Für Patrick Friedrich war es eigentlich ein ganz normaler Arbeitstag in Memmingen. Der 30-Jährige fährt im Unternehmen seines Vaters Taxi. Doch am Donnerstag wurde Friedrich zum Alltagshelden: Er überführte einen Betrüger, der zu einer Schockanrufer-Bande gehört.
Verdächtiger schrieb im Taxi dauerhaft SMS
Friedrich sitzt in seinem Taxi, während er die Geschichte am Telefon erzählt: Es war 17.15 Uhr am Donnerstagnachmittag, als ein Mann am Bahnhof an der Taxitür klopfte und fragte, ob er frei sei. Das sei er, gab Friedrich zu verstehen. Der 30-jährige Memminger erinnert sich gut an den Abend. Der Fremde stieg auf der Beifahrerseite ein und zeigte Friedrich einen markierten Punkt auf Google Maps, also der Online-Karte der Suchmaschine. Die markierte Stelle liegt in einem nahen Vorort.
Friedrich sollte den Mann dort hinfahren. „An dem Ort ist allerdings nichts mehr, nur Wertstoffcontainer.“ Der 30-Jährige wunderte sich, folgte aber dem Wunsch seines Kunden. Doch während der Fahrt verhielt sich der Fahrgast seltsam: Der Mann habe dauerhaft zwei Handys in seinen Händen gehalten. Mit einem habe er laufend die Fahrroute kontrolliert, mit dem anderen schrieb er ständig SMS, erinnert sich Friedrich. „Wer schreibt denn heutzutage noch SMS?“, dachte sich der 30-Jährige.
Fahrgast macht Taxifahrer stutzig
Als sie am vereinbarten Ort ankamen, tippte der Fremde in seinem Handy eine Frage ein und ließ sie für Friedrich übersetzen. Ob der Taxifahrer hier zehn Minuten warten könne, stand da. Friedrich stimmte zu, der Mann stieg aus und lief in Richtung eines Wohnhauses, das er schon beim Vorbeifahren beobachtet hätte, sagt der Memminger.
Alles zusammen machte Friedrich stutzig: das nervöse Tippen auf dem Handy, das Auftreten des Mannes, einfach die ganze Situation. „Was genau es war, lässt sich schwer sagen.“ Als der Mann ausstieg, griff Friedrich zum Funkgerät und gab der Zentrale über ein Codewort zu verstehen, dass er sofort die Polizei brauche.
Auch die Familie des Opfers schritt ein
Anschließend fuhr er den Gast zurück zum Bahnhof, der dort von der Polizei in Empfang genommen und kontrolliert wurde. Die Beamten konnten Friedrichs Instinkten kurz darauf recht geben: Offenbar handelte es sich bei dem 23-jährigen Fahrgast um einen mutmaßlichen Geldabholer, teilt die Polizei später mit. In dem Wohnhaus wollte er von einem 90-jährigen Senioren, der zuvor über einen Schockanruf getäuscht worden war, Geld abholen. Zu einer Geldübergabe kam es allerdings nicht.
Nicht nur Patrick Friedrich schritt ein. Auch die Familie des Seniors war dem Betrug laut Polizei auf die Schliche gekommen. Patrick Friedrich war es wichtig, einzuschreiten. Das sollte jeder und jede tun, sagt er. Er appelliert: „Wer einen Verdacht hat, sollte sich an die Polizei wenden.“
Schockanrufe in Bayern immer häufiger
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass Taten wie diese bei weitem kein Einzelfall mehr sind. Zuletzt kam es in Bayern immer häufiger zu Schockanrufen. Verzeichnete das bayerische Landeskriminalamt im Jahr 2020 noch 3000 solcher Fälle, waren es im Jahr 2023 schon 13.500. In nur drei Jahren haben sich die Taten in Bayern damit mehr als vervierfacht.
Die Masche ist dabei immer ähnlich: Über das Telefon erzählen die Betrüger, dass sich ein Familienmitglied des Opfers in einer Notlage befindet, zum Beispiel durch einen schweren Autounfall. Dadurch sei eine Behandlung oder Operation notwendig, für die dringend Geld benötigt wird. Dieses Geld holen die Täter anschließend beim Opfer Zuhause ab. Dadurch entstehen enorme Schäden. So erbeuteten Betrüger im vergangenen Jahr allein in Bayern 26,3 Millionen Euro mit Telefonbetrug, davon ganze 13,6 Millionen Euro durch Schockanrufe und Enkeltricks.
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