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Straßenausbaubeiträge: Der Ärger um die Straßenausbaubeiträge in Bayern geht weiter

Straßenausbaubeiträge

Der Ärger um die Straßenausbaubeiträge in Bayern geht weiter

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    Früher wurden Grundstückseigentümer zur Kasse gebeten, wenn marode Straßen ausgebaut wurden. Dann wurden diese Straßenausbaubeiträge abgeschafft. Doch nun geht es um Härtefälle – und der Ärger geht immer weiter.
    Früher wurden Grundstückseigentümer zur Kasse gebeten, wenn marode Straßen ausgebaut wurden. Dann wurden diese Straßenausbaubeiträge abgeschafft. Doch nun geht es um Härtefälle – und der Ärger geht immer weiter. Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Die unendliche Geschichte um die lange Jahre umstrittenen Straßenausbaubeiträge hätte eigentlich längst ein Ende haben sollen. Die größte Aufregung schien vorüber, als die Freien Wähler in den Koalitionsverhandlungen mit der CSU im Jahr 2018 die endgültige Abschaffung der vielerorts verhassten Beiträge durchgesetzt und einen 50 Millionen Euro starken Härtefallfonds für all jene Hausbesitzer ausgehandelt hatten, die seit Anfang des Jahres 2014 schon Beiträge entrichtet hatten. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und seine Mitstreiter durften sich als Sieger fühlen. Jetzt aber holt sie die alte Geschichte wieder ein. Der Härtefallfonds wird zum politischen Härtetest.

    Rund acht Jahre ist es her, da machte im Landtag eine Erzählung die Runde, die weitreichende politische Konsequenzen hatte. Es war die Erzählung von der alleinstehenden alten Frau mit kleiner Rente und kleinem Häuschen irgendwo auf dem Land, die plötzlich zehn-, zwanzig- oder dreißigtausend Euro für die Sanierung ihrer Straße berappen sollte, während millionenschwere Eigentümer von Mietshäusern in München in vergleichbaren Fällen keinen Pfennig zahlen müssten. Dass das ungerecht ist, leuchtete jedem ein. Und auch wenn der Teil der Erzählung, der die Rentnerin betrifft, offensichtlich maßlos übertrieben war – ihre Wirkung verfehlte sie nicht. Die Straßenausbaubeiträge wurden abgeschafft.

    Mittlerweile macht eine andere Erzählung im Landtag die Runde. Es ist die Erzählung vom Besitzer einer Villa mit großem Garten und 100.000 Euro Jahreseinkommen, der sich als Härtefall sieht, weil er zwischen 2014 und 2018 noch Straßenausbaubeiträge bezahlt hat. Wie im Fall der armen Rentnerin sind auch die, welche die Geschichte vom reichen Villenbesitzer erzählen, den Nachweis, dass es solche Fälle gibt, bisher schuldig geblieben.

    Straßenausbaubeiträge stehen zwischen CSU und Freien Wählern

    Doch darauf kommt es nicht an. Im Kern geht es um eine Retourkutsche unter Koalitionspartnern: Erst haben die Freien Wähler die CSU mit der Forderung nach Abschaffung der "Strabs" vor sich hergetrieben. Jetzt dürfen sich die Freien Hohn und Spott aus der CSU über den Härtefallfonds anhören nach dem Motto: Was ihr als Oppositionspartei gefordert habt, dürft ihr als Regierungspartei jetzt ausbaden.

    Tatsache nämlich ist, dass sich die Bearbeitung der rund 14.500 Härtefall-Anträge, die bis Ende vergangenen Jahres gestellt wurden, bis weit ins nächste Jahr hinziehen wird. In der Fraktion der Freien Wähler stapeln sich Anfragen von Bürgern, die wissen wollen, was da los ist und wann sie endlich ihr Geld zurückbekommen.

    Das wollten die Freien Wähler jetzt von dem Mann wissen, der freiwillig und ehrenamtlich die Leitung der unabhängigen Härtefallkommission übernommen hat, die für die Verteilung der 50 Millionen sorgen soll: Heinz Fischer-Heidelberger, der frühere Präsident des Bayerischen Obersten Rechnungshofs. Er berichtete in beiden Regierungsfraktionen über den Stand der Dinge.

    Bürger müssen auf Geld für Straßenausbaubeiträge warten

    Hier die Kurzfassung: Nur ein Drittel der Anträge, so sagt Fischer-Heidelberger auf Nachfrage unserer Zeitung, sind online eingegangen, zwei Drittel kamen auf Papier, nicht wenige davon formlos. Das hatte zur Folge, dass es bis April dieses Jahres dauerte, ehe alle Antragssteller überhaupt in einer elektronischen Akte erfasst werden konnten. Dann erst konnte Phase zwei beginnen: Die Anträge müssen auf Vollständigkeit geprüft werden. Das bedeutet: Briefe schreiben, telefonieren, nachfragen, Unterlagen anfordern, Fristen setzen, Nachfragen beantworten. Das werde, obwohl die Kommission mittlerweile 21 Mitarbeiter beschäftigt, bis Ende dieses Jahres, vielleicht sogar bis Ende Januar 2021 dauern. "Dann kann erst mit der inhaltlichen Prüfung der Anträge begonnen werden", sagt Fischer-Heidelberger.

    Viel Hoffnung, dass am Ende alle über ihre Bescheide glücklich sein werden, kann der Chef der Härtefallkommission den Freien Wählern nicht machen. Die zur Verfügung stehende Summe wird vermutlich nicht ausreichen, alle Erwartungen der Antragssteller zu befriedigen. Fischer-Heidelberger drückt es vorsichtig aus: "Der Grad der Zufriedenheit bei der Rückzahlung von Geld wird mäßig sein."

    Strabs-Härtefälle: Koalition legt vier Kriterien fest

    Für die Verteilung der 50 Millionen haben CSU und Freie Wähler vier Kriterien festgelegt. Welcher Antragssteller wie viel zurückerstattet bekommt, richtet sich nach der Höhe seines Straßenausbaubeitrags, nach der Höhe seines Einkommens, nach der zeitlichen Nähe zum Stichtag der Abschaffung der "Strabs" und nach "systemischen Härten".

    Die ersten drei Kriterien lassen sich wahrscheinlich in eine nachvollziehbare Formel fassen. Was genau "systemische Härten" sind, ist aber noch unklar. Im Gesetz steht dazu nichts drin. Und dass derart unbestimmte Rechtsbegriffe erst im Nachhinein von den Gerichten präzisiert werden, ist eine Erfahrungstatsache.

    Es ist also gut möglich, dass die unendliche Geschichte um die Straßenausbaubeiträge auch dann noch nicht zu Ende ist, wenn die Härtefallkommission ihre Arbeit beendet und irgendwann im kommenden Jahr alle Rückerstattungsbescheide verschickt hat.

    Das letzte Kapitel schreiben wahrscheinlich erst die Verwaltungsgerichte. Es sieht alles danach aus, dass die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge für die Freien Wähler kein zweites Mal ein Wahlkampfschlager mehr sein wird.

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