie Universität in München bekommt Unterstützung
Die Ukrainische Freie Universität in München ist weltweit die einzige ihrer Art. Mit dem Krieg kommen besondere Herausforderungen auf sie zu.
Als Nadia Khomanchuk im Januar dieses Jahres in Lwiw in den Flieger nach München steigt, rollen Tränen über ihr Gesicht. Für drei Wochen hat sie zu Weihnachten ihre Familie besucht – wie jedes Jahr. Doch dieses Mal ist der Abschied am Flughafen in der westukrainischen Stadt anders als sonst.
Bis zur russischen Invasion sollten noch einige Wochen vergehen, doch Putin hat bereits an die 120.000 Soldaten im Grenzgebiet zusammengezogen. Der Krieg ist für die 29-Jährige und ihre Familie schon kurz nach Weihnachten spürbar. „Wir wussten nicht, ob wir uns wiedersehen“, erinnert sie sich. Nun versucht sie seit Wochen die Familie nach München zu holen, doch die Mutter blockt ab, will lieber in der Heimat bleiben. „Aber vor allem meine Großeltern haben Angst“, sagt sie. Khomanchuk ist Doktorandin an der Ukranischen Freien Universität (UFU) in München.
An der Ukrainischen Universität in München sind derzeit knapp 300 Menschen eingeschrieben
Seit 2014, dem Jahr der völkerrechtswidrigen russischen Krimannexion und dem Beginn des Krieges im Osten des Landes, wohnt sie in der bayerischen Landeshauptstadt und promoviert derzeit in Sprachwissenschaften an der einzigen ukrainische Exiluniversität der Welt. Im vergangenen Jahr feierte diese ihr 100-jähriges Bestehen. Unscheinbar und klein wirkt der grau verputzte zweistöckige Bau in der Nähe von Schloss Nymphenburg. Dass hier 250 Masterstudierende und 50 Promovierende immatrikuliert sind, überrascht. An den drei Fakultäten werden etwa Psychologie, Politikwissenschaft und Ukrainistik gelehrt – größtenteils in ukrainischer, aber auch in englischer und deutscher Sprache. Es sei ein wichtiges Anliegen, die Demokratie zu stützen, die ukrainische Identität zu stärken und Führungskräfte auszubilden, sagt Rektorin Maria Pryshlak, die bereits an der US-amerikanischen Georgetown Universität tätig war. Die meisten eingeschriebenen Studierenden waren vor Beginn des Krieges in der Ukraine – wegen der Pandemie fanden die Kurse online statt. Zurückkehren durften nun allerdings nur die Frauen, ihre Kommilitonen müssen kämpfen.
In diesen Tagen des russischen Angriffskrieges ist die UFU so viel mehr als eine Universität. Geflüchtete Kinder müssen betreut, Anfragen aller Art beantwortet werden. Täglich bekommt Kanzlerin Yanina Lipski Emails von den umliegenden Schulen, die nicht wissen, wie sie mit neuen Schülerinnen und Schülern aus der Ukraine umgehen sollen. Inmitten der über 30.000 wissenschaftlichen Publikationen verfügt die Universitätsbibliothek nun über eine Spielecke mit Kinderbüchern. „Die Bibliothek ist für alle ukrainischen Flüchtlinge offen“, sagt Lipski. Sie rechnet damit, dass aus den 300 Studierenden bald doppelt so viele werden könnten. Doch nicht alle Geflüchteten aus dem Kriegsgebiet, die studieren wollen, können die 600 Euro Studiengebühren pro Semester stemmen – die Haupteinnahmequelle der privaten Universität.
Wissenschaftsminister Blume will die Universität mit bis zu 100.000 Euro unterstützen
Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) nahm auf eigene Initiative die prekäre Situation zum Anlass für einen Besuch. „Wir sind stolz, dass wir Ihre Universität in Bayern haben“, sagte Blume beim Gespräch mit Rektorin Pryshlak und Kanzlerin Lipski. Der Freistaat trage eine „besondere Verantwortung“ für die „wirklich besondere Einrichtung“. Pryshlak nennt die drei aktuell größten Herausforderungen: Die Räumlichkeiten seien zu klein, Unterbringungsmöglichkeiten für die Studierenden zu wenig und die technische Ausstattung der neu immatrikulierten Studierenden nicht ausreichend. Blume, der mit seinem Vorgänger Ludwig Spaenle angereist war, stellt bis zu 100.000 Euro in Aussicht.
Er wolle prüfen, inwiefern Studierende über das städtische Studentenwerk an günstigen Wohnraum kommen können. Für die technische Ausstattung schlug der Wissenschaftsminister eine Partnerschaft mit der Technischen Universität vor und die Studierenden selbst sollen durch Stipendien etwa der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt werden können. Rektorin Pryshlak, die in der vergangenen Woche zu Besuch im Bayerischen Landtag war, zeigte sich positiv überrascht. „Die bayerische Unterstützung ist schneller und größer, als wir das gehofft haben. Das ist wundervoll“, sagte sie.
Gegründet wurde die Universität 1921 von geflüchteten Intellektuellen in Wien, nachdem die Rote Armee die junge Republik besetzt hatte und siedelte kurz darauf nach Prag über. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Lehre dann in München – vor allem für ehemalige Zwangsarbeiter aus den Außenstellen des KZ Dachaus und Ukrainer, die aus Prag vor den sowjetischen Truppen geflüchtet waren. „Nun wiederholt sich die Geschichte“, sagt Lipski. „Das war schon immer die Uni der Flüchtlinge.“
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