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Prozess: Jens Lehmann sitzt heute in Starnberg auf der Anklagebank

Prozess

Jens Lehmann sitzt heute in Starnberg auf der Anklagebank

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    Der wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung angeklagte ehemalige Nationaltorwart Jens Lehmann (2. von links) steht vor Prozessbeginn mit seinem Anwalt Christoph Rückel (links) im Gerichtssaal.
    Der wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung angeklagte ehemalige Nationaltorwart Jens Lehmann (2. von links) steht vor Prozessbeginn mit seinem Anwalt Christoph Rückel (links) im Gerichtssaal. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Er war einer der Helden des Fußball-Sommermärchens 2006, jetzt muss er sich vor Gericht verantworten: Der frühere Fußballnationalspieler Jens Lehmann (54) sitzt am Freitag beim Amtsgericht in Starnberg auf der Anklagebank. Der frühere Torwart und Assistenz-Trainer (Arsenal London, FC Augsburg) soll in einem Nachbarschaftsstreit zur Kettensäge gegriffen haben.

    Jens Lehmann soll zur Kettensäge gegriffen haben

    Sollten sich die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in dem Verfahren bestätigen, hat der ehemalige Fußball-Profi ein sauberes Eigentor geschossen. Dem 54-Jährigen, der in Berg am Starnberger See wohnt, wird von der Staatsanwaltschaft München II Sachbeschädigung, Beleidigung sowie Betrug in zwei Fällen vorgeworfen.

    Jens Lehmann sitzt heute in Starnberg auf der Anklagebank.
    Jens Lehmann sitzt heute in Starnberg auf der Anklagebank. Foto: Christoph Frey

    Für Aufsehen sorgte hauptsächlich ein Vorfall vom Sommer vergangenen Jahres. Der Ex-Keeper soll mit einer Motorsäge den Dachbalken der Nachbargarage auseinandergesägt haben, um von seinem Anwesen aus eine bessere Sicht auf den Starnberger See zu haben. Den Ermittlungen zufolge hatte eine Überwachungskamera die Aktion von Lehmann gefilmt. Der soll zuvor zwar noch das Stromkabel durchtrennt haben. Die Kamera lief allerdings batteriebetrieben weiter. 

    Überdies soll der frühere Fußballstar seinen Nachbarn beleidigt haben. Zudem wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor, zweimal Gebühren von insgesamt rund 300 Euro in einem Parkhaus am Münchner Flughafen nicht gezahlt zu haben. Im zweiten Fall aus dem September 2022 soll Lehmann von einer Videokamera gefilmt worden sein, wie er die Schranke austrickste.

    Jens Lehmann steht in Starnberg vor Gericht

    Bereits eine Stunde vor Prozessbeginn hatten sich am Freitag Journalisten und Fernsehteams eingefunden, dem gebührenfinanzierten Bayerischen Rundfunk war der mutmaßliche Nachbarschaftsstreit sogar die Entsendung eines Übertragungswagens wert. Lehmann selbst kam kurz vor zehn Uhr in Begleitung seines Verteidigers Christoph Rückel und ließ sich geduldig fotografieren und filmen. Lehmann trug einen grauen Anzug, dunkelblaue Krawatte und blaues Hemd. Er hatte eine Aktentasche dabei und wirkte wie ein Geschäftsmann. Als Beruf gab er "arbeitsloser Fußballtrainer" an.

    Staatsanwalt Stefan Kreutzer listete die Anklagepunkte kurz auf: Sachbeschädigung, versuchter Betrug, Beamtenbeleidigung. Lehmann soll zwei Polizisten als Lügner bezeichnet haben, die ihm seinen Führerschein für einen Monat abnehmen wollten.

    Jens Lehmann vor Gericht: Welche Rolle spielt seine Prominenz?

    Eigentlich nichts Großes. Der Schaden an der Garage, wird auf 2500 Euro beziffert, bei den Parkgebühren geht es um 300 Euro. Interessant macht diesen Prozess die Person. Ist da jemand, der aufgrund seines früheren Star-Status glaubt, sich nicht an die Regeln halten zu müssen?

    Genau diesen Verdacht äußert Staatsanwalt Kreuzer. Man habe den Eindruck, „hier handelt es sich um eine Person, die sich über das Gesetz hinwegsetzen will.“ Lehmann selbst zeigte sich, so wörtlich, überrascht, dass er vor Gericht landete. Er äußert den Verdacht, dass dieser Fall wegen seiner Prominenz größer aufgezogen werde. Staatsanwalt Kreuzer wies dies zurück.

    Lehmann: Streitigkeiten bereits begelegt

    Über seinen Anwalt hatte Lehmann zuvor erklären lassen, dass die Streitigkeiten mit dem Nachbarn und dem Flughafen wegen der Parkgebühren inzwischen beigelegt seien. die Beleidigung der Polizeibeamten bestritt er. Er habe sie nicht als Lügner bezeichnet, sondern gesagt, „sie haben gelogen.“ Lehmann: „Das war nicht nett von mir. Aber ich wollte sie nicht beleidigen.“ Er selbst habe die Polizisten und seinen Nachbarn angezeigt, das sei sei aber eingestellt worden.

    Eine Polizistin und ein Polizist bestätigten am Freitag, dass Lehmann sie als „durchtriebene Lügner“ bezeichnet hat. Die Beamten waren auf sein Grundstück gekommen, um seinen Führerschein zu beschlagnahmen. Lehmann war in Starnberg mit dem Handy am Steuer seines Porsche erwischt worden und musste den Schein für einen Monat abgeben. Das fand er ungerecht, die Polizisten hätten in der Führerscheinsache nicht die Wahrheit gesagt.

    Auch weitere Vorwürfe bestritt Lehmann und machte auf Nachfragen der Vorsitzenden Richterin Tanja Walter und des Staatsanwaltes teilweise Erinnerungslücken geltend. Die Überwachungskamera habe er nicht zerstört, wie der Balken an der Garage kaputt ging, sei ihm nicht erinnerlich. Klar scheint aber, dass er die Garage mit einer laufenden Motorsäge betrat, weil er zuvor eine aus kleinen Bäumen bestehende Hecke gestutzt hatte. Warum er die Säge an dem Holzbalken angelegt habe, wisse er nicht mehr, so Lehmann auf Nachfragen des Staatsanwaltes.

    Lehmann macht Erinnerungslücken geltend

    Ähnlich die Defensiv-Strategie des Torwartes in der Sache mit den Parkgebühren. Er habe diese nie prellen wollen, wie er das Parkhaus in zwei Fällen verlassen habe, wisse er nicht mehr. Für die Gerichtsverhandlung, zu der zwölf Zeugen geladen sind, hat das Gericht in Starnberg zwei Verhandlungstage angesetzt.

    Der gebürtige Essener Lehmann stand in seiner Profi-Karriere (1988 bis 2011) bei Schalke 04, dem AC Mailand, Borussia Dortmund, Arsenal London und dem VFB Stuttgart unter Vertrag. Als Nationaltorwart absolvierte er 61 Länderspiele und galt als einer der besten Keeper seiner Zeit.

    Jens Lehmann und seine kurze Zeit beim FC Augsburg

    Nach seiner aktiven Karriere arbeitete Lehmann als Fernseh-Experte und Trainer-Assistent in London und Augsburg, wobei sein Gastspiel als Co-Trainer von Manuel Baum beim FCA nicht einmal drei Monate währte. Zweieinhalb Monate lang arbeitete der ehemalige Nationaltorwart als Co-Trainer beim FCA. Als Stabilisator für die wacklige Defensive geholt, erfüllte der damals 49-Jährige die Erwartungen nur bedingt und wurde zusammen mit Cheftrainer Manuel Baum entlassen.

    Später bekannte Lehmann, dass er nicht für den Job eines Co-Trainers gemacht sei, er sah sich mehr auf der Cheftrainer-Position. Daraus wurde jedoch bis heute nichts. Augsburg war seine bislang letzte Trainer-Station. In den vergangenen Jahren sorgte Lehmann mehrfach für negative Schlagzeilen und Irritationen.

    In Berg wohnten auch schon Michael Ballack und Lothar Matthäus

    In Berg am Starnberger See wohnt Lehmann schon länger. Zu seiner Zeit als Torwart beim VfB Stuttgart flog er mehrmals zum Training in die 250 Kilometer entfernte Schwabenmetropole – und landete später auf dem Fußballplatz des MTV Berg mitten im Ort.

    Berg und der Märchenkönig Ludwig II.

    Das gut 8400 Einwohner zählende Berg liegt im Landkreis Starnberg, das ist der Landkreis mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland. Die Liste der Promis, die in Berg leben oder lebten, ist lang. Darunter sind bekannte Schauspieler wie Hans Albers und Heinz Rühmann, die Schauspielerin Katerina Jacob („Der Bulle von Tölz“) oder die Fußballer Lothar Matthäus und Michael Ballack. Bergs berühmteste Persönlichkeit aber ist Ludwig der II. Der Märchenkönig fand dort im Starnberger See den Tod.

    Mit viel Geld versuchte Lehmann zuletzt die Vorwürfe gegen ihn aus der Welt zu schaffen. der Polizei bot er 5000 Euro für einen guten Zweck sowie eine von ihm geleitete Sportveranstaltung an, wenn sie den Strafantrag wegen Beleidigung zurücknehme. Das Polizeipräsidium Oberbayern lehnte dankend ab. Man wolle jeden Anschein von Käuflichkeit vermeiden.

    Mehr Glück hatte Lehmann bei seinem Nachbarn.

    Mit dem 92-Jährigen hat Lehmann sich kurz vor dem Prozess verglichen. Kostenpunkt für den Ex- Profi 60.000 Euro. Damit sollen Mehrkosten ausgeglichen werden, die dem 92-jährigen beim Bau seiner Garage entstanden sind. Zuvor hatten beiden Seiten sich nicht über die Lage der Garage verständigen können und über Jahre hinweg miteinander auseinander gesetzt. Teil der Absprache: Der Senior hat seinen Strafantrag zurückgenommen und war am Freitag sichtlich friedlich gestimmt. „Mir ist kein großer Schaden entstanden.“ Rund 1500 Euro habe die Reparatur des beschädigten Balkens gekostet. „Man muss es mit Humor nehmen,“ sagte der 92-Jährige. Mehrfach bezeichnete er Lehmann als „meinen lieben Nachbarn“, dabei schien Ironie mitzuschwingen. Außerdem riet er Lehmann noch, seinen Revisionsschacht zu warten. Das sei dringend nötig.

    Der Prozess wird fortgesetzt.

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