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Stromnetz in Bayern überlastet: Welche Lösungen es gibt

Energiewende

Bayerns Stromnetze sind voll – und erneuerbare Energie geht verloren

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    Das Stromnetz ist in vielen bayerischen Regionen am Limit. Doch der Ausbau alleine ist nicht die Lösung.
    Das Stromnetz ist in vielen bayerischen Regionen am Limit. Doch der Ausbau alleine ist nicht die Lösung. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Symbolbild)

    Wenn es sein muss, dann versucht Axel Güthner seinen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel mit einer Klage durchzusetzen. Weil das Stromnetz im Landkreis Donau-Ries am Limit ist, sind die Pläne für seine mittelgroße Photovoltaik-Anlage auf dem Hallendach mit 300 kW nicht umsetzbar. 

    Axel Güthner ist im nordschwäbischen Oettingen der Geschäftsführer eines Eisen- und Sanitärgroßhandels. Mitten in der Stadt arbeiten die Angestellten dort bei der Hans Bohner GmbH & Co. KG in mehreren Hallen. Dem Chef war es ein Anliegen, nicht nur den benötigten Strom selbst auf dem Dach mittels Sonnenenergie zu produzieren, sondern den Überschuss ins Netz einzuspeisen. Dass sein Vorhaben ausgebremst wird, weil die Netze in der Region am Limit sind, verärgert ihn. 

    Netzengpässe in Bayern treffen Unternehmen und Personen auf dem Land

    In Oettingen ist er noch dazu nicht allein mit dem Problem. Die Stadt Oettingen selbst könnte mit zwei Vorhaben ebenfalls vom Netzengpass betroffen sein. In ganz Bayern scheitern immer wieder ähnliche Projekte an der Problematik. Vor allem auf dem Land sind viele Unternehmen, aber auch Privatpersonen betroffen. Eine Übersicht, in welchen bayerischen Regionen die Stromnetze ausgelastet sind, finden Sie hier.

    Das Problem ist Folgendes: Energiebetreiber sehen sich einer enorm gestiegenen Nachfrage nach PV-Anlagen gegenüber. So geht es auch dem Energieversorger ODR, der im Landkreis Donau-Ries neben der N-Ergie aus Nürnberg und den LEW aus Augsburg für das Stromnetz verantwortlich ist. Sebastian Maier, ODR-Vorstand, sagt: "In einem Jahr stieg die Einspeisenachfrage um 20 Prozent stärker als in den 21 Jahren zuvor, in denen es das Erneuerbare-Energie-Gesetz gibt. Es ist schlicht und einfach nicht möglich, so viel auf einmal ans bestehende Netz zu bekommen." 

    Nicht nur Netzausbau: VBEW-Chef fordert komplexen Lösungsansatz

    Um mehr Anlagen wie die von Axel Güthner aus Oettingen anzuschließen, müssten mehr Leitungen gebaut, mehr verkabelt und mehr bestehende Leitungen verstärkt werden. Doch bei dem Thema kommt auch die ODR nicht weiter. Ein Beispiel ist die Aufrüstung der Hochspannungsleitung, die von Baden-Württemberg über den Riesrand nach Bayern verläuft. Die Masten stehen bereits. In eine Richtung sind sie längst mit Leitungen bestückt. Sieben Jahre hat es nun gedauert, so Maier, bis die Leitungen für die andere Seite genehmigt wurden. Inzwischen gibt es technisch längst eine bessere Version, doch die könne er nicht verwenden, denn er müsste den Genehmigungsprozess wieder von vorn beginnen. Die ODR sieht sich gezwungen, mit veralteter Technik auszubauen. 

    Doch bloß am Netz liegt es nicht. "Um den Netzausbau kommen wir nicht herum, aber dieser alleine löst das Problem nicht", sagt Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). "Das Netz ausbauen, nur um jede PV-Spitze aufzunehmen, macht keinen Sinn. Es gibt Zeiten, etwa bei viel Sonne am Mittag oder am Wochenende, da wird zu viel Strom aus PV-Anlagen produziert. Niemand braucht diesen dann direkt." Fischer fordert deshalb einen komplexeren Lösungsansatz, bestehend aus drei Komponenten: das Netz sinnvoll ausbauen, Strom kurz- und langfristig speichern – und den Strom auch zu Spitzenzeiten direkt nutzen. 

    Mitarbeitende laden mit überschüssigem Strom ihre Elektroautos

    Ein positives Beispiel für letzteres seien etwa Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden dazu auffordern, am Wochenende überschüssigen Strom zum Laden ihrer Elektroautos zu nutzen. Auch Axel Güthner aus Oettingen denkt darüber nach. 

    Beim Konservieren von Energie gibt es noch einige Probleme. Strom über einige Stunden zu speichern, etwa mit Lithium-Ionen-Akkus, ist aktuell noch sehr teuer. Um Sonnenenergie aus dem Sommer auch im Winter zu nutzen, kann Strom beispielsweise in Wasserstoff umgewandelt werden – und später gegebenenfalls wieder zurück. Dieser Prozess ist aber ebenfalls kostenintensiv, verbraucht viel Wasser – neun Kilo Flüssigkeit sind es für ein Kilo Wasserstoff – und dabei geht eine Menge Energie verloren. Trotzdem sei auf lange Sicht das Sinnvollste, den Strom vom Sommer in den Winter zu bringen, sagt Fischer. Denn in den sonnigen, warmen Monaten werde teils zehnmal mehr Strom mit PV-Anlagen produziert, als in den dunklen Monaten rund um den Jahreswechsel.

    Energieexperte rät trotz Netzengpässe zu Photovoltaik-Anlagen

    Unternehmen sowie Privatpersonen rät der Energieexperte trotz der Problematik, den Schritt zu einer Photovoltaik-Anlage zu wagen. Schließlich sei es aus ökologischer Sicht richtig, dass immer mehr Haushalte und Firmen auf PV-Strom umsteigen. Diese sollten aber überlegen, wie sie den Strom am besten möglichst vor Ort nutzen können, gerade dann, wenn die PV-Anlage viel Strom erzeugt.

    In Oettingen plant die Stadt auf der Mittelschule und auf dem Dach eines geplanten Hotels mittelgroße PV-Anlagen. Die Stadt überlegt bereits, ob mittels Privatleitungen und eines Mieterstromkonzepts das Netzproblem umgangen werden könnte. Übriger Strom könnte dann unter den städtischen Gebäuden aufgeteilt werden. Vorausgesetzt, die Genehmigungen kommen rechtzeitig. 

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