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U-Bahn und Tram in München: Wie unkonventionell die MVG nach Fahrern sucht

Nahverkehr

Wie unkonventionell in München U-Bahn-Fahrer gesucht werden

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    Ungewöhnlich, aber effektiv: Die Münchner Verkehrsgesellschaft führt Bewerbungsgespräche in der U-Bahn, um dem eklatanten Fahrermangel entgegenzuwirken.
    Ungewöhnlich, aber effektiv: Die Münchner Verkehrsgesellschaft führt Bewerbungsgespräche in der U-Bahn, um dem eklatanten Fahrermangel entgegenzuwirken. Foto: Noa Hüper

    Bewerbungsgespräch in der U-Bahn? Klingt ziemlich ungewöhnlich. Wenn es nach dem ersten Kennenlernen am Gleis zwischen potenziellem Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon zu einer vorläufigen Zusage kommt, ist das erst recht außergewöhnlich. 

    Was für viele Arbeitssuchende nach einem Bewerbungs-Traum klingt, ist bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) mittlerweile Realität. Grund ist der eklatante Fahrermangel für U-Bahn, Tram und Bus in der Landeshauptstadt. Etwa 300 Fahrerinnen und Fahrer fehlen aktuell, davon allein 200 für die Schiene. Gründe seien zahlreiche interne Abgänge und Weiterbildungen sowie die Altersstruktur, sagt MVG-Fahrdienstleiter Thomas Hankwitz. Jährlich gingen dutzende Fahrer in Rente und zu wenige kämen nach. 

    Deshalb versucht die MVG nun, mit einer besonderen Kampagne gegenzusteuern. Zu Besuch beim Bewerbungs-Marathon in der U-Bahn, der die akuten Personalprobleme lösen soll. 

    MVG gibt passenden Bewerbern noch in der U-Bahn vorläufige Zusage

    Auf Gleis drei im U-Bahnhof Olympiazentrum sind die Türen der sogenannten Bewerbungsbahn an diesem Tag fünf Stunden geöffnet. In dem engen Gang und auf den blauen Sitzreihen informieren MVG-Mitarbeiter Interessierte über ihren Arbeitsalltag, führen Vorstellungsgespräche und geben "bei grundsätzlicher Eignung" eine vorläufige Zusage für die dreimonatige Ausbildung. 

    Rammelvoll ist die Bewerbungsbahn an diesem Morgen. In einer "normalen" U-Bahn, die am Gleis gegenüber hält, ist deutlich weniger los. Allein in den ersten 90 Minuten füllen rund 80 potenzielle Fahrerinnen und Fahrer die Bewerbungsunterlagen aus. Darunter sind Alte und Junge, Bewerber mit Vorkenntnissen in der Personenbeförderung aber auch viele Quereinsteiger. 

    Anmelden müssen sich die Bewerberinnen und Bewerber nicht. Alles ist auf ein möglichst niederschwelliges Angebot ausgelegt, um schnell und unbürokratisch neues Personal zu gewinnen – einfach einsteigen und bewerben ist das Motto. Unter den Interessierten sind solche, die sich gezielt vorbereitet haben, aber auch jene die zufällig vorbeikommen. Schließlich können erforderliche Unterlagen wie Lebenslauf, Führungszeugnis und Fahreignungsregister nachgereicht werden.

    Was Bewerber an dem ungewöhnlichen Angebot der MVG schätzen

    Einer, der spontan zum Vorstellungsgespräch in die U-Bahn gestiegen ist und gute Aussichten auf die Ausbildung hat, ist Frank Keller (Name geändert). Der Mitte 40-Jährige mit Brille und kurzgeschorenen dunklen Haaren arbeite im Einzelhandel, erzählt er. Er zweifle daran, dass er den körperlich anstrengenden Job auch in Zukunft noch ausüben kann. "Mit 60 immer noch Paletten abpacken, darauf habe ich keine Lust", sagt er. Ihn habe das ungewöhnliche Angebot gelockt und voll überzeugt. Nach einem ausgiebigen Gespräch mit einem MVG-Mitarbeiter besteht er auch den schriftlichen Test, den die Bewerber – teils im Sitzen, teils im Stehen – auf Klemmbrettern ausfüllen. 

    Mit praxisnahen Fragen werden unter anderem die Deutschkenntnisse der Bewerber geprüft. Beispielsweise müssen sie eine Notsituation melden. Keller besteht souverän und die Freude ist ihm anzumerken. "Ich hoffe, das klappt mit dem Job, ich kann es gar nicht erwarten", sagt er. Wenn er auch die ärztliche Untersuchung besteht – Ausschlusskriterium für U-Bahn-Fahrer ist etwa eine Rot-Grün-Schwäche –, steht dem beruflichen Neuanfang mit Mitte 40 nichts mehr im Wege. Bereits im Mai startet die Ausbildung in Fröttmaning. 

    Viele Interessierte scheitern am Deutschtest

    Allerdings gibt es an diesem Vormittag auch andere Beispiele. Für einige Anwärter ist das Sprachlevel ein großes Hindernis – mindestens B2-Niveau wird gefordert. Einer von ihnen geht in der U-Bahn auf einen MVG-Mitarbeiter zu. Er sagt in gebrochenem Deutsch, er verstehe die Fragen nicht. "Für solche Bewerber wird es leider schwierig", sagt Hankwitz. Im Ernstfall müssen U-Bahn-Fahrer einen Unfall oder Schaden über Funk melden und auch mit den Fahrgästen kommunizieren können. "Im Tunnel ist man erst einmal auf sich allein gestellt. Gutes Deutsch ist deshalb enorm wichtig", sagt der Fahrdienstleiter. 

    Was von den Bewerbern gefordert wird und was nicht

    Ansonsten sind die Anforderungen an die Bewerber aber nicht sonderlich hoch. Mindestens 21 Jahre alt müssen sie sein und ein einwandfreies Führungszeugnis vorweisen. Als Tram-Fahrer braucht man zudem einen Führerschein (Klasse B). Ein Schulabschluss ist nicht erforderlich.

    Zum Schluss fragt Frank Keller noch, wie viel er denn verdienen würde. Das Grundgehalt liege bei 2650 Euro (brutto) pro Monat. Mit Zulagen seien es über 3200, erklärt ihm ein MVG-Mitarbeiter. Keller nickt ab. Zu dem Job gehört aber auch die Bereitschaft, an Feiertagen und Wochenenden sowie in der Nacht zu arbeiten. "Wir fahren fast 24 Stunden täglich, 365 Tage im Jahr", sagt Hankwitz. 

    Der erhebliche Personalmangel im öffentlichen Nahverkehr ist auch in anderen Teilen Bayerns ein großes Problem – etwa in Augsburg. Dort werden nun sogar einzelne Verbindungen von Bus und Tram gestrichen.

    33 Personen erhalten in der Bewerbungsbahn eine vorläufige Zusage

    In München scheint der unkonventionelle Ansatz derweil zu fruchten. Die fehlenden 200 Fahrer rekrutiert die MVG mit der Bewerbungsbahn zwar nicht auf einen Schlag. Doch bereits beim Pilotversuch, im Oktober 2022, waren rund 20 Bewerber mit einer vorläufigen Job-Zusage aus der U-Bahn gestiegen. Diesmal sind es gar 33. Frank Keller ist einer von ihnen.

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