Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Streiks: Reihenweise Streiks: Ist 2023 das Jahr der Arbeitskämpfe?

Streiks

Reihenweise Streiks: Ist 2023 das Jahr der Arbeitskämpfe?

    • |
    Ein Streik von vielen: Auch an der Uni Augsburg legten Beschäftigte die Arbeit nieder.
    Ein Streik von vielen: Auch an der Uni Augsburg legten Beschäftigte die Arbeit nieder. Foto: Silvio Wyszengrad

    Mitte der vergangenen Woche sperrten Bayerns Apotheker den Laden zu. Tags darauf ließ das Personal an den Uni-Kliniken die Arbeit liegen. Ob die Lokführer der GDL wieder die Streik-Bremse ziehen? Ungewiss scheint derzeit nur das Wann. Außerdem prekär: die Lage im Groß- und Einzelhandel. „Da braut sich was zusammen“, raunt die Gewerkschaft Verdi mit Blick auf die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst der Länder, während den Präsidenten des Verbands der bayerischen Wirtschaft (vbw), Wolfgang Hatz, schon der erste Warnstreik der Lokführer so richtig in Rage brachte. Völlig unverhältnismäßig sei dieser angesichts von gerade erst begonnenen Verhandlungen, schimpfte Hatz unlängst in München.

    Nach den Zahlen der Agentur für Arbeit legten in Bayern im Jahr 2022 Beschäftigte in 243 Betrieben die Arbeit vorübergehend nieder und ließen rund 50.000 Arbeitstage ausfallen. Bundesweit gab es je 1000 Beschäftigte 6,5 Streiktage, am längsten wurde im verarbeitenden Gewerbe sowie der Finanz- und Versicherungsindustrie die Arbeit niedergelegt. In anderen Jahren waren die Beschäftigten weitaus streikfreudiger, wie eine bis 1995 zurückreichende Zahlenreihe des Statistischen Bundesamts zeigt. Danach war 2015 mit 28,2 entfallenen Arbeitstagen auf 1000 Arbeitnehmer das Rekordjahr.

    War 2023 ein Super-Streik-Jahr?

    Wie aber wird 2023? Professor Thorsten Schulten vom gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) macht einen Trend aus. „Der Eindruck besteht schon, dass im Jahr 2023 die Beteiligung der Beschäftigten an den verschiedenen Warnstreiks besonders hoch war. Dies macht deutlich, dass es in diesem Jahr für viele Beschäftigte diesmal wirklich ans Eingemachte ging. Angesichts historisch hoher Inflationsraten sollten die Realeinkommen gesichert werden.“

    Häufig, so sagt Forscher Schulten, bekommt die Öffentlichkeit von einem Streik gar nicht viel mit, weil der lokal sehr begrenzt sei. „Da geht es oft darum, dass das Unternehmen überhaupt einen Tarifvertrag akzeptiert. Solche lokalen Streiks haben in den vergangenen Jahren eher zugenommen.“ Anders ist es, wenn die Angehörigen des Öffentlichen Dienstes anstatt zur Arbeit auf die Straße gehen und Kindergärten, Müllabfuhr oder eben Krankenhäuser nur noch Notdienste bieten. „Die gefühlte Streikrate ist hier immer besonders hoch, weil ja viele Menschen davon betroffen sind. Wenn in der Industrie teilweise deutlich mehr Beschäftigte streiken, wird dies oft öffentlich viel weniger wahrgenommen“, sagt Schulten und hat für die von den Folgen der Ausstände Betroffenen gleich zwei gute Nachrichten parat. 

    Das sagt ein Forscher über Streiks in Deutschland

    Erstens werde im Öffentlichen Dienst nicht mehr gestreikt als früher und zweitens gab es in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten so gut wie keine regulären unbefristeten Streiks mehr. Schulten: „Selbst wenn – wie in diesem Jahr bei der Post – mal eine Urabstimmung eingeleitet wird, ist der reguläre Streik am Ende doch noch durch einen Tarifkompromiss abgewendet worden.“ Das dürfte die Bahnkunden auf ein gutes Ende hoffen lassen. Sie sind in diesem Jahr schon zum zweiten Mal unter die Räder eines Tarifkonflikts geraten. Zuerst zeigte die Eisenbahnergewerkschaft EVG der Bahn die Zähne, jetzt will die Lokführergewerkschaft GDL beweisen, wie hart sie sein kann. Aktuell läuft die Urabstimmung für einen unbefristeten Ausstand, der den Bahnverkehr wohl bundesweit ins Chaos stürzen würde.

    Die Streik-Weltmeister wohnen in Belgien

    Andere Länder haben es auch nicht besser. Streikforscher Schulte und seine Kollegen haben ermittelt, wo die streikfreudigsten Beschäftigten zu Hause sind. Als Weltmeister können sich die Belgier fühlen – vor Frankreich und Kanada. In Belgien sind im langjährigen Schnitt 96 Streiktage pro 1000 Beschäftigte zu verzeichnen, in Deutschland dagegen 18 - das entspricht einem Platz im hinteren Mittelfeld. Wobei gilt: Die meisten deutschen und damit auch bayerischen Beschäftigten gehen brav zur Arbeit und haben noch nie gestreikt. Nur an die 17 Prozent haben nach den Daten des WSI tatsächlich einmal selbst die Arbeit niedergelegt. Meist stehe die Angst um den eigenen Arbeitsplatz einem Streik entgegen, sagt Schulten und prophezeit, dass angesichts des Fachkräftemangels der Mut zum Ausstand wachsen wird „Derzeit ist diese Angst natürlich bei vielen Beschäftigten deutlich weniger ausgeprägt.“

    Eingereiht unter die Arbeitskämpfer haben sich auch die Beschäftigten der bayerischen Polizei. Diese Woche proben sie erneut den Ausstand. In Nürnberg ist für den Mittwoch eine Demonstration angesetzt. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden