Björn Gulden ist derzeit einer der gefragtesten Manager in Deutschland. Mit Puma hat er gerade das erfolgreichste Jahr der Firmengeschichte hingelegt. Als neuer Chef des deutlich größeren Konkurrenten Adidas erfüllt sich der ehemalige Fußball-Profi einen Lebenstraum, der zunächst ein bisschen wie ein Alptraum aussieht. Gulden könnte im Jahr eins seiner Verantwortung für die Drei-Streifen-Marke den ersten Adidas-Verlust nach mehr als 30 Jahren einfahren. Er übernimmt das Unternehmen in einer der schwierigsten Situationen der jüngeren Geschichte - und findet das auch nicht verwunderlich. "Man wechselt ja nicht den Trainer, wenn man Meister ist", sagt er bei der Vorstellung der Jahreszahlen am Mittwoch in Herzogenaurach.
Gulden kam schon 1984 nach Franken, damals als junger Fußballer. Beim 1. FC Nürnberg kam er nur vier Mal zum Einsatz. "Ich war ein Fehleinkauf", sagt Gulden heute. Es ist diese leicht schelmische Selbstironie, die Gulden sympathisch, und die Nähe zum Sport, die viele Brancheninsider sicher macht, dass Gulden nach dem Zahlen-Menschen Kasper Rorsted der Richtige ist, der Adidas wieder in die Spur bringt. Auch dass Rorsted mit einem goldenen Handschlag im Wert von bis zu 16 Millionen Euro verabschiedet werden musste, tut Gulden mit einem Scherz ab: "Ich habe nichts bekommen bei Puma."
Über seinen neuen Arbeitgeber schwärmt der 57-Jährige. Keiner in der Branche habe ein solches Archiv an Klassikern wie Adidas, keiner habe die technischen Möglichkeiten und keiner habe die Breite an Stars, die die Marke nach außen tragen. 419 Millionen Paar Schuhe verkauft das Unternehmen pro Jahr, dazu 482 Millionen Kleidungsstücke und 117 Millionen Stück Hardware wie etwa Fußbälle. "Ich wäre der größte Dummkopf des Planeten, wenn ich diesen Job nicht gemacht hätte", sagt Gulden.
Doch der Job wird hart sein. Adidas sitzt auf unverkauften Lagerbeständen im Wert von Milliarden Euro. Unter anderem auf den Riesenmärkten in China und den USA sind die Lager voll. "Die Arznei gegen Lagerbestände sind Rabatte", gibt Gulden zu. Mindestens bis zum Sommer droht also ein Preiskrieg in der Branche, der auf die Umsätze drücken wird. Die im Dax notierte Adidas-Aktie gab am Mittwoch zunächst nach, schüttelte ihre Verluste bis zum Handelsende aber ab und ging mit einem Plus von mehr als zwei Prozent aus dem Handel.
Immer noch ungelöst sind die Folgen der unseligen Allianz mit dem Skandalrapper Kanye West. Die von West designten Artikel bescherten Adidas Milliardenumsätze - bis die öffentlichen Äußerungen des Musikers derart unerträglich wurden, dass sich Adidas von ihm trennen musste. Niemand wisse derzeit, was mit den Schuhen und Klamotten der Yeezy-Serie passieren wird. Gulden kann nicht einmal ausschließen, dass sie komplett vernichtet werden müssen. Das Problem könnte das Betriebsergebnis dieses Jahr um bis zu 700 Millionen Euro ins Minus drücken.
Der Umsatz, den Adidas mit knapp 60.000 Beschäftigten erwirtschaftete, wuchs im vergangenen Jahr währungsbereinigt nur um ein Prozent auf 22,5 Milliarden Euro, der Gewinn aus fortgeführten Geschäften brach von fast 1,5 Milliarden Euro auf 254 Millionen Euro ein. Während Adidas drei Mal in Folge die Prognose nach unten korrigieren musste, konnte Konkurrent Puma Rekorde feiern.
Für dieses Jahr wird bei Adidas sogar ein Umsatzrückgang von bis zu knapp unter 10 Prozent erwartet. Die geopolitischen Probleme in Europa und Asien und die Inflation, die auch Nordamerika betrifft, nennt Adidas als weitere Gründe für die Entwicklung. Adidas war diesen Problemen zuletzt deutlich mehr ausgesetzt als andere in der Branche. Im Rückblick ist klar: Guldens Vorgänger Kasper Rorsted hatte zu sehr auf den einst hochprofitablen Markt in China gesetzt, dort Marktanteile gescheffelt - und litt am Ende stärker als die Wettbewerber unter den Folgen von politischer Regulierung und Covid-Schließungen im Reich der Mitte.
"2023 wird ein Übergangsjahr sein, um die Basis für 2024 und 2025 zu legen", sagt Gulden. Dann will er wieder angreifen, vor allem mit einem Fokus auf die Marke. Dazu stellt Adidas das Vorstandsteam um Gulden herum neu auf. Der neue Chef wird die Verantwortung für die Marken selbst übernehmen, der Däne Brian Grevy verlässt das Unternehmen. Auch Manager-Urgestein Roland Auschel muss nach 33 Jahren bei Adidas gehen und wird durch Arthur Hoeld ersetzt. Finanzvorstand Harm Ohlmeyer dagegen darf fünf Jahre weitermachen.
Die Aktionäre müssen sich nach dem Gewinneinbruch im vergangenen Jahr auf eine deutlich geringere Ausschüttung einstellen. Sie sollen eine Dividende von 0,70 Euro je Aktie erhalten nach 3,30 Euro im Vorjahr, wie Adidas weiter mitteilte. 2022 hatte der Konzern mit der hohen Inflation und Problemen in China zu kämpfen. Dort war Adidas über Jahre erfolgreicher als Branchenprimus Nike und Lokalrivale Puma.
(Von Michael Donhauser, dpa)