Diakonie und Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Bayern haben einen erheblichen Personalengpass in der Pflege beklagt - mit Folgen für Beschäftigte wie Pflegebedürftige. Der Personalmangel sorge für immer mehr leerstehende Betten - in stationären Einrichtungen stünden mittlerweile ganze Stationen leer, sagte Sandra Schuhmann, Vorständin der Diakonie Bayern am Dienstag in Nürnberg.
In der stationären Pflege könnten 72 Prozent der Träger Leistungen nicht mehr erbringen, in der ambulanten Pflege sei dies bei 89 Prozent der Dienste der Fall. Dies ergab eine bundesweite Umfrage bei Einrichtungen und Diensten der Diakonie. Regelmäßig erhielten Menschen in Bayern etwa nach einer Behandlung im Krankenhaus keine Pflege, weil es an Personal fehle, sagte Schuhmann. Die Pflege bleibe dann an Angehörigen hängen.
Der Personalmangel lasse die Beschäftigten ausbrennen, schilderte Bertram Neumann, Leiter des Seniorenzentrums Martha-Maria in Nürnberg. Die Beschäftigten hätten ihren Beruf aus Überzeugung ergriffen, doch immer öfter müssten sie erleben, dass sie Menschen wegen des Personalmangels nicht helfen könnten.
Stefan Wolfshörndl vom Landesvorsitz der Awo in Bayern sprach am Dienstag von einem Pflegenotstand im Freistaat. In den Awo-Einrichtungen und -Diensten herrsche eine äußerst angespannte Personalsituation. Die Beschäftigten gingen aktuell auf dem Zahnfleisch, sagte Wolfshörndl. Die Mitarbeiter seien zudem nach der Corona-Pandemie müde und ausgelaugt.
Um für eine Besserung der Lage zu sorgen, fordert die Diakonie angesichts zugleich gestiegener Kosten in Folge der Inflation eine stärkere Förderungen durch den Staat. Die Diakonie spricht sich für eine höhere sogenannte Investitionskostenförderung aus. Diese sei Aufgabe der Länder, doch gerade im Freistaat falle sie sehr niedrig aus, sagte Schuhmann. Von den Trägern in der Pflege wünsche sie sich zudem mehr Mut, neue Wege zu gehen. Ein "Weiter so" führe zu einem Kollaps der Pflege in Bayern.
Ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums bezeichnete die Kritik als "nicht nachvollziehbar". Bayern sei eines der wenigen Länder, in denen Investitionskosten überhaupt gefördert würden - und das, obwohl die Bewohnerinnen und Bewohner mit diesen Kosten im Vergleich weniger belastet würden als im Bundesschnitt.
Der Awo-Vorsitzende Wolfshörndl sieht eine entscheidende Weichenstellung in den Arbeitsbedingungen. Laut einer Untersuchung würden zahlreiche ehemalige Pflegekräfte in den Beruf zurückkehren, wenn sie mehr Zeit für Patientinnen und Patienten sowie ihre Familien hätten.
Die Awo spricht sich daher für eine 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich aus. Zugleich fordert sie mehr Zeit für die Pflege, indem Beschäftigte sich weniger um Verwaltungsaufgaben kümmern müssen. Letztendlich brauche man aber mehr Geld im System und eine grundlegende Pflegereform, sagte Wolfshörndl.
(dpa)