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Streitgespräch: "Da treffen einfach Welten aufeinander"

Streitgespräch

"Da treffen einfach Welten aufeinander"

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    Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze und der Landwirt Andreas Magg beim Streitgespräch in unserer Redaktion.
    Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze und der Landwirt Andreas Magg beim Streitgespräch in unserer Redaktion. Foto: Bernhard Weizenegger

    Im Unterallgäu waren die Traktoren zuletzt wieder unterwegs zu einer Lichterfahrt. Herr Magg, was haben die Bauernproteste der vergangenen Monate denn gebracht?

    Andreas Magg: Es ging uns darum, wieder einmal auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen, vor allem aber, den Zusammenhalt unter Landwirten, Handwerkern und den anderen, die protestieren, zu stärken. Die Bauern sind in den letzten Monaten auf jeden Fall enger zusammengerückt. Ich selbst habe noch nie so viel telefoniert und noch nie so viele WhatsApps geschrieben wie zwischen dem 15. Dezember und Ende Januar. Nichts tun, zu Hause sitzen und schimpfen ist nicht meine Devise. Und tatsächlich bewegt sich für uns Landwirte etwas, wenn auch sehr langsam. 

    Frau Schulze, die Demonstrationen der Landwirte sind über die Monate teilweise aggressiver geworden. Haben Sie noch Verständnis für die Form der Proteste?

    Katharina Schulze: In einer Demokratie gehören Demonstrationen dazu. Ich finde es wichtig, dass alle, auch Landwirte, ihren Frust, ihren Ärger und auch die Themen, die sich aus ihrer Sicht ändern müssen, artikulieren. Wir bayerische Grüne haben uns im Dezember gegen den ursprünglichen Plan der Bundesregierung ausgesprochen, die Agrardiesel-Rückvergütung und die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge zu streichen – mit Erfolg. Die Demonstrationen haben also durchaus etwas gebracht. Problematisch wird es, wenn Demonstrationen nicht friedlich sind, wenn Gewalt oder Bedrohung im Spiel sind. Ich hoffe, da sind wir einer Meinung. Meinem Empfinden nach hat das Thema Agrardiesel das Fass nur zum Überlaufen gebracht. Aber auf dem Fass steht groß und breit: verfehlte Agrarpolitik der CDU und CSU der letzten 30 Jahre.

    Magg: Also, einer Meinung sind wir nicht, was die Proteste anbelangt. Ich war am Aschermittwoch in Biberach, aber auf der angemeldeten Demonstration am Gigelberg, wo Agrarminister Cem Özdemir gesprochen hat. Wir haben mitbekommen, was da unten in der Stadt los war. 

    Schulze: Aber da sind wir uns doch einig, dass das nicht geht? Man kann doch nicht auf Polizisten losgehen, nicht Fahrzeugscheiben einwerfen.

    Magg: Gegenfrage – wo kommen die Grünen denn eigentlich her? In Wackersdorf zum Beispiel haben sich die Grünen in den 1980er-Jahren doch Schlachten mit der Polizei geliefert. 

    Schulze: Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. 

    Magg: Die Grünen wollten regieren, nun regieren sie. Jetzt bläst der Wind eben aus einer anderen Richtung. Und in Biberach hat keiner der Polizisten ein blaues Auge abbekommen. Die sind verletzt durch Tränengas, das die Polizei selbst eingesetzt hat. 

    Herr Magg, wurde in Biberach nicht dennoch eine rote Linie überschritten – auch, weil die Demonstranten den Anweisungen der Polizei nicht Folge geleistet haben?

    Magg: Man kann sicher darüber diskutieren, ob da Heuballen brennen und Wege versperrt werden mussten. Was ich von Landwirten an vorderster Front aber weiß, klingt ganz anders, als es in den Medien dargestellt wurde. Es ist ein bisschen härter gewesen. Aber da war nie Gefahr für einen Politiker oder eine Person. Und in Biberach ist die Gewalt definitiv vom Staatsakt ausgegangen. 

    "Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Verletzte Polizisten sind auch Menschen – ich verstehe nicht, wie Sie da so locker sein können", sagt Katharina Schulze.
    "Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Verletzte Polizisten sind auch Menschen – ich verstehe nicht, wie Sie da so locker sein können", sagt Katharina Schulze. Foto: Bernhard Weizenegger

    Schulze: Das ist doch Quatsch. Die Blockaden gingen eindeutig von Seite der Protestierenden aus und laut Polizei wurden die Polizisten durch Angriffe verletzt. Und ja, der Vorfall in Biberach wird gerade aufgeklärt. Auch der Innenausschuss in Baden-Württemberg hat sich mit dem Thema befasst. Ich habe da eine klare Haltung: Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Verletzte Polizisten sind auch Menschen – ich verstehe nicht, wie Sie da so locker sein können. Das ist grenzüberschreitend. Ich habe lange Handball gespielt, bin Kreisläuferin, ich bin wirklich nicht zimperlich. Ich finde es auch gut, wenn wir in der Politik hart in der Sache diskutieren. Aber wenn es zu Einschüchterungen und Bedrohungen kommt, wenn Gewalt angewendet wird, wenn Autoscheiben eingeschmissen werden, dann sind für mich rote Linien überschritten. 

    Baden-Württembergs Innenminister Strobl hat betont, mit Biberach hätten die Bauern ihrer Sache einen Bärendienst erwiesen ...

    Magg: Das sehe ich nicht so. Es ist von beiden Seiten bestimmt nicht alles richtig gelaufen. Aber Biberach ist jetzt auch vorbei. 

    Es waren während der Demonstrationen immer wieder Galgen zu sehen. Haben diese Bilder Ihrem Berufszweig geschadet?

    Magg: Es wird immer schwarze Schafe geben. Wenn ein Galgen bei einer Veranstaltung auftaucht, schaue ich, dass der verschwindet. Aber ich sehe keine dramatischen Auswirkungen auf unsere Sache. Ich ärgere mich eher, dass dann genau solche Dinge in der Berichterstattung herausgestellt werden. 

    Schulze: Das ist die freie Presse und die haben wir zum Glück in unserer Demokratie. Ich mache mir Sorgen um unsere Gesellschaft. Wir hatten unlängst etwa in Hirschaid im Kreis Bamberg die Situation, dass ein Grünen-Kreisverband seine Versammlung nicht bis zum Ende durchführen konnte, weil es zu massiven Einschüchterungen durch protestierende Landwirte kam. Das darf nicht sein. Und ich würde mich genauso äußern, wenn das vor einer CSU- oder Freie Wähler Kreisversammlung gewesen wäre. Wenn sich die Ehrenamtlichen, die wir in unserer Gesellschaft so dringend brauchen, aus dem Engagement zurückzuziehen, dann verlieren wir letztlich alle. Darum appelliere ich: Kommen wir zurück zum Reden, zum Streiten, gern hart in der Sache, aber mit Anstand und Respekt und vor allem ohne Gewalt und Einschüchterungen. 

    Herr Magg, verstehen Sie, dass sich Ehrenamtliche da unwohl fühlen, wenn Proteste derart eskalieren?

    Magg: Was glauben Sie, wo ich mich überall unwohl fühle? Wenn ich mit meinem Güllefass an der Siedlung vorbeifahre, wenn ich mit der Feldspritze am Traktor durchs Dorf fahre. Wenn wieder ein Tierskandal durchs Dorf getrieben wird, fühle ich mich unwohl, sobald ich in meinen Stall gehe – weil ich Angst habe, dass irgendwo Überwachungskameras installiert wurden. Darf das so sein? Wir bekommen von so vielen Seiten Druck im Alltag. 

    Warum sind die Grünen eigentlich so ein Feindbild für die Landwirte?

    Magg: Feindbild ist vielleicht zu hart formuliert. Aber da treffen einfach Welten aufeinander. 

    Schulze: Wirklich? Das glaube ich gar nicht. Ich möchte eine Landwirtschaft in Bayern, bei der Sie als Landwirt von ihrer Arbeit leben können. Ich möchte, dass wir Klimaschutz und

    Herr Magg, Sie haben einen Hof mit 60 Hektar Fläche und 70 Milchkühen. Sie wirtschaften konventionell aus Überzeugung …

    Magg: Eine Chance liegt für mich in dieser Idee nur, wenn es um regionale Produkte geht. Ob die bio oder konventionell erzeugt wurden, da mache ich keinen Unterschied. Dass die Grünen immer wieder die biologische Landwirtschaft forcieren, fördert ein Auseinanderdividieren nach dem Motto: bio ist gut, konventionell ist schlecht. Das mache ich nicht mit. 

    "Dass die Grünen immer wieder die biologische Landwirtschaft forcieren, fördert ein Auseinanderdividieren", findet Andreas Magg.
    "Dass die Grünen immer wieder die biologische Landwirtschaft forcieren, fördert ein Auseinanderdividieren", findet Andreas Magg. Foto: Bernhard Weizenegger

    Schulze: Ich habe das Gefühl, das Wort „bio“ mögen Sie nicht. 

    Magg: Nein. Jeder soll seinen Betrieb führen, wie er will. 

    Schulze: Bio-Bauern haben auch einen sicheren Absatzmarkt verdient. Deswegen bio und regional. 

    Ihre Produkte nach dem Vorschlag von Frau Schulze regional zu vermarkten, wäre das eine Chance?

    Magg: Selbstvermarktung ist eine Nische, die für manche Landwirte passen mag. Ich selbst kann das mit meiner Arbeitskraft gar nicht stemmen. Da liegt es an meiner Molkerei, der Käserei Champignon, an die ich meine Milch liefere, diese Nische zu besetzen. 

    Schulze: Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir ist derzeit ja bestrebt, die Marktmacht der Handelskonzerne einzuschränken und versucht damit, die Position der Bauern zu stärken. Dass Landwirte ihre Milch an die Molkerei liefern, aber vorher gar nicht wissen, wie viel Geld sie dafür bekommen, ist doch ein Unding. In keiner anderen Branche wäre das denkbar. Politik muss sich darum kümmern, wie man Planbarkeit für die Landwirte ermöglicht, wie wir ihre Position stärken können. Denn sie erzeugen das Wichtigste für die Gesellschaft: Nahrung. Wir alle müssen essen, wir alle müssen trinken. Wir sind auf sie angewiesen.

    Magg: Dann müssen aber auch die Rahmenbedingungen passen. Was wir erwarten, sind Planbarkeit und Verlässlichkeit. Und es geht darum, uns auch einmal zuzuhören. Wir Landwirte haben in den letzten Jahren eine reine Verbotspolitik erlebt. Ich darf nur noch das anpflanzen, darf deutlich weniger düngen. Aber eine richtige Lösung gibt es nicht. Wissen Sie, ich will einfach in Ruhe meine Arbeit tun. So wie ich es gelernt habe. Egal, ob das dann 60, 70 der 80 Stunden in der Woche sind. 

    Schulze: Die Dinge hängen eben auch zusammen. Thema Düngen: Sie wollen den Boden bewirtschaften, aber wir müssen auch unser Trinkwasser schützen, wir wollen die Biodiversität und den Artenschutz erhalten. Denn Sie haben ja auch nichts davon, wenn es in den Böden nicht mehr kreucht und fleucht. Die Politik hat die Aufgabe, Kompromisse zu schließen und Lösungen für die vielen Herausforderungen zu finden. Und es wird ihnen zugehört: Ich habe auf zahlreichen Demos gesprochen, ich besuche Landwirte auf Höfen, ich suche bei Veranstaltungen das Gespräch mit Bauern. Cem Özdemir ist regelmäßig im Gespräch mit den verschiedenen landwirtschaftlichen Verbänden, wir als bayerische Grüne ebenso, ob mit den Kreisobmännern oder den verschiedenen Bauernverbänden wie ABL und Co. Im Landwirtschaftsausschuss hat unsere landwirtschaftliche Sprecherin Mia Goller erst vergangene Woche einen Antrag zur Digitalisierung und zum Bürokratieabbau gestellt. 

    Es geht um die FAL-BY App …

    Magg: Diese App ist reine Schikane. Ich bekomme eine EU-Prämie als Ausgleich dafür, dass ich günstig Lebensmittel produziere. Dafür muss ich online einen Antrag ausfüllen und angeben, wie ich welche Fläche bewirtschafte. Inzwischen macht zusätzlich ein Satellit alle zwei Tage ein Foto von meiner Fläche. Dann kommt über die App eine Fehlermeldung, dass da Getreide statt Mais wachse. Also muss ich rausfahren, ein Foto von der Gesamtfläche machen, ein Foto von den Pflanzen. Immer wieder geht das so. Ich frage mich: Wieso muss ich etwas beweisen, das ich vorher bestätigt habe? Und warum werde ich überwacht? 

    Schulze: Weil die Digitalisierung Bürokratie abbaut, wenn man es klug macht. Das ist leider nicht immer der Fall. Ich erwarte von der bayerischen Agrarministerin Michaela Kaniber als Auftraggeberin, dass die App richtig funktioniert. Dem Thema haben wir uns schon im Ausschuss angenommen, wir kümmern uns als Opposition. 

    Wie viel Zeit verbringen Sie denn am Schreibtisch, Herr Magg?

    Magg: Das lässt sich schwer sagen. Es gibt Schätzungen, dass Landwirte im Schnitt vier Stunden Büroarbeit machen. Aber es läuft so viel nebenbei. Ein Beispiel: Morgens kommt ein Kalb zur Welt. Sobald Kuh und Kalb versorgt sind, geht es los – Ohrenmarke einpflegen, Nummern aufschreiben, das Kalb in der Tierdatenbank mit dem Handy anmelden, trotzdem muss ich das auf Papier noch niederschreiben, dann das Ganze in das Managementprogramm des Melkroboters eingeben. Wenn ich noch den Tierarzt brauche, den Abgabebeleg ausfüllen, abheften, das nochmals notieren. Oder ein anderes Beispiel: Zwei Mal im Jahr muss ich eine Meldung machen, dass ich Milchkühe halte. Warum denn? Und melde ich das zu spät, zahle ich unter Umständen Ermahnungsgeld. 

    Schulze: Es zeigt sich sehr deutlich, dass wir diese Prozesse vereinfachen müssen. Wir haben dieses Problem in vielen Bereichen, in der Pflege, im Handwerk. Wir brauchen dort eine ehrliche Entbürokratisierung. Da ist die Bundesregierung dran - die Bayerische Staatsregierung muss nachziehen. Die Digitalisierung kann ein Schlüssel zur Lösung sein. Aber es ist natürlich absurd, dass man einen Vorgang zuerst in eine App eingibt und ihn dann auf Papier noch einmal niederschreiben muss. Da braucht es kluge Lösungen. Sie, Herr Magg, sind bestimmt nicht Landwirt geworden, um viel Zeit am Schreibtisch zu verbringen. Das Höfesterben in Bayern hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Dabei muss der Beruf des Landwirts doch attraktiv bleiben, damit auch junge Leute Lust haben, einen Hof zu führen. 

    Magg: Im Moment ist es wie vor 40 oder 50 Jahren. Da sagt man eher zu den eigenen Kindern: Lern erst einmal was G’scheites, Bauer kannst du immer noch werden. 

    Könnten Sie Ihrem 14-jährigen Sohn derzeit guten Gewissens raten, in die Landwirtschaft zu gehen?

    Magg: Nein. Ich könnte das im Moment nicht verantworten. Vielleicht ist die Gesamtsituation in zehn Jahren wieder eine andere. Obwohl ich mir natürlich wünsche, dass unser Hof in die nächste Generation geht. 

    Schulze: Mein Wunsch ist, dass auch in Zukunft die bäuerliche Landwirtschaft floriert. Dazu gehören gute Rahmenbedingungen, aber es ist auch wichtig, dass wir jungen Menschen die Schönheit dieses Berufs näherbringen. Ich war vor zwei Tagen in Puchheim bei einem Bauern, der regelmäßig Schulklassen auf dem Hof hat. Er hat berichtet, wie die Entfremdung von Jahr zu Jahr größer wird. 

    Weil die Kühe für Stadtkinder, wie man überspitzt gern sagt, lila sind?

    Magg: Diese Entfremdung ist ja bei uns auf dem Dorf schon da. 

    Schulze: Schule ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Ansatzpunkt, um Vorurteile oder Bilder, die man im Kopf hat, aufzubrechen. Wir haben gerade in Bayern eine große Diskussion über den Lehrplan an den Grundschulen, weil die Fächer Kunst, Musik, Werken gekürzt werden. Dabei wäre es an der Zeit, den Lehrplan grundlegend zu überarbeiten. Themen wie nachhaltige Entwicklung, die Wertigkeit von Landwirtschaft und Lebensmitteln müssten mehr Eingang in den Unterricht finden. Man müsste Schule viel mehr als Lebensort begreifen, wo alltagspraktische Dinge gelehrt und gelernt werden. 

    Magg: Das Interessanteste ist, wenn die Kindergartenkinder zu uns auf den Hof kommen. Das sind so kleine Stöpsel, die wollen Kälbchen streicheln. Meistens sind dann auch die Eltern dabei. Das ist die Gelegenheit, dass ich auch die erreichen kann. 

    Welche Art von Stall sollen die Kinder denn im besten Fall sehen – einen, in dem die Kühe frei herum laufen oder darf es auch ein Stall sein, in dem die Kühe angebunden sind? Nach dem Entwurf von Agrarminister Özdemir soll die Anbindehaltung in deutschen Ställen ja in fünf Jahren wegfallen. In Bayern fürchtet man deswegen einen Strukturbruch …

    Magg: Ich glaube, dass jedem Anbindehalter klar ist, dass diese Haltungsform keine Zukunft hat. 

    Schulze: Da sind wir uns ja schon mal einig. 

    Aber muss man den Landwirten in der derzeitigen Situation ein weiteres Verbot auferlegen? Oder wird sich diese Haltungsform nicht irgendwann von allein erledigen, weil immer mehr dieser Betriebe aufhören?

    Schulze: Wir bayerische Grüne setzen uns dafür ein, dass die Kombinationshaltung aus Weide und Stall erhalten bleibt, weil wir hier eine andere Lage haben als etwa in Niedersachsen. Das heißt, dass die Tiere während der Weidesaison auf der Weide sind und außerhalb der Weidesaison zwei Mal die Woche Auslauf haben. Im Gesetzentwurf gibt es nun, dank harter Verhandlungen von Cem Özdemir, diese Ausnahmen für Rinder. Ursprünglich sollte die Anbindehaltung ja komplett verboten werden. Und ja, die Kritik, dass fünf Jahre für den Umstieg zu knapp sind, ist bei mir angekommen. 

    Magg: Dann ist nach fünf Jahren Schluss bei einem Großteil der Betriebe. 

    Muss diese Frist also länger laufen als fünf Jahre?

    Schulze: Wir müssen da pragmatische Lösungen erarbeiten. 

    Magg: Warum braucht es da eine Frist? Wenn es ein Anbindehalter schafft, dass seine Tiere zwei Drittel des Jahres Auslauf haben, wieso reicht das dann nicht? Ich halte Fristen für nicht förderlich. Für viele Milchbauern ist es dann einfach vorbei. Schon, weil die Kosten für einen neuen Laufstall für viele zu hoch sind. 

    Schulze: Aber es gilt eben auch, das Tierwohl zu beachten. Deswegen setzen wir uns in Berlin für die Kombinationshaltung ein. Und wir müssen die Bauern bei Umbaumaßnahmen finanziell von staatlicher Seite unterstützen. Die Bundesregierung hat erst kürzlich eine Milliarde Euro bereitgestellt, um mehr Tierwohl in deutschen Schweinemastbetrieben zu ermöglichen. Das mag aus Ihrer Sicht noch nicht genug sein, aber in Zeiten knapper Kassen ist das schon eine Nummer. Wichtig ist, dass auf allen politischen Ebenen die Weichen richtiggestellt werden. Deswegen sind auch die Europawahlen so wichtig. 

    Magg: Wenn man die Weichen richtigstellen will, dann muss die Subventionspolitik für uns Landwirte ein Ende haben. Das sieht nicht nur unser Verein „Landwirtschaft verbindet Bayern“ so. 

    Die Landwirtschaft hängt am Tropf des Staates. Die Fördergelder machen für einen Haupterwerbsbetrieb zwischen 41 und 62 Prozent des Einkommens aus, in Bayern ist es noch mehr ...

    Magg: Ich habe es selbst 2022 ganz deutlich gesehen, als der Milchpreis hoch war und zwischenzeitlich sogar bei 60 Cent je Kilo Milch lag. Im Vergleich dazu waren die Direktzahlungen, die wir Landwirte aus Brüssel bekommen, für meinen Betrieb ein Almosen. In dieser Situation bin ich auf das Geld nicht angewiesen. 2023 aber, mit einem Milchpreis von nur 44 Cent, sah das schon wieder ganz anders aus. Es gibt einen Milch Marker Index, der alle aktuellen Kosten, Aufwände und das Weltmarktgeschehen mit einbezieht und am Schluss einen kostendeckenden Milchpreis errechnet. Ganz ehrlich: Wenn ich beständig einen solchen Preis hätte, würde ich keinen Antrag mehr auf EU-Beihilfen stellen. Es wäre mir lieber, ich könnte ohne Subventionen auskommen. 

    Warum würden Sie auf die Subventionen verzichten?

    Magg: Weil mich das nur beengt, weil das für mich nur Dokumentationspflichten und Auflagen bedeutet. Mein ureigenstes Interesse ist doch: Egal was ich produziere, ob Milch, Getreide oder Holz – ich möchte von dem leben, was ich produziere. 

    Schulze: So ganz verstehe ich das nicht, Sie demonstrieren ja für die Agrardieselsubventionen, aber gut … Sie bekommen die Unterstützung von staatlicher Seite ja auch, weil Sie noch zusätzliche Aufgaben für unsere Gesellschaft mit übernehmen - zum Beispiel, weil Sie Landschaftspflege betreiben. Dafür sind wir auch dankbar. 

    Magg: Für bestimmte Maßnahmen in Bezug auf Umwelt-, Natur- oder Trinkwasserschutz sind diese Zahlungen völlig richtig, da muss es auch einen Ausgleich geben. Grundsätzlich müssten wir aber weg vom System der Direktzahlungen: In den letzten Jahrzehnten sind die Subventionen immer mehr geworden. Um die 40 Prozent meines Einkommens kommen inzwischen vom Staat. Ich könnte fast sagen: Ich bin beim Staat angestellt. Und das will ich nicht.

    Zu den Personen:

    Katharina Schulze, 38, ist seit 2017 Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, bis 2023 zusammen mit Ludwig Hartmann. Seit 2013 vertritt sie den Stimmkreis München-Milbertshofen im Parlament. Katharina Schulze hat einen zwei Jahre alten Sohn und ist seit 2022 mit dem Grünen-Politiker Danyal Bayaz verheiratet. Schulze lebt und arbeitet in München, aufgewachsen ist sie in Herrsching am Ammersee. 

    Andreas Magg, 42, führt einen Milchviehbetrieb mit 75 Kühen und Jungviehaufzucht in Sontheim im Unterallgäu. Zudem bewirtschaftet er 24 Hektar Grünland und baut auf 36 Hektar unter anderem Mais, Getreide und Kleegras an. Den Betrieb hat er vor 17 Jahren von seinen Eltern übernommen. Magg, verheiratet, 4 Kinder, sitzt im Beirat von ’Landwirtschaft verbindet Bayern’ (LSV) in Schwaben, der die Bauernproteste organisiert hat.

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