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TikTok: Mechatronikerin Tanja Kennerknecht aus Hindelang macht TikToks gegen Vorurteile

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Mechatronikerin Tanja Kennerknecht aus Hindelang macht TikToks gegen Vorurteile

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    In Filmen werden Automechanikerinnen oft sexualisiert dargestellt. Die Realität sieht anders aus, zeigt Tanja Kennerknecht, die im Autohaus Fersch eine Ausbildung macht.
    In Filmen werden Automechanikerinnen oft sexualisiert dargestellt. Die Realität sieht anders aus, zeigt Tanja Kennerknecht, die im Autohaus Fersch eine Ausbildung macht. Foto: Benjamin Liss

    Frau Kellerknecht, wie fühlt man sich, wenn man sage und schreibe 2,1 Millionen Aufrufe bei TikTok hat?

    Kennerknecht: Ich habe am Anfang überhaupt nicht damit gerechnet, deswegen hat mich die Resonanz sehr überrascht. Es ist überwältigend, wenn ich mir vorstelle, wie viele Leute dieses Video gesehen haben.

    Können Sie erklären, von was es handelt und weshalb es so erfolgreich ist?

    Kennerknecht: Es geht darum, wie die Leute sich Kfz-Mechatronikerinnen vorstellen und wie sie in Filmen dargestellt werden. Dem stelle ich die Realität gegenüber. Damit rechnen viele nicht, weil Frauen in dem Beruf sehr oft sexualisiert werden. Andere wissen, wie die Realität ist und finden es cool, dass jemand darauf aufmerksam macht.

    Wir leben im Jahr 2022. Wie viele weibliche Kolleginnen kennen Sie?

    Kennerknecht: In meiner Berufsschulklasse sind noch zwei andere Mädels. Insgesamt gehen mehr als 20 Leute in meine Klasse. Ich kenne aber noch andere Kfz-Mechatronikerinnen – gerade durch das Video hatte ich zu mehreren Kontakt. Bei der überbetrieblichen Ausbildung bei der Kfz-Innung in Augsburg sind auch immer zwei, drei andere Mädels dabei.

    Weshalb wollen Sie nicht einen „typisch weiblichen“ Beruf wie Kindergärtnerin oder Friseurin ergreifen, sondern Automechanikerin werden?

    Kennerknecht: Meine Liebe zu Autos kommt durch mein Hobby, das Kart-Slalom-Fahren. Mein Bruder fährt bei der MSG Sonthofen, seit ich dreieinhalb Jahre alt bin. So lange sind wir in diesem Verein. Ich war bei jedem Training dabei und bin auf dem Schoß mitgefahren. Doch ursprünglich wollte ich Soziale Arbeit studieren. Nach 13 Jahren Schule war mir aber nicht nach Studium. Ich wollte arbeiten, Geld verdienen und etwas in der Hand haben. Eine Ausbildung im sozialen Bereich kam für mich nicht infrage. Ich habe Praktika als Pflegefachkraft und im Kindergarten absolviert, aber das war nichts für mich. So habe ich meinen Plan B zum Beruf gemacht.

    Wie viel PS hat Ihr Auto denn?

    Kennerknecht: „Nur“ 125. Ich bin froh, wenn ich ein Auto habe, das fährt und ein bisschen Spaß macht, aber ich bin nicht in der Tuningszene. Könnte ich es mir leisten, würde ich natürlich ein dickes, schnelles Auto fahren.

    Eine Automechanikerin stellt man sich mit Vorurteilen als burschikose Frau mit Kurzhaarschnitt vor, eine Auto-Werkstatt als ölverschmierte Bude mit Pin-up-Kalendern. Was davon stimmt?

    Kennerknecht: Ich bin genau das Gegenteil des Klischees. Ich bin 1,54 Meter groß und wiege keine 50 Kilo. Unser Chef legt außerdem sehr großen Wert darauf, dass die Werkstatt immer sauber ist.

    Und diese Sache mit den Pin-up-Kalendern?

    Kennerknecht: Die haben wir auch, sie stören mich aber überhaupt nicht. In meinen Spind habe ich auch meinen eigenen Männerkalender hängen. Die Kalender kommen von Zulieferern, die sie zum Jahreswechsel als Werbegeschenk aushändigen. Würde man die kaufen müssen, wären wesentlich weniger in Umlauf.

    Also, eine erfolgreiche Influencerin habe ich mir ehrlich gesagt anders vorgestellt.

    Kennerknecht: (lacht) So würde ich mich auch nicht betiteln. Es gibt haufenweise Menschen, die eine viel größere Reichweite haben und das auch ernster nehmen. Ich poste nicht regelmäßig, sondern dann, wenn ich eine Idee habe.

    Ich will im Internet auch so groß raus kommen wie Sie. Wie mache ich das?

    Kennerknecht: Schwierig. Da ist ganz viel Glück dabei. Das hängt immer mit diesem TikTok-Algorithmus zusammen, der in dem Fall bei mir, ich sag mal, einen guten Tag hatte. Das mit der Reichweite kann ganz schnell gehen oder auch überhaupt nicht funktionieren.

    Sogar überregionale Fernsehsender haben schon über Sie berichtet. Nervt es Sie, dass eine junge, gut aussehende Frau, die in einem Allgäuer Dorf im Blaumann zur Arbeit geht, immer noch als exotisch betrachtet wird?

    Kennerknecht: Nerven tut es mich nicht, aber ich finde es schade. Gerade bei uns im Allgäu gibt es viele Mädels, die in einem handwerklichen Beruf arbeiten. Wir haben viele Familienbetriebe. Da bleibt der Betrieb in der Familie – egal, ob als Nachwuchs ein Junge kommt oder ein Mädchen.

    Zur Person: Ein 13-Sekunden-Video hat der 20-Jährigen Tanja Kennerknecht aus Vorderhindelang im sozialen Netzwerk TikTok 2,1 Millionen Klicks eingebracht. Kennerknecht, die im zweiten Lehrjahr zur Kfz-Mechatronikerin beim Autohaus Fersch in Bad Hindelang ist, nimmt darin Vorurteile über Frauen im Blaumann aufs Korn.

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