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Übertrittszeugnis: Mittelschule, Realschule, Gymnasium? Nicht nur die Noten entscheiden

Übertrittszeugnis

Mittelschule, Realschule, Gymnasium? Nicht nur die Noten entscheiden

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    Mit der vierten Klasse endet in Bayern die Grundschulzeit.
    Mit der vierten Klasse endet in Bayern die Grundschulzeit. Foto: Peter Kneffel, dpa (Symbolbild)

    Der Zeugnistag ist für die allermeisten bayerischen Schülerinnen und Schüler noch sehr weit entfernt. Viertklässlerinnen und Viertklässler im Freistaat haben den wichtigsten Notenschnitt ihrer bisherigen Grundschul-Laufbahn aber Anfang Mai schon erhalten: das Übertrittszeugnis. In diesen Tagen müssen sie sich mit ihren Eltern entscheiden: Geht es an die Mittelschule, die Realschule oder wagen sie den Sprung aufs Gymnasium? Dass die Entscheidung nicht immer nur von den Noten abhängt, dokumentieren diese fünf Fakten: 

    1. Kinder mit Migrationshintergrund haben es schwerer

    Es ist ein Missstand, den Kritikerinnen und Kritiker des dreigliedrigen Schulsystems seit vielen Jahren anprangern. Noch immer gehen Kinder mit Migrationshintergrund in Bayern deutlich seltener auf die Realschule oder aufs Gymnasium als ihre deutschen Mitschülerinnen und Mitschüler. Während zum Beispiel jedes zweite deutsche Mädchen zuletzt ans Gymnasium wechselte, waren es bei den Mädchen mit Zuwanderungsgeschichte nur 27 Prozent. Mit über 40 Prozent ist die Mittelschule die häufigste Schulform für Kinder mit Wurzeln in anderen Ländern. Der Augsburger Professor für Schulpädagogik, Klaus Zierer, erklärt das so: "Bildung ist nicht nur die Sache der Schule. Gerade die Elternhäuser haben einen großen Einfluss, der sozioökonomische Status spielt eine Rolle, ebenso das kulturelle Kapital und damit das Milieu, in das ein Kind hineingeboren wird." Dass die Schule diese geerbten Nachteile nicht auffängt, sondern verschärft, ist eins der großen Probleme des Systems. 

    Das Übertrittszeugnis entscheidet über den weiteren Schulweg.
    Das Übertrittszeugnis entscheidet über den weiteren Schulweg. Foto: Marcus Merk

    2. Die Zahlen unterscheiden sich je nach Gebiet

    Dass das Milieu und der Geldbeutel der Eltern den Bildungserfolg beeinflussen, zeigt noch eine andere Statistik: Die Übertrittszahlen ans Gymnasium schwanken je nach Landkreis sehr stark. Während etwa in der Einwandererstadt Kaufbeuren und in den strukturschwachen Landkreisen Regen und Rottal-Inn im Jahr 2020 nicht einmal jedes vierte Kind ans Gymnasium wechselte, liegt die Quote in den gut betuchten und akademisch geprägten Landkreisen München und Starnberg bei fast 60 Prozent und in der Universitätsstadt Erlangen nur unwesentlich darunter. 

    3. Eltern widersetzen sich der Übertrittsempfehlung

    Das Übertrittszeugnis wird von Kritikern auch "Grundschulabitur" genannt – ein Verweis auf den Lernstress, den ehrgeizige Eltern ihrem Kind in der vierten Klasse zumuten, damit es auch sicher den Sprung ans Gymnasium schafft. Nach wie vor schicken rund 40 Prozent der Eltern ihre Kinder nach der Grundschule dorthin. Trotzdem scheint der unbedingte Wille zum Abitur nachzulassen – zumindest ein bisschen. Nach Angaben des Landesamts für Schule schickten im Jahr 2022 viele Eltern ihre Kinder auf die Realschule, selbst wenn der Notenschnitt in Mathematik, Deutsch und im Heimat- und Sachunterricht fürs Gymnasium reichen würde (2,33 oder besser). Tatsächlich bekamen vergangenes Jahr 57 Prozent der Kinder eine Empfehlung fürs Gymnasium, aber "nur" 41 Prozent wechselten dorthin. Möglicherweise sehen Eltern in Zeiten des Fachkräftemangels auch vielversprechende Zukunftschancen für ihre Kinder, selbst wenn sie kein Abitur haben. 

    4. Die Durchlässigkeit des Schulsystems funktioniert vor allem nach unten

    Die Staatsregierung betont häufig, dass das bayerische Schulsystem für jedes Kind den richtigen Weg bereithalte. "Das Zauberwort lautet Durchlässigkeit", sagte Kultusminister Michael Piazolo von den Freien Wählern auch dieses Jahr anlässlich des Übertritts: "Interessen, Motivation und auch Fähigkeiten können sich verändern, genauso wie die passende Schulart. Deshalb ist der Wechsel an eine andere Schulart auch danach jederzeit möglich", gab er den 112.000 Viertklässlern diesmal mit auf den Weg. Das stimmt theoretisch, doch heißt es im bayerischen Bildungsbericht von 2021, nur jeder dritte Schulartwechsel sei ein "aufsteigender Wechsel". Zwei von drei Jugendlichen wechseln nach unten, am häufigsten vom Gymnasium an die Realschule. Pädagogik-Professor Zierer stellt noch etwas fest: "Wer schon einmal einen Abschluss in der Tasche hat, der wird statistisch gesehen leichter zum nächsten Abschluss kommen."

    Das Abitur ist nicht der einzige Weg an die Hochschule.
    Das Abitur ist nicht der einzige Weg an die Hochschule. Foto: Sina Schuldt, dpa (Symbolbild)

    5. QA und Mittlere Reife sind nicht das Ende der Fahnenstange

    Bei den Abschlüssen bietet das Schulsystem tatsächlich viele Anschlussmöglichkeiten. Eine große Mehrheit der Mittelschüler macht heute nicht "nur" den Qualifizierenden Abschluss (QA), sondern belegt den sogenannten M-Zug und schafft es zur Mittleren Reife. Fast 40 Prozent der Realschüler wiederum zog es 2022 nach der Mittleren Reife an die Fachoberschule. Laut Kultusministerium werden außerdem rund 50 Prozent der Hochschulzugangsberechtigungen heute über den beruflichen Bildungsweg erworben. Heißt: Jeder Zweite, der studiert, hat nicht klassisch das Abitur am Gymnasium gemacht.

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