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Söder will Corona-Bußgeldverfahren einstellen

Pandemie

Erstattet Bayern die Corona-Bußgelder?

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    Während der Pandemie galten in Bayern strenge Vorgaben, bei deren Verletzung Bußgelder drohten.
    Während der Pandemie galten in Bayern strenge Vorgaben, bei deren Verletzung Bußgelder drohten. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder angekündigte Einstellung aller noch offenen Corona-Bußgeldverfahren stößt auf Kritik und Probleme in der Umsetzung. Offen ist auch die Frage, ob es Rückzahlungen geben wird. Genau das fordert etwa die bayerische FDP.

    Stand Anfang Juli gab es im Freistaat nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums noch mehr als 17.600 offene Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen die Verordnungen zum Infektionsschutz. Diese Verfahren will Söder nun einstellen, wie er bei der CSU-Klausur in Banz erklärt hatte. Mehr als 243.000 Verfahren sind bereits abgeschlossen. Darin wurden einer Sprecherin des Ministeriums zufolge Bußgelder in Höhe von mehr als 42 Millionen Euro verhängt. Einzelheiten, wie die noch ausstehenden Verfahren eingestellt werden sollen, würden derzeit „ressortübergreifend abgestimmt“, teilt die Sprecherin mit.

    Strafrechtsexperte Kubiciel sieht zwei mögliche Wege

    Juristen sehen in der Umsetzung rechtliche Probleme. Der bekannte Augsburger Strafrechtsexperte Professor Michael Kubiciel erklärt gegenüber unserer Redaktion: Die Staatsanwaltschaft könne ein Verfahren nur einstellen, solange es bei ihr allein anhängig ist. Wenn ein Verfahren allerdings bereits bei Gericht anhängig sei, dann liege die Entscheidung auch dort. „Da Gerichte unabhängig entscheiden, kann die Politik in solchen Fällen nicht die Einstellung anordnen. Das wäre also kein gangbarer Weg für eine einheitliche Beendigung der noch offenen Fälle in Bayern“, sagt Kubiciel.

    Der Jurist sieht zwei Wege: „Zum einen können die Behörden unter bestimmten Umständen auf eine Vollstreckung der rechtskräftigen Bußgeldbescheide verzichten. Zum anderen könnte der Freistaat durch eine Art gesetzliche Amnestie für ein Ende sorgen.“

    In Slowenien wurden die Corona-Bußgelder zurückbezahlt

    Eine solche Amnestie wurde in Slowenien 2023 bereits erlassen. Dort wurde sogar beschlossen, dass die Bußgelder zurückgezahlt werden. Das fordert Bayerns FDP-Chef Martin Hagen auch für den Freistaat. „Diejenigen, die anstandslos bezahlt haben, dürfen nicht die Dummen sein. Deshalb sollten dann auch sie ihr Geld zurückerstattet bekommen“, sagt er auf Nachfrage. Söders Ankündigung, alle offenen Bußgeldverfahren einzustellen, werte er als spätes Eingeständnis, „dass er während der Pandemie überzogen hat.“

    Zwingend sei das Zurückbezahlen bereits geleisteter Bußgelder durch eine Amnestie nicht, sagt Rechtswissenschaftler Kubiciel. „Allerdings hinterließe eine ungleiche Behandlung der Fälle durchaus ein Störgefühl bei vielen“, sagt er. Kubiciel steht solchen Amnestie-Regeln grundsätzlich reserviert gegenüber. Einerseits würden sie natürlich Rechtsfrieden schaffen, andererseits seien sie kein gutes Zeichen für die Geltungskraft des Rechts. „Denn die Regeln, die damals verletzt worden sind, galten ja für alle.“ Eine gesetzlich angeordnete Befreiung von der Sanktion erscheine so, „als ob der Staat einer Gruppe von Personen nachträglich das Recht einräumt, gültige Regeln ohne Konsequenzen verletzen zu dürfen.“

    Kritik von den Grünen an Söders Plänen zu den Corona-Bußgeldern

    Derlei Kritik kommt auch aus den Reihen der Opposition. Toni Schuberl, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, sagt: „Es nervt, wenn Söder meint, er könne für seine persönliche Schlagzeile einfach erst Regeln beschließen und dann wieder abschaffen, wie er lustig ist. Wir haben einen Rechtsstaat und keine Ego-Show.“ Bußgelder aufgrund von Vorschriften, die von Gerichten als rechtswidrig aufgehoben worden sind, müssten unbedingt komplett zurückgezahlt werden, sagt Schuberl. „Die Bußgelder für rechtmäßige Maßnahmen hingegen dürfen nicht einfach gestrichen werden.“

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    2 Kommentare
    Maja Steiner

    Also das sehe ich genau so wie Herr Kubiciel. Das ist, wie wenn Falschparker plötzlich ihre Knöllchen wieder zurückbezahlt bekämen, weil man findet, dass man dort doch nicht unbedingt ein Halteverbot hätte aufstellen müssen. Die Dummen sind die, die sich einen anderen Parkplatz suchten. Wer gegen geltendes Recht verstößt, muss eben damit rechnen zu blechen, wenn er erwischt wird, selbst wenn dieses Recht überzogen ist. Der ohnehin aufmüpfige Bürger wird sich in künftigen Fällen gar nicht mehr an irgendetwas halten. Das ist keine gute Entwicklung.

    Annerose Greisl

    Die Rechtsauffassung von Herrn Kubiciel teile ich absolut. Aber auch der gesunde Menschenverstand sagt, dass es kein Weg ist, heute massive Strafen anzukündigen, bei Verstoß auch entsprechend die Strafen zu verfolgen und dann einfach so alles wieder aufzuheben. Das führt einmal dazu, dass Regelungen und deren Verstöße nicht mehr ernst genommen werden. Auf diesem Weg befinden wir uns ohnehin bereits. Zum anderen muss man sich gerade vor dem Hintergrund der Pandemie fragen, warum bei Verstößen, die zu Infektionen und Krankheit und Tod führen können, plötzlich alles legal sein sollte und jede Strafe ausgesetzt werden sollte. So wurden z.B. auch zahlreiche Strafverfahren eingestellt, obwohl auch hier massive Verstöße nachgewiesen wurden, die teilweise sogar zu Todesfällen führten. Ist die Zahl der Verstorbenen und schwer Erkrankten heute schon egal? Und nun diese Ankündigung. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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