Der Flächenverbrauch in Bayern ist im vergangenen Jahr massiv angewachsen. Durchschnittlich 12,2 Hektar Freiflächen etwa von der Landwirtschaft wurden pro Tag anderen Zwecken zugeordnet oder gar direkt mit Beton versiegelt - was einer Fläche von etwa 17 Fußballfeldern entspricht, wie das Landesamt für Statistik am Dienstag in Fürth mitteilte. Im Jahr zuvor seien es durchschnittlich 10,3 Hektar pro Tag gewesen, die zusätzlich für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Anspruch genommen wurden.
865 776 Hektar und damit 12,3 Prozent der Fläche Bayerns wurden dem Landesamt zufolge zum Stichtag 31. Dezember 2022 für Siedlungen und Verkehrswege genutzt - die so genutzte Fläche wuchs damit um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dazu zählen demnach unter anderem auch Spielplätze, Parks und Stellplätze. Fast 39 Prozent entfallen dabei auf Verkehrswege, rund ein Viertel auf den Wohnungsbau und rund 11 Prozent auf Industrie- und Gewerbeflächen.
Fast ein Viertel des Zuwachses bei der Siedlungs- und Verkehrsfläche gehe auf sogenannte Versorgungsanlagen zurück - in Summe 1087 Hektar. Darunter werden etwa Förderanlagen für Gas oder Öl, Kraftwerke, Raffinerien und auch Flächen zur Erzeugung erneuerbarer Energien gezählt. "Dass rund ein Fünftel der neu in Anspruch genommenen Flächen auf Freiflächenphotovoltaik entfällt, zeigt, dass die Umsetzung der dezentralen Energiewende in vollem Gange ist", teilte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mit.
"Auch, wenn wir aus den 12,2 Hektar pro Tag die Energie-Versorgungseinrichtungen wie etwa Solarfreiflächenanlagen heraus nehmen, ist die Söder-Aiwanger-Regierung noch meilenweit von einer Halbierung des Bodenverbrauches entfernt", sagte Ludwig Hartmann (Grüne). Seit Jahren fordern die Grünen in Bayern eine Obergrenze für den Flächenverbrauch von fünf Hektar pro Tag. "Es ist jetzt Zeit für eine Politik, die denkt, bevor der Bagger kommt."
Aiwanger wies die Forderung als derzeit auch wegen des Bedarfs an Wohnraum nicht erfüllbar zurück: "Also wir strecken uns hier nach der Decke, aber wir wollen nicht restriktiver auf unsere Kommunen zugehen und denen verbieten, neue Gewerbegebiete, neue Baugebiete auszuweisen", sagte er nach der Sitzung des Kabinetts in München.
Der Bund Naturschutz warf der Staatsregierung ebenfalls vor, den Flächenverbrauch nicht ernst zu nehmen: "Dass sich der Flächenverbrauch im Freistaat noch einmal erhöht hat, zeigt, dass es sich beim Ziel der Staatsregierung den Verbrauch auf fünf Hektar am Tag zu begrenzen um ein reines Lippenbekenntnis handelt. Ein absoluter Skandal in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise", sagte Landeschef Richard Mergner.
Spitzenreiter bei den Siedlungs- und Verkehrsflächen ist laut den Statistikern in Bayern die Stadt München, gefolgt von Nürnberg und Bamberg. Schlusslicht ist der Landkreis Garmisch-Patenkirchen.
Mit 46,1 Prozent wurde Ende 2022 knapp die Hälfte der Gesamtfläche Bayerns wie im Jahr zuvor landwirtschaftlich genutzt. Auf einem weiteren guten Drittel wuchs Wald (35,3 Prozent).
Das Landesamt für Statistik wies darauf hin, dass im vergangenen Jahr ein Klassifizierungsfehler beim Truppenübungsplatz Grafenwöhr entdeckt wurde. Dieser sei in großen Teilen fälschlicherweise den Siedlungen statt der Vegetation zugerechnet worden. Für die sechs betroffenen Gemeinden in der Oberpfalz habe es deshalb eine Neuberechnung für 2014 bis 2021 gegeben. Bayernweit gebe es dadurch beim Flächenverbrauch aber so gut wie keine Veränderungen. Lediglich 2016 sinke der durchschnittliche Flächenverbrauch pro Tag dadurch von 9,8 Hektar auf 9,7 Hektar.
(dpa)