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Trockenheit: Bis zum letzten Tropfen: Wie viel Wasser darf man in Trockenzeiten verbrauchen?

Trockenheit

Bis zum letzten Tropfen: Wie viel Wasser darf man in Trockenzeiten verbrauchen?

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    Kleine Pools fassen 5000 Liter Wasser, die großen Modelle 30.000 Liter und mehr.
    Kleine Pools fassen 5000 Liter Wasser, die großen Modelle 30.000 Liter und mehr. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Für Karl-Heinz Bestfleisch ist es besser so. Dass der Pool, der mitten im Garten der Familie steht, jetzt zugebrettert ist. Dass von dem Bassin – 3,50 Meter Durchmesser, 1,20 Meter tief – inzwischen nur noch eine Abstellfläche geblieben ist, auf der jetzt ein paar Blumentöpfe stehen. Der 63-Jährige, der Jeans mit Hosenträgern, T-Shirt und Birkenstocks trägt, dreht den Gartenschlauch auf, füllt die blecherne Gießkanne mit Wasser aus dem früheren Pool und sagt dann: „Das ging einfach so nicht mehr. Die Zeiten haben sich geändert.“ 

    Vor 13 Jahren hat sich Bestfleisch den Pool in seinen Garten in Fuchstal, 15 Kilometer südlich von Landsberg, gebaut. Ein Modell mit Metallwand, damals 1900 Euro teuer, 80 Zentimeter tief im Boden versenkt. Jeden Frühsommer drehte er den Schlauch auf und ließ den Pool volllaufen. 11.000 Liter Trinkwasser für einen Sommer Badevergnügen. Mit den Sommern aber ließ die Freude nach. „Irgendwann hab ich mich nur noch geärgert über all das Wasser, das weg war“, sagt der Rentner. Über das Chlor und das Algenmittel, das nötig war, um das Wasser sauber zu halten. Über die Putzerei im Frühjahr und im Herbst. „Das war immer ein Mordsaufwand, ein Gedreckel“, erinnert sich seine Frau Renate und stemmt die Hände in die Hüften. Vor allem aber war da das schlechte Gewissen – nun, da Jahr für Jahr zu wenig Regen fällt, da die Sommer immer trockener werden. Sie sagt: „Mir ist Wasser einfach zu kostbar, als dass man es auf diese Weise vergeudet.“ 

    Er ärgerte sich über das Wasser, das in den Pool lief – und hatte dann die Idee

    Irgendwann hat Renate Bestfleisch ihren Mann überzeugt, dass der Pool nicht mehr befüllt wird. Eine Firma kam, schraubte eine Bretterkonstruktion darauf. Er ärgerte sich, dass zwischen den Holzdielen trotzdem Wasser hineinlief – und kam dann auf die Idee: Warum nicht den stillgelegten Pool als Zisterne nutzen? Also hängte er eine Tauchpumpe in das Bassin, schloss einen Gartenschlauch an und füllt seitdem die Gießkannen mit Regenwasser aus dem früheren Pool. Das hat den ganzen letzten Sommer für die Pflanzen im Garten gereicht und auch in diesem Sommer. Renate Bestfleisch sagt: „Mir geht es besser, seit das Ding zu ist.“ Ihr Mann schüttet Wasser in den Topf mit dem indischen Blumenrohr, das gerade so schön blüht. „Man hat ein besseres Gefühl.“ 

    Nun sind die Bestfleischs nicht allein mit ihrem Gefühl. Die Trockenheit, unter der weite Teile Deutschlands auch in diesem Sommer ächzen, gibt immer mehr Menschen zu denken. Zumindest legt das eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsunternehmens Civey nahe. Danach sind 55 Prozent der Bürgerinnen und Bürger besorgt angesichts des Wassermangels. Weil man es ja mit eigenen Augen gesehen hat: den vertrockneten Rasen im Garten, die tiefen Risse auf den Feldern. 

    Der Juni war vielerorts zu trocken.
    Der Juni war vielerorts zu trocken. Foto: Silvio Wyszengrad

    Der Juni war hierzulande nicht nur ungewöhnlich warm und der zweitsonnigste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, sondern auch erheblich zu trocken. In Zusmarshausen im Kreis Augsburg etwa hat es zwischen Mitte Mai und Mitte Juni gar nicht geregnet, in Landsberg waren es in dieser Zeit nur anderthalb Liter. Und obwohl es in den vergangenen Tagen immer wieder Schauer gab, bleibt das Problem. Für Schwaben und Oberbayern zeigt der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zwar in den oberen Bodenschichten genügend Wasser, doch sobald man tiefer als 25 Zentimeter blickt, sprechen die Experten von einer schweren bis außergewöhnlichen Dürre. 

    Laut einer Umfrage wären 77 Prozent bereit, auf den Pool zu verzichten

    Das Problem, so scheint es, ist bei vielen angekommen. Denn in der Civey-Umfrage spricht sich nicht nur eine Mehrheit dafür aus, dass Unternehmen für die Wasserentnahme höhere Abgaben zahlen sollen. Viele sind auch bereit, sich selbst im Fall einer Wasserknappheit einzuschränken. 78 Prozent würden darauf verzichten, das Auto zu waschen, 77 Prozent wären bereit, ohne Pool oder Planschbecken auszukommen.

    Ein paar hundert Meter von den Bestfleischs entfernt sieht die Realität anders aus. Im Neubaugebiet in Fuchstal reiht sich ein weiß getünchtes Haus an das nächste, in den Gärten stehen Spielhäuser mit Schaukeln, Rutschen – und oft auch Aufstellpools. Die kleinen Modelle fassen 5000 Liter Wasser, die mittleren 15.000, die ganz großen schlucken sogar 30.000 Liter und mehr. Mancher Hausbesitzer lässt im Frühsommer sogar die örtliche Feuerwehr kommen, um seinen Pool zu füllen – weil das mit dem Gartenschlauch Tage dauern würde. 

    Karl-Heinz Bestfleisch nutzt seinen zugebretterten Pool als Zisterne.
    Karl-Heinz Bestfleisch nutzt seinen zugebretterten Pool als Zisterne. Foto: Christian Rudnik

    Drüben, an der Dorfstraße, steht Karl-Heinz Bestfleisch in seinem eingewachsenen Garten, zwischen Petunien, Holunderbaum und Sommerspiere, zwischen Gartenteich, Schildkrötengehege und der selbst getöpferten Vogeltränke und sagt: „Ich werde keinen verurteilen.“ Er will niemanden, der in diesen heißen Sommertagen im eigenen Pool planscht, bekehren. „Das Umdenken“, sagt der Mann mit dem grauen Vollbart, „ist ja ein langsamer Prozess.“ Die Tatsache, dass der Klimawandel nicht mehr zu leugnen sei; dass die Zeiten ohne Regen immer länger und die Sommer immer heißer würden. Dass Wasser eben nicht einfach so da ist. 

    Der Bürgermeister fährt nachts von Hydrant zu Hydrant

    Wie schnell das Wasser knapp werden kann, weiß Anton Keller nur zu gut. Keller ist Bürgermeister von Pleß, einer 920-Einwohner-Gemeinde im Unterallgäu. Im Gemeindeblatt hatte er Bürgerinnen und Bürger darum gebeten, bei der Verwaltung anzumelden, wenn der heimische Pool befüllt wird. Meldungen gab es nur vier, tatsächlich aber ließen sehr viele Grundstücksbesitzer im Ort das heimische Freibad an einem Wochenende volllaufen. Mit weitreichenden Folgen: In einer Nacht seien so bis zu 70 Kubikmeter Wasser mehr als sonst abgeflossen – normalerweise verbraucht Pleß 190 bis 230 Kubikmeter am Tag, hinzu kam ein kleiner Wasserrohrbruch. Plötzlich wurde die Wasserreserve im Ort knapp, schließlich muss die Kommune auch genug vorhalten, sollte es zu einem Brand kommen. Oder, wie Keller sagt: „Dann kriegst du echt die Krise, wenn du in das Wasserreservoir reinschaust.“

    Der Bürgermeister, zugleich Wasserwart, fuhr nachts von Hydrant zu Hydrant, auf der Suche nach der Ursache für den plötzlichen Wasserverlust. Er fand nichts. In Pleß behalf man sich und zapfte zwei Wochen lang Wasser aus einem Notverbund der Nachbargemeinde Boos. Erst später erfuhr Keller, dass die gleichzeitig befüllten Pools der Grund für den plötzlich erhöhten Wasserverbrauch waren. Der Gemeinderat werde sich des Themas nochmals annehmen, sagt der Bürgermeister, auch bei Bürgerversammlungen will er es ansprechen. „Für uns ist das ein Problem, wenn immer mehr Menschen zeitgleich immer größere Pools füllen. Da muss man sich halt absprechen.“

    Auch Rasensprenger sind in der Kritik.
    Auch Rasensprenger sind in der Kritik. Foto: Benjamin Nolte, dpa

    Beim Deutschen Städte- und Gemeindebund hat man nicht nur die Pools als Faktor für den Wasserverbrauch ausgemacht. Bernd Düsterdiek sagt: „Auch Rasensprenger verteilen in einer Stunde bis zu 800 Liter Trinkwasser.“ An heißen Sommertagen steigt der Wasserverbrauch in deutschen Haushalten um 40 bis 60 Prozent, hat man beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) beobachtet.

    Die hohen Temperaturen, fehlender Regen und damit einhergehende Trockenheit bringen Kommunen regelmäßig an ihre Grenzen. Das gilt gerade für Unterfranken, die trockenste Region Bayerns. Der Landkreis Würzburg hat vor zwei Wochen zum Wassersparen aufgerufen, das Landratsamt Miltenberg zog wenige Tage später nach. In einer Mitteilung heißt es: „Die Bewässerung von Sportplätzen oder anderen öffentlichen Flächen in der Mittagssonne mit einhergehenden hohen Temperaturen ist kein verantwortungsbewusstes Verhalten hinsichtlich der Nutzung des Allgemeingutes Wasser. Weiterhin sollte davon abgesehen werden, private Rasenflächen zu bewässern, Pools zu befüllen oder Autos zu waschen.“ In Bad Königshofen im unterfränkischen Kreis Rhön-Grabfeld ist man einen Schritt weiter. Dort ist seit Anfang Juni, wie in den Jahren zuvor, ein Bewässerungsverbot in Kraft. Den Rasen zu sprengen ist ebenso untersagt wie das Auto zu waschen, Pools zu befüllen oder Sportplätze zu bewässern.

    Golfclubs beregnen lassen: Ist das auch Wasserverschwendung?
    Golfclubs beregnen lassen: Ist das auch Wasserverschwendung? Foto: Marcus Merk

    Wer 300 Kilometer südlich, in Burgwalden, am Golfclub Augsburg aussteigt, riecht es sofort. Diesen frischen, erdigen Duft – so wie es eben riecht, wenn es nach langer Zeit mal wieder ordentlich geregnet hat. An solchen Tagen können sie hier selbst im Juli die Anlage mit den 343 einzelnen Regnerköpfen abstellen. Obwohl, das wollen Clubmanager Yannick Ludwicki und sein Head-Greenkeeper Dominik Starker gleich klarstellen, beregnen ist nicht gleich beregnen. „Essenzielle Spielbereiche wollen und müssen wir hier bewässern“, sagt Ludwicki. Das sind die Grüns, also der Zielraum, wo das Gras extrem kurz gemäht ist, und die Abschläge. Auf den Spielbahnen dazwischen versuche man, möglichst wenig zu bewässern. Und tatsächlich sind die Bahnen hier nicht sattgrün, sondern eher braun gefleckt. 

    Das Wasser für den Golfplatz stammt aus dem angrenzenden Karpfenteich

    Nur, wie finden das die Golfspieler, wenn der 18-Loch-Championatskurs braune Stellen aufweist? Clubmanager Ludwicki lächelt. „Wir schreiben unseren Mitgliedern, warum es so aussieht, wir erklären das“, sagt er dann. Und dass die Mitglieder ja auch in ihrem eigenen Garten beobachten konnten, welche Spuren die Trockenheit hinterlassen hat. Ludwicki führt über den Kurs, vorbei an sattem, kurzem Grün, vorbei an bräunlichen Stellen und beginnt zu rechnen: Dass von den 65 Hektar etwa 20 Hektar Spielfläche seien, davon wiederum aber nur 1,5 Hektar regelmäßig und auch nur nachts bewässert würden. „Nur die kritischen Flächen“, sagt er. Das Wasser dafür stammt aus dem angrenzenden Schlossweiher, einem Karpfenteich. Trinkwasser wird nicht verwendet. 

    Am Golfclub Augsburg ist man bemüht, sparsam mit Wasser umzugehen: Clubmanager Yannick Ludwicki (rechts) und Head-Greenkeeper Dominik Starker, der die Bodenfeuchte misst.
    Am Golfclub Augsburg ist man bemüht, sparsam mit Wasser umzugehen: Clubmanager Yannick Ludwicki (rechts) und Head-Greenkeeper Dominik Starker, der die Bodenfeuchte misst. Foto: Sonja Dürr

    In Jahren, in denen es viel regnet, benötige man um die 7500 Kubikmeter Wasser für die Beregnung des Golfplatzes. In trockenen Jahren ist es das Dreifache. 2022 hat man in Burgwalden 25.000 Kubikmeter Wasser verbraucht – wohlgemerkt, aus einem Teich. Und allein in diesem ungewöhnlich trockenen, ungewöhnlich heißen Juni 2023 waren 6000 Kubikmeter nötig. „In dieser Zeit hatten wir aber auch 33 Tage ohne nennenswerten Niederschlag in Folge“, betont Ludwicki. 

    Der Clubmanager ist bemüht, das alles sachlich vorzutragen – weil in heißen Zeiten eben auch hitzig diskutiert wird. Weil die Linke vor einigen Wochen noch gefordert hat, Golfplätze vertrocknen zu lassen, weil die „Letzte Generation“ auf Sylt den Golfplatz „Budersand“ demoliert hat, weil Mitglieder der Gruppe Extinction Rebellion auf zehn spanischen Golfplätzen die Löcher mit Zement gefüllt haben – als Protest gegen „Wasserverschwendung während einer der schlimmsten Dürren, die Europa je erlebt hat“. 

    In Burgwalden sagt Ludwicki: „Die Golfbranche tut schon sehr viel, um Wasser zu sparen. Wir sind im Vergleich zum Fußball deutlich besser aufgestellt. Aber wir haben einfach einen schlechten Ruf.“ Und dass Wassersparen ja schon früher anfange, bei der Bodenbearbeitung etwa. Wenn Greenkeeper Dominik Starker darüber spricht, dass nur zum Erhalt der Vegetation beregnet wird, über möglichst tief wurzelnde, quertreibende Gräser referiert, über die Suche nach widerstandsfähigem, hitzetolerantem Saatgut, über regelmäßig durchgeführte Bodenfeuchtemessungen, über Rasenfilz, der entfernt werden muss, damit das Wasser besser zu den Wurzeln kommt, dann klingt das nach einer Wissenschaft für sich. Der Rasen auf einem Golfplatz müsse nicht immer grün sein, meint Ludwicki – und schon gar nicht überall. „Daran wird man sich in Deutschland gewöhnen müssen.“

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