Bei einer Familienfeier zum Anstoßen an einem Gläschen Sekt nippen? Oder mit den Eltern im Wirtshaus mal ein Bier probieren? Für 14- und 15-jährige Jugendliche in Deutschland kein Problem. Laut dem Jugendschutzgesetz ist es in diesem Alter absolut legal, in Begleitung der Eltern in Gaststätten, Restaurants oder Bars Alkohol zu konsumieren. Die Jugendlichen dürfen dann Bier, Wein oder Schaumwein trinken, jedoch keine Spirituosen wie Liköre oder Obstbrände. Allerdings nicht mehr lange, wenn es nach Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) geht: "Dieses sogenannte 'begleitete Trinken' muss meiner Ansicht nach abgeschafft werden", fordert er. Denn gerade für Minderjährige stelle der Alkoholkonsum ein besonders hohes Risiko dar, warnt der CSU-Politiker: "Bereits in kleinen Mengen kann Alkohol für Kinder und Jugendliche gefährliche gesundheitliche Folgen haben."
Für diese Risiken gelte es Eltern, die Jugendlichen selbst, aber auch die breite Öffentlichkeit zu sensibilisieren, erklärt der Minister gegenüber unserer Redaktion: "Es geht mir bei meinem Vorstoß um ein klares Warnsignal für die Gefahren durch Alkoholkonsum."
Gegenwind aus der Gastronomie: Besser mit den Eltern Umgang mit Alkohol lernen
Beim Gastronomieverband Dehoga-Bayern stößt der politische Vorstoß aus München dagegen auf Unverständnis: „Ich habe noch nie einen Fall gehabt, wo das begleitende Trinken ein Problem gewesen ist“, betont Jochen Deiring, der schwäbische Bezirksvorsitzende des Verbands. Er sieht es stattdessen als Chance, Jugendliche bewusst für den Umgang mit Alkohol zu sensibilisieren. Sonst würden sie beispielsweise mit Freundinnen und Freunden auf dem Volksfest, wo Alkohol häufig unbedacht konsumiert wird, zum ersten Mal trinken. "Alkohol ist ein problematisches Thema in unserer Gesellschaft", bestätigt Deiring. "Aber gerade in Begleitung von Erwachsenen tendiert die Gefahr des Alkoholmissbrauchs gegen null", so der Vorsitzende.
Allerdings werde in Restaurants häufig nicht überprüft, ob die begleitende Person auch erziehungsberechtigt ist. Deiring betont aber, dass es stets enge Bezugspersonen wie Großeltern und Geschwister sind, die mit Jugendlichen ein Restaurant besuchen. Minister Holetschek überzeugt das Argument, in Begleitung der Eltern lerne man verantwortungsbewusstes Trinken, wenig: "Man sollte Jugendliche nicht unnötig auf den Geschmack bringen", findet er. Auch ist er skeptisch, ob Teenager "deshalb auf heimlichen Alkoholkonsum verzichten".
Dr. Dominik Ewald, Vorsitzender des Bayerischen Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, sieht das ähnlich: "Wir fordern eine Erhöhung des Jugendschutzes hinsichtlich Rauchen, Alkohol und Drogen.“ Ein Verbot des begleiteten Trinkens sieht Ewald als ersten wichtigen Schritt, denn nicht alle Eltern würden die Grenzen des Alkoholkonsums ihrer Kinder auch kennen. Der Kinder- und Jugendarzt plädiert zudem dafür, Alkoholkonsum grundsätzlich erst ab 18 Jahren zu erlauben. Teilweise "sind junge Leute selbstverständlich mit einem Wegbier unterwegs“, sagt Ewald. Es bestehe jedoch die Gefahr, aus einem solchen Gewohnheitstrinken in die Sucht abzurutschen.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind im Corona-Jahr 2020 in Bayern 2037 Kinder und Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus gekommen – 1174 Jungen und 863 Mädchen. 2019 waren es 3897 Jugendliche gewesen, 2016 sogar 4392. Zwar seien diese Zahlen seit Jahren insgesamt rückläufig: "Doch jeder Jugendliche, der wegen zu viel Alkohol im Krankenhaus landet, ist ganz klar einer zu viel", findet der Gesundheitsminister.
Bayern will Verbot für begleitetes Trinken selbst anschieben
Knapp ein Fünftel der unter 13-Jährigen habe schon einmal Alkohol probiert. Bei den 16- und 17-Jährigen liege die Alkohol-Quote schon bei 88 Prozent. Jeder Fünfte in dieser Altersgruppe trinke regelmäßig Alkohol und fast ein Viertel habe in den letzten dreißig Tagen "Rauschtrinken praktiziert".
"Die Erhöhung des Einstiegsalters beim Alkoholkonsum ist deshalb aus meiner Sicht ein wichtiges Präventionsziel", sagt Holetschek. Bayerns Staatsregierung handle hier ebenso konsequent wie beim Widerstand gegen die bundesweit geplante Freigabe von Cannabis-Konsum.
Allerdings kann Bayern das "begleitete Trinken" nicht im Alleingang verbieten – dies geht nur bundesweit. Anders als bei Cannabis sei er hier allerdings mit Burkhard Blienert (SPD), dem Drogenbeauftragten der Bundesregierung, einer Meinung, so Holetschek. Er hofft deshalb auf eine Gesetzesinitiative im Bund. Und falls diese ausbleibt? "Werden wir es selbst anschieben", kündigt Bayerns Gesundheitsminister an.