Voll ist es im großen Saal des Memminger Landgerichts auf der Seite, auf der die drei angeklagten Landwirte sitzen. Denn jeder von ihnen hat zwei Verteidiger dabei. Im vergangenen Jahr war es noch jeweils einer.
Damals, vor 17 Monaten, saßen die drei Unterallgäuer Männer schon mal dort. Doch der Prozess wurde abgebrochen. Nun, am Mittwoch, startete er erneut. Die Landwirte sollen gegen das Tierschutzgesetz verstoßen haben, so lautet nach wie vor die Anklage. Ihr Hof ist einer von dreien, die am Allgäuer Tierskandal beteiligt gewesen sein sollen, der im Sommer 2019 bundesweit Schlagzeilen machte.
Die Anklageschrift, die Staatsanwalt Markus Eberhard verliest, hat sich seit vergangenem Jahr nicht geändert. Die drei Landwirte, der Vater und dessen Söhne, sollen im Sommer 2019 insgesamt 32 Rinder ihres Hofes nicht ausreichend von einem Tierarzt haben versorgen lassen. Den Rindern seien so länger anhaltende erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt worden. In der Anklageschrift lautet das dann so, hier Kuh Nummer acht als Beispiel: „Bei der Kuh (…) wurde bei der Kontrolle am 29.07.2019 Folgendes festgestellt: Die Kuh hatte einen aufgekrümmten Rücken im Stehen. Sie war abgemagert. Sie zeigte ein Schmerzgesicht. Sie wies eine mittelgradige Lahmheit an der rechten Vordergliedmaße auf. Sie hatte eine Schwellung am linken Vorderfußwurzelgelenk, eine Schwellung am linken Sprunggelenk mit offener eitriger Wunde und eine Schwanzspitzennekrose. Die Kuh musste mithin längere Zeit - mindestens vom 29.07.2019 bis zum 09.08.2019 - erhebliche Schmerzen erleiden und längere Zeit erheblich leiden. Die Kuh verendete schließlich am 19.08.2019.“
Allgäuer Tierskandal: Was sagt die Verteidigung zu den Vorwürfen?
Dass die Vorwürfe für sämtliche Tiere nicht stimmen, entgegnet einer der Verteidiger, Dr. Wolfgang Hansen. Ungefähr die Hälfte der 32 Rinder sei behandelt worden. Dafür gebe es Belege von Tierärzten, die er dem Gericht vorlegt. Die andere Hälfte sei nicht behandlungsbedürftig gewesen. Das wäre den Tierärzten damals sonst aufgefallen. Und die seien in dem Zeitraum, um den es vor Gericht geht, täglich auf dem Hof gewesen. Auch dafür gebe es Belege.
Hansen spielt eine weitere Karte gegen die Anklageschrift: Darin heißt es, dass die drei Landwirte damals gemeinsam den Hof leiteten. Die Vorwürfe richten sich also gegen Vater und Söhne gleichermaßen. Aber: „Das ist falsch“, sagt Hansen. Bei dem Betrieb handele es sich um eine Genossenschaft. Die beiden Söhne seien darin Mitglieder. Vorstand aber sei der Vater. Nur er sei also verantwortlich. So stehe es im Genossenschaftsgesetz. Wobei Hansen klar macht, dass dies nicht gleichzusetzen sei mit einer Schuld des Vaters. Denn die Vorwürfe stimmten generell nicht. Das würden während der nächsten Verhandlungstage die Tierärzte bestätigen, die als Zeugen geladen sind.
Was hatten die Kontrolleure 2019 festgestellt?
Kontrolleure hatten im Sommer 2019 den Hof der Landwirte untersucht. Dabei waren ihnen die Tiere aufgefallen, die nun in der Anklageschrift genannt werden. Verteidiger Hansen fragt sich, wie sie damals zu ihren Ergebnissen gekommen sind. Denn sie hätten nicht die nötigen tierärztlichen Instrumente gehabt, um Krankheiten bei den Kühen feststellen zu können. Dass diese Sachverständigen also bei der Beobachtung der Tiere nicht ordentlich gearbeitet hätten, hatte Hansen ihnen bereits beim ersten Prozessanlauf vorgeworfen. Ihr Vorgehen habe den Eindruck hervorgerufen, dass sie einseitig und unprofessionell gearbeitet hätten. Deshalb hatte der Rechtsanwalt damals gegen die Kontrolleure einen Befangenheitsantrag gestellt. Das hätte eine Verzögerung des Prozesses bedeutet – und war deshalb einer der Gründe, weshalb die Verhandlung im vergangenen Jahr abgebrochen werden musste.
Ob das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt werden kann, darüber sprachen am Mittwochvormittag die Verteidiger mit den Richtern und dem Staatsanwalt unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Für den Staatsanwalt allerdings kam es noch nicht in Frage. Vielleicht nach einigen Verhandlungstagen, wie er nachmittags im Gericht sagte. Am 18. November wird die Verhandlung fortgeführt.
Welcher Prozess steht noch aus?
Ein weiterer Prozess gegen einen der drei Betriebe, die Teil des Tierskandals sein sollen, steht noch aus. Wann er beginnt, sei noch nicht klar, sagt Jürgen Brinkmann, Sprecher des Memminger Landgerichts, auf Nachfrage unserer Redaktion. In diesem Jahr aber werde er nicht mehr stattfinden. Das liegt unter anderem an dem Arbeitsaufkommen des Landgerichts. Derzeit etwa werden fünf Tötungsdelikte gleichzeitig verhandelt. Und für den am Mittwoch gestarteten Prozess gegen die drei Landwirte sind derzeit 20 Verhandlungstage angesetzt.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden