Sie gilt als Rokoko-Juwel und zählt zum Unesco-Welterbe. Die Wieskirche in Steingaden steht seit 40 Jahren unter besonderem Schutz. Doch wie weit darf dieser flächenmäßig reichen? Das ist die zentrale Frage in einer seit Jahren schwelenden Diskussion um eine geplante Windkraftanlage im Nachbarort Peiting (Kreis Weilheim-Schongau). Die Unesco lehnt diese Pläne bislang ab. Jetzt hoffen die Befürworter der Anlage auf eine Wende durch ein Gutachten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen um das Vorhaben, das bayernweit für Schlagzeilen sorgt.
Wo sollen Windräder entstehen?
Auf den „Köpfinger Wiesen“ auf dem Gebiet der Gemeinde Peiting. Luftlinie etwa elf Kilometer von der Wieskirche entfernt. Die Rede ist von zwei Masten mit einer Gesamthöhe von jeweils 240 Metern. Kosten: etwa 20 Millionen Euro.
Wer will bauen?
Das Projekt wird von der Bürgerwind Pfaffenwinkel Planungs- GmbH vorangetrieben. Zu ihr haben sich 62 Grundstückseigentümer zusammengeschlossen. Seit über zehn Jahren verfolgen sie den Plan. „Die Windverhältnisse auf den ,Köpfinger Wiesen’ sind ideal“, sagt Sprecher Franz Schwaiger, Landwirt aus Peiting. Unterstützt wird das Vorhaben von der Gemeinde Peiting: Sie hat das Gebiet schon vor Jahren im Flächennutzungsplan als Standort für eine Windenergie-Nutzung ausgewiesen. „Wir stehen voll dahinter“, sagt Bürgermeister Peter Ostenrieder (CSU).
Würde man die Anlage von der Wieskirche aus sehen?
Nein, sagt Schwaiger. Das habe vor Jahren ein ungewöhnlicher Test ergeben – mit einem Hubschrauber. Ergebnis: Erst ab 340 Metern Höhe über den „Köpfinger Wiesen“ sei die Anlage von der Wieskirche aus zu sehen gewesen.
Was sagen die Bürger?
Bislang haben sich keine Gegner des Projekts zusammengeschlossen. „Die Flächen liegen weit draußen“, sagt Schwaiger. „Die wenigen Nachbarn befürworten den Bau, weil sie wirtschaftlich profitieren würden.“ Auch die Gemeinde Steingaden, in der die Wieskirche steht, hat „grundsätzlich keine Einwände“, sagt Zweiter Bürgermeister Leo Eicher. Das würde sich aber ändern, wenn durch die Pläne der Status der Wieskirche als Welterbestätte in Gefahr wäre. „Dann wären wir auf jeden Fall dagegen.“
Weshalb ist die Unesco gegen den Bau der Windräder?
Ihr geht es nicht nur um die Wieskirche an sich. Unesco-Beraterorganisation Icomos betont in einem Schreiben von 2015 die besondere Beziehung der Kirche und der offenen Kulturlandschaft. Sie sieht darin eine auf „visueller Harmonie sowie historischen und spirituellen Verbindungen beruhende Beziehung“. Deshalb sei die Pufferzone weiter zu fassen und umfasse die „weitere Umgebung der Kulturlandschaft des Pfaffenwinkels“. Aufgrund dieser Stellungnahme zogen die Initiatoren ihren Bauantrag damals zurück.
Warum ist die Diskussion nun wieder im Gang? Was halten die Windrad-Befürworter dagegen?
Für Peitings Bürgermeister Ostenrieder passt die Unesco-Argumentation nicht mehr in die heutige Zeit, in der der Ausbau der regenerativen Energien politisch und gesellschaftlich ganz weit oben stehe. „Die Kulturlandschaft des Pfaffenwinkels umfasst eine Fläche von etwa 1600 Quadratkilometern. Es kann – salopp gesagt – doch nicht sein, dass hier quasi ein ganzer Landkreis unter Denkmalschutz gestellt wird.“ Zusammen mit dem Landratsamt – und zum Großteil finanziert über den Freistaat Bayern – wurde nun ein „Kommunales Denkmalkonzept“ ins Leben gerufen. Unter anderem beteiligt sind daran das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege sowie politische Vertreter und Interessierte.
Was soll das bringen?
„Wir wollen eine Gebrauchsanleitung für den Umgang mit der Wieskirche und ihrer Landschaft erarbeiten“, sagt Ostenrieder. Dazu sollen die Wies und ihr Umfeld in einem Radius von 16 Kilometern dokumentiert und bewertet werden. So würden die Pilgerströme untersucht und die Frage, inwieweit sich diese Gläubigen in ihrer spirituellen Beziehung durch Windräder gestört fühlen könnten. Die Ergebnisse sollen kommenden Sommer vorgestellt und später der Unesco als Empfehlung vorgelegt werden. „Wir wollen Klarheit“, sagt Ostenrieder. Er betont aber auch, dass man den Welterbestatus auf keinen Fall gefährden wolle.
Verfolgt wird die Diskussion auch in Schwangau (Kreis Ostallgäu). Dort stimmten die Bürger vor Kurzem für eine Welterbe-Bewerbung von Schloss Neuschwanstein. „Große Windkraftanlagen waren und sind in Schwangau jedoch kein Thema“, sagte Bürgermeister Stefan Rinke (CSU) unserer Redaktion. (mit fut und raf)
Wie geht man am Fuß von Neuschwanstein mit dem Thema um?
Die Diskussion wird in Schwangau (Kreis Ostallgäu) aufmerksam verfolgt. Dort stimmten die Bürger vor Kurzem mehrheitlich für eine Welterbe-Bewerbung Königsschlösser durch den Freistaat. Fachleute sind sicher, dass die geltenden Schutzvorschriften für das Schloss durch den Welterbestatus nicht verschärft würden – schon jetzt gibt es dort strenge Vorgaben bezüglich Denkmal- oder Landschaftsschutz, die aus Sicht der Unesco völlig ausreichend seien, betont auch Professor Christoph Brumann von der Universität Halle-Wittenberg.
Und: Ohne Weiteres werde ein bestehender Welterbestatus nicht einfach gestrichen. Beispiel sei das Dresdner Elbtal, das seinen Status vor zehn Jahren nicht ausschließlich wegen eines Brückenprojektes verloren habe. Die Unesco habe das Prädikat letztendlich aberkannt, weil die verantwortlichen Stellen jahrelang nicht ausreichend auf die Nachfragen der Unesco reagiert hätten. (mit fut und raf)