In Bayern gibt es immer mehr Menschen mit hohen Einkommen, aber auch immer mehr durch Armut gefährdete. Betrug die Zahl der Einkommensmillionäre im Jahr 2001 fast 2700, stieg sie bis 2012 auf rund 3600 Euro. 2019 waren es dann bereits fast 6400 Personen, die ein jährliches steuerpflichtiges Einkommen von mindestens einer Million Euro erzielten. Die Zahl derer, die mindestens 100.000 Euro im Jahr verdienen, ist im selben Zeitraum von gut 122.000 auf 230.000 und schließlich auf 406.000 geklettert.
Ebenfalls gestiegen ist allerdings die Zahl Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren, die in Haushalten leben, die Sozialleistungen beziehen. 2012 betrug sie rund 132.000, im vergangenen Jahr waren es 160.000. Zudem hat sich die Armutsgefährdungsquote im Freistaat von elf Prozent im Jahr 2012 auf 12,7 Prozent im vergangenen Jahr erhöht. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt.
Linke fragt nach sozialer Spaltung
Gefragt hatten die Linken im Bundestag, wie sich die soziale Spaltung in Bayern in den letzten 20 Jahren entwickelt hat. Geantwortet hat Kerstin Griese (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Arbeits- und Sozialministerium, allerdings versehen mit dem Hinweis: "Die soziale Spaltungist ein komplexes und vielschichtiges gesellschaftliches Phänomen, das sich einer eindeutigen und einfachen Messung entzieht." Tatsächlich ist gerade die Armutsgefährdungsquote kein unumstrittener Wert. Sie wurde politisch festgelegt: Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung zur Verfügung hat, gilt als armutsgefährdet.
2020 lag dieses "Medianeinkommen" bundesweit bei rund 3550 Euro. Selbst wenn sich von heute auf morgen alle Einkommen verdoppeln würden, wären nach dieser Definition im Verhältnis genauso viele Menschen armutsgefährdet wie vorher - obwohl es ihnen faktisch finanziell doppelt so gut ginge. Die Statistik berücksichtigt zudem lediglich die Einkommen, nicht aber die Vermögen. Immobilienbesitz etwa fließt nicht mit ein.
Nicole Gohlke, Fraktionsvize der Linken im Bundestag, sagte unserer Redaktion: "Bayern bildet leider keine Ausnahme beim Thema soziale Spaltung. Diese Entwicklung wird sich durch die Inflation noch weiter verstärken." Denn gerade Menschen, die wenig haben, treffe die Inflation am stärksten. Gohlke kritisierte: "Die Bundesregierung tut deutlich zu wenig für Menschen mit geringem Einkommen."
Eine deutliche Mindestlohnerhöhung wäre ihr zufolge "ein erster Schritt in die richtige Richtung". Es sei klar, so die Linken-Politikerin, dass für Klimaschutz, Digitalisierung und den Sanierungsstau in den kommenden Jahrzehnten riesige Summen benötigt würden. Sie warnt: "Wenn wir das nicht sozial gerecht hinbekommen, drohen uns unschöne Zeiten. Die Wahl des AfD-Landrats in Sonneberg wird dann kein Einzelfall mehr bleiben."
Attacke auf Markus Söder und die CSU
Auch die CSU nimmt Gohlke ins Visier: Diese nehme das Problem seit Jahren nicht ernst und betreibe "selten mehr als Symbolpolitik". Das Großprojekt des christsozialen Ministerpräsidenten Markus Söder, die Baugesellschaft BayernHeim, die günstigen Wohnraum schaffen soll, habe "bisher auch kaum Zählbares zustande gebracht, obwohl die Wohnkosten in kaum einem anderen Bundesland so hoch wie in Bayern sind". Unerwähnt bleibt im Schriftwechsel zwischen Linksfraktion und Regierung, dass Bayern die niedrigste Armutsgefährdungsquote aller 16 Bundesländer aufweist. Trauriger Spitzenreiter ist Bremen, wo 28,4 Prozent der Menschen als armutsgefährdet gelten.