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Sparkurs der Kommunen: Gemeindetagspräsident will Bürger zahlen lassen

Interview

Gemeindetags-Präsident: „Wir müssen klarmachen, dass der Staat nicht mehr alles leisten kann“

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    Uwe Brandl spricht nicht nur für Bayerns Gemeinden. Er ist auch Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
    Uwe Brandl spricht nicht nur für Bayerns Gemeinden. Er ist auch Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Foto: Britta Pedersen, dpa (Archivbild)

    Herr Brandl, die Ampelkoalition ist über den Haushalt für das kommende Jahr zerrüttet und die bayerische Staatsregierung hat für ihren Doppelhaushalt 2024/25 tief in die Rücklagen greifen müssen. Auch Kommunen klagen über Probleme bei ihren Haushalten. Wie ist die Lage?
    UWE BRANDL: Die Lage ist sehr unterschiedlich. Es gibt nach wie vor Gemeinden, die auch mit den aktuellen Rahmenbedingungen kaum Probleme haben. Aber es werden immer mehr, die enorme Schwierigkeiten haben, ausgeglichene Haushalte herzustellen.

    Woran liegt das?
    BRANDL: Das ist zum einen die gesamtwirtschaftliche Situation …

    Sie meinen die stagnierenden Steuereinnahmen und steigende Material- sowie Personalkosten?
    BRANDL: Ja. Dazu kommt, dass wegen des Investitionsstaus nach einem abgeschlossenen Projekt direkt das nächste wartet. Es gibt keine Entspannung mehr für die Haushalte. Und dann haben wir auch bestimmte Leistungen, die wir von kommunaler Seite nicht beeinflussen können. Zum Beispiel die kreiseigenen Krankenhäuser, deren Millionendefizite die Gemeinden ausgleichen müssen. Das schmälert die Investitionstätigkeit.

    Nun fordern Sie einen Mentalitätswechsel. Wie soll der aussehen?
    BRANDL: Wir müssten, statt zu überlegen, woher wir mehr Geld bekommen, überlegen, ob wir das Geld richtig ausgeben. Setzen wir Prioritäten oder suggerieren wir, der Staat habe den Dukatenesel im Keller stehen? Wir müssen klarmachen, dass der Staat nicht mehr alles leisten kann.

    Sie wollen also, dass gekürzt wird. Wo genau?
    BRANDL: Ich nehme mal ein Beispiel. Hubert Aiwanger ist vor einigen Jahren angetreten und hat versprochen: Die Eltern müssten nichts mehr für die Kinderbetreuung zahlen, das übernehme die Öffentlichkeit. Damit sendet er das Signal, der Staat könne solche Leistungen finanzieren – egal, ob der Umfang ihn überfordert oder nicht.
    Denen, die ihre Kindergartenbeiträge nicht selbst finanzieren können, helfen wir, ja. Aber Einkommensmillionären kann man abverlangen, sich zu beteiligen. Und das können Sie jetzt durchdeklinieren. Es gibt diverse Leistungen, die teilweise einkommensunabhängig sind.

    Damit belasten Sie aber die Bürger, die durch Inflation und Krisen bereits gebeutelt sind.
    Nein, weil die Beteiligung an der Höhe des Einkommens gestaffelt erfolgen sollte. Das überlastet nicht, sondern entspricht dem, was im Rahmen sozialer und gesamtgesellschaftlicher Verantwortung jeder in einem demokratischen Staatswesen als Solidarbeitrag leisten sollte.

    Wo wollen Sie die Bürger noch finanziell beteiligen?
    BRANDL: Beim Teilhabegesetz für Behinderte, bei der Unterbringung von Jugendlichen in Heimen oder auch bei der Seniorenbetreuung, wo Millionen im Landespflegegeld bereitgestellt werden. Natürlich kann man sagen, dass diese Menschen schon genug belastet sind. Aber das Sozialstaatsprinzip fordert trotzdem von allen, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu beteiligen.

    Gibt es den von Ihnen geforderten Mentalitätswechsel in der Staatsregierung?
    BRANDL: Das Problem ist, man erkennt, ist aber nicht gewillt zu reagieren, weil ein Weniger an Leistung nicht populär ist und Wähler dann reagieren. Also verspricht man lieber besseren Wissens weiter.

    Jetzt sind Sie nicht auf die Staatsregierung eingegangen. Gibt es dort Politiker, von denen Sie sagen würden, die hätten den Mut dazu?
    BRANDL: Na ja, Finanzminister Albert Füracker hätte den Mut schon, aber er ist auch in seinem System gefangen. Das Verständnis ist bei vielen da. Die Frage ist bloß: Wer setzt die Richtlinie innerhalb einer Partei so, dass dieser neue Stil gepflegt wird? Und da sehe ich die Bereitschaft nicht besonders ausgeprägt. Das gilt für alle Parteien. Auch bei den Grünen hat man nicht den Mut, die eigene Philosophie zu korrigieren.

    Sie persönlich sind ja CSU-Mitglied. Wie sieht das bei Ihrer eigenen Partei aus?
    BRANDL: Es gibt immer mehr, die für diesen Stil werben, die sagen: Wir können der SPD nicht andauernd vorwerfen, die Zeitenwende nicht einzuhalten, wenn wir keinen eigenen Beitrag leisten.

    Wenn die Not der Gemeinden so groß ist, ist es da allein mit Sparen getan?
    BRANDL: Wir müssen an systemische Probleme in unserer Verfassung ran. Viele Leistungsversprechen kommen aus der Bundesebene. Da macht es sich der Bund oft einfach, indem er neue Aufgaben auf die Kommunen delegiert und gleichzeitig darauf verweist, für die Gemeinden keine Finanzverantwortung zu haben. Vor jedem neuen Gesetz sollten erst die Kostenfolgen abgeschätzt werden und dann müsste die Ebene, die das Gesetz einbringt, das auch finanzieren. Wir planen gerade, deutschlandweit mit einem Gutachten feststellen zu lassen, ab wann die Überforderung der Kommunen deren verfassungsrechtliche Autonomie zu stark einschränkt. Je nachdem wären auch manche Gesetzesvorhaben nicht mehr zulässig.

    Dieses Gutachten zusammen mit der Schuldenbremse würde dem Bund neue Sozialausgaben vermutlich unmöglich machen. Aber geht Ihre Rechnung tatsächlich auf, dass das Sparen am Sozialen genügend Milliarden für drängende Investitionen freimacht?
    BRANDL: Das kann ich Ihnen noch nicht sagen, weil noch niemand ausgerechnet hat, wie viel man an Kosten einsparen kann. Es ist viel Geld im System, die Frage, ob es zwecktauglich und angemessen eingesetzt wird, wäre eine interessante Fragestellung. Ich bin überzeugt, mit sozialverträglicher Beteiligung an der Finanzierung und reduzierten Leistungen sollte da viel Geld etwa für notwendige Investitionen zusammenkommen.

    Zur Person: Uwe Brandl ist seit 2002 Präsident des Bayerischen Gemeindetags. Der Jurist und CSU-Politiker war von 1993 bis 2023 erster Bürgermeister der Stadt Abensberg in Niederbayern. Nachdem er 2018 bereits für zwei Jahre auch dem Deutschen Städte- und Gemeindebund als Präsident vorgestanden hatte, ist er im vergangenen Jahr für eine zweite Amtszeit erneut gewählt worden.

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    3 Kommentare
    Walter Koenig

    Wir müssen klarmachen, dass der Staat nicht mehr alles leisten kann. Diesem Satz kann ich nur voll zustimmen. Denn das Geld wächst nun mal nicht auf den Bäumen. Auf der einen Seite fordert man Steuersenkungen, auf der anderen Seite beklagt man sich, dass Missstände nicht zügig behoben werden. Siehe Schulen, Krankenhäuser oder Straßen. Von daher sollte auch bei Kitas die Einkommensituation eine Rolle spielen, was die Kostenübernahme betrifft. Aber leider traut sich keine Partei an Kürzungen bei Beihilfen ran, obwohl die Realität eigentlich jedem Bürger bewusst sein müsste. Etwas mehr Bescheidenheit würde durchaus nicht fehl am Platz sein. An den Beihilfen für sozial Schwache sollte nicht viel geändert werden, aber wer über ein gutes Einkommen verfügt, der sollte keine Beihilfen in Anspruch nehmen (können).

    Franz Wagner

    Das ist schon richtig dass man Großverdienern die vollen Kinderbetreuungskosten abverlangen kann, der alleinerziehenden Mama weniger.... für solche Maßnahmen wäre auch Verständnis in der Bevölkerung vorhanden

    Klemens Hain

    Diesem Kommentar von Herrn Brandl stimme ich voll und ganz zu, aber es ist bei vielen in Deutschland noch nicht angekommen, stattdessen läuft man dem Populismus nach und nicht der Zukunft Deutschland. Jammerschade. Ich finde jede Partei hat Fehler begangen, aber die Grünen für alles Verantwortlich zu machen wie ein Herr Söder! Finde ich echt nicht mehr in Ordnung. Ich Persönlich finde CDU und CSU hat auch Mitschuld an der Heutigen Situation.

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