Seit diesem Monat können Asylbewerber in ganz Bayern nur noch mit Karte zahlen. Die sogenannte Bezahlkarte, die inzwischen in allen Landkreisen und kreisfreien Städten im Freistaat eingeführt wurde, ersetzt die bisherigen Bargeldauszahlungen. Damit geht einher, dass jeder Asylbewerber nur noch 50 Euro im Monat in bar am Geldautomat abheben kann. Schon seit Einführung des Systems – den Anfang machten Mitte März der Landkreis Günzburg und drei weitere Pilotkommunen – gab es Kritik an dieser Bargeldobergrenze. Flüchtlingshelfer sehen darin eine nicht vertretbare Gängelung der Geflüchteten. Sie bemängeln, dass die 50 Euro viel zu wenig seien im Alltag – für den Broteinkauf beim Bäcker, Einkäufe in Billigläden, Einzelfahrkarten für Busse oder Kopiergeld für die Schule.
Nun hat eine Münchner Initiative einen Weg gefunden, das Bargeldlimit der Bezahlkarte zu umgehen. Das Bündnis „Offen bleiben für eine solidarische Gesellschaft“ bietet eine Art Tauschhandel an. Mit Plakaten in mehreren Sprachen ruft das Bündnis Geflüchtete dazu auf, Gutscheinkarten in Supermärkten, Discountern oder Drogeriemärkten zu kaufen, die es dort zu einem Betrag von 50 Euro gibt. An vier „Wechselstuben“ in München könnten diese Gutscheine dann zu unterschiedlichen Tagen gegen Bargeld getauscht werden.
Innenstaatssekretär Sandro Kirchner sieht den Zweck der Bezahlkarte erfüllt
Im bayerischen Innenministerium war der Ärger über die Aktion der „linken Aktivisten“ zunächst groß. Nun gibt sich Innenstaatssekretär Sandro Kirchner betont gelassen. „Das bayerische Bezahlkartensystem funktioniert und erfüllt seinen Zweck der Reduzierung des zur Verfügung stehenden Bargelds gut. Daran können auch solche Tricks nichts ändern“, erklärt der CSU-Politiker, der die Einführung der Bezahlkarten in Bayern verantwortete. „Die Bevölkerung hat verstanden, dass wir Schlepperkriminalität bekämpfen und illegale Migration begrenzen müssen. Es werden daher nur wenige Menschen dauerhaft bereit sein, solche Gutscheine abzukaufen, die außerdem immer die Gefahr bergen, schon eingelöst zu sein.“
Mitinitiator Matthias Weinzierl ist zufrieden mit der Resonanz der Aktion, die seit zwei Wochen läuft. „Im Moment ist die Zahl der Unterstützer, die einen Gutschein abkaufen wollen, größer als die der Geflüchteten, die das Angebot in Anspruch nehmen wollen“, erklärt er. Weinzierl geht es vor allem darum, mit einer solidarischen Aktion der „rechtspopulistischen Symbolpolitik“ der Staatsregierung entgegenzutreten. „Es ist fast schon zynisch, Menschen zu unterstellen, dass sie sich wegen solcher Beträge auf die Flucht begeben“, sagt Weinzierl.
Bei den Grünen kann man die Beweggründe von „Offen bleiben“ nachvollziehen. Gülseren Demirel, integrationspolitische Sprecherin im Landtag, sagt, die Staatsregierung habe sich mit der „realitätsfernen 50-Euro-Deckelung“ einen Bärendienst erwiesen. „Denn die Menschen brauchen mehr Bargeld im Monat, da die Bezahlkarte nicht überall einsetzbar ist. Es ist nur verständlich, dass die Zivilgesellschaft und Flüchtlingsorganisationen nun kreativ werden und mit ihren Mitteln Lösungen suchen.“
Söder hält eine Abkehr von der Bezahlkarte für einen schweren Fehler
Abgeschaut hat sich das Münchner Bündnis den Tauschhandel aus Hamburg, wo eine Initiative schon seit Monaten Gutscheine gegen Bargeld auszahlt. Im Stadtstaat war die Bezahlkarte bereits im Februar eingeführt worden – noch bevor Bayern damit an den Start gegangen war. Und in Hamburg hat das Sozialgericht nun auch die Bargeldobergrenze von 50 Euro zumindest für Flüchtlinge mit Kindern und Schwangere gekippt. Pro Asyl und die Gesellschaft für Freiheitsrechte hatten gemeinsam mit einer betroffenen Familie geklagt. In einer Eilentscheidung stellte das Gericht klar, dass die für die Karte zuständige Sozialbehörde die persönlichen Lebensumstände der Antragstellenden berücksichtigen müsse, starre Obergrenzen würden das nicht ermöglichen.
Für Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder hat die Hamburger Entscheidung allerdings keine juristische Signalwirkung. „Wir haben keine Anzeichen, dass das ein rechtliches Problem sein sollte. Ganz im Gegenteil“, betonte der CSU-Chef im Sender Welt TV. „Denn wenn man Essen bekommt, wenn man Wohnung bekommt, wenn man Kleidung bekommt, wenn man hygienische Artikel bekommt, dann ist es wichtig, dass man nicht zusätzlich alles in großen Geldsummen hat, die man dann vielleicht sogar woanders hin überweisen kann.“ Söder sieht auch keinen Grund für eine Abkehr vom Bezahlkarten-Modell. „Das wäre ein schwerer Fehler.“ Vielmehr wirbt der Ministerpräsident dafür, in einem nächsten Schritt das Bürgergeld für ukrainische Flüchtlinge zu streichen.
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