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Extremismus: Bilanz nach fünf Jahren Zentralstelle: Terrorismus im Wandel

Extremismus

Bilanz nach fünf Jahren Zentralstelle: Terrorismus im Wandel

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    Von der ZET Beschlagnahmte Gegenstände (Waffen, Munition und CDs) aus der rechtsextremen Szene.
    Von der ZET Beschlagnahmte Gegenstände (Waffen, Munition und CDs) aus der rechtsextremen Szene.

    Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) hat in den fünf Jahren seit ihrer Gründung 2000 Verfahren eingeleitet. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sprach am Mittwoch in München von einem "Erfolgsmodell". Fast die Hälfte der Verfahren - 970 - wurden im Jahr 2021 begonnen.

    Die ZET führt besonders herausgehobene Strafverfahren in den Bereichen Extremismus und Terrorismus. Sie arbeitet eng mit dem Bayerischen Landeskriminalamt zusammen und ist gleichzeitig die zentrale Schnittstelle der bayerischen Justiz zum Generalbundesanwalt und zum Landesamt für Verfassungsschutz.

    Zu ihren herausragenden Fällen gehört der Messer-Angriff von Würzburg im Juni 2021, bei dem drei Frauen getötet und zehn weitere Menschen angegriffen wurden, sowie der Angriff auf einen voll besetzten ICE zwischen München und Nürnberg im Jahr 2018.

    Nach Angaben Eisenreichs ging die Zahl der islamistischen Straftaten seit Gründung der ZET jahrelang zurück, zuletzt habe es aber wieder einen leichten Anstieg gegeben. Die Zahl antisemitisch motivierter Taten sei dagegen erheblich gestiegen - von 11 im Jahr 2020 auf 55 im Jahr 2021. 87 Verfahren wegen Rechtsextremismus wurden 2021 eingeleitet, 80 wegen Islamismus.

    Am Oberlandesgericht (OLG) München ist die Zahl der Verfahren um islamistischen Terrorismus deutlich zurückgegangen. "Das ist im Laufe der Jahre weniger geworden", sagte OLG-Präsident Hans-Joachim Heßler im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München. "Wir hatten 2018 13 Islamisten-Fälle anhängig und haben jetzt momentan noch einen."

    Insgesamt seien auch die Anklagen beim Staatsschutzsenat weniger geworden, sagte Heßler. 2017 seien etwa 15 Anklagen eingegangen, 2021 mit sechs Anklagen weniger als die Hälfte davon. "Diese Angelegenheiten haben abgenommen", sagte er. Allerdings sieht er eine andere beunruhigende Tendenz: "Terror von rechts ist inzwischen in der Überzahl."

    Die Grünen im bayerischen Landtag kritisierten "gewaltige Defizite" im Kampf gegen rechte Gewalt und rechtsextremen Terror: "Viel zu wenig gewalttätige Rechtsextremisten werden umfassend überprüft und als "Gefährder" unter besondere Beobachtung gestellt", sagte Cemal Bozoğlu, Sprecher der Landtags-Grünen für Strategien gegen Rechtsextremismus. Nach ZET-Angaben betrachten die bayerischen Behörden derzeit vier Menschen aus dem rechten Spektrum als Gefährder, von denen zwei in Haft sitzen. Zum Vergleich: Aus dem islamistischen Spektrum sind es 37.

    Die Grünen fordern einen Beauftragten der Staatsanwaltschaft für Rechtsextremismus und eine unabhängige Anlauf- und Monitoringstelle für die Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt.

    Die neue Leiterin der ZET, Gabriele Tilmann, sieht in der Terrorbekämpfung heute ein deutlich differenziertes Bild als noch bei der Gründung vor fünf Jahren, die damals noch unter dem Eindruck des islamistischen Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 stand. "Wir sehen immer mehr Täter, die sich einsam radikalisieren, teilweise als Teil eines virtuellen Netzwerkes", sagte sie. Das sei eine immense Herausforderung für die Ermittler, weil es nicht mehr ausreiche, nur die bekannten Organisationen und Strömungen im Blick zu behalten. "Der potenzielle Gefährder kann überall sein und gerade daheim vor seinem Computer sitzen."

    Auch die Motivlage sei nicht mehr so eindeutig wie vielleicht noch vor einigen Jahren. Sie sieht eine "Verquickung" zwischen extremistischer Motivation, persönlichen Beweggründen oder auch psychischen Erkrankungen.

    Als Beispiel nennt sie die Protestbewegung gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen. "Querdenker und Verschwörungstheoretiker" funktionierten "vollkommen losgelöst von irgendeiner extremistischen Strömung", sagte Tilmann. "Es geht einfach gegen den Staat." Darum sei es wichtig, "auf vorschnelle Antworten und Schubladendenken zu verzichten".

    © dpa-infocom, dpa:220316-99-540712/6 (dpa)

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