Markus Söder passte die Frage erkennbar nicht. „Diskreditierend“ sei es, den Mann seiner Wahl als Lobbyisten zu bezeichnen, kanzelte der CSU-Chef einen Journalisten ab. Denn der Bayerische Bauernverband, dessen Präsident Günther Felßner Söder nach der Bundestagswahl in Berlin zum Landwirtschaftsminister machen will, „ist keine Lobbytruppe“, findet Söder. Felßner selbst findet das auch. Zu „einer Denkfabrik für Lösungen für die ganze Gesellschaft“ sei die Organisation unter seiner Führung geworden. Unausgesprochene Schlussfolgerung: Wo es keine Lobby-Organisation gibt, können auch keine Interessenkonflikte drohen, falls der Chef Minister wird.
Der Bauernverband beschreibt sich als Lobby-Organisation
Doch so einfach ist es nicht. Denn es gibt es auch andere Lesarten über die Rolle des Bauernverbandes und eine davon stammt von diesem selbst. Der Verband beschreibt seine Rolle so: „Der Bayerische Bauernverband ist in München, Berlin und Brüssel aktiv, um auf den verschiedensten Entscheidungsebenen die Anliegen der Mitglieder anzubringen.“ Im Lobbyregister des Bayerischen Landtags findet sich die rund 135.000 Mitglieder starke Organisation, der Felßner vorsteht, ebenso. Die Drähte des Bauernverbandes in die Politik sind traditionell kurz. Landesbäuerin Christine Singer zum Beispiel sitzt aktuell für die Freien Wähler im Europaparlament. Felßner will, so er denn tatsächlich Minister wird, sein Amt als Präsident niederlegen.
Markus Söder und seine Kurzzeit-Ministerin
Söder lobt den Landwirt aus Franken als Praktiker und sieht in der Personalie ein „starkes Signal“ für den Mittelstand und für den gesamten ländlichen Raum. Felßner soll der CSU als Listenkandidat für den Bundestag Stimmen bringen bei einer Klientel, in der sie Boden verloren hat.
Söder hatte schon früher Vorlieben für überraschende Personalien gezeigt. Unvergessen ist in München die Medizin-Professorin Marion Kiechle, die der Ministerpräsident 2018 als Parteilose in sein Kabinett holte. Doch die Fachfrau verhedderte sich im Gestrüpp des politischen Alltagsgeschäfts: Ein gutes halbes Jahr später war sie den Job als Wissenschaftsministerin wieder los.
Darum lobt Söder Felßner
Zurück in die Gegenwart und in der reagiert die Konkurrenz zum Teil angesäuert auf Söders Schachzug mit dem Überraschungskandidaten Felßner. Die bayerische Grünen-Chefin Gisela Sengl verweist auf das politische Neutralitätsgebot, das in der Satzung des Bauernverbandes verankert ist. Wenn sich ein Bauernpräsident als CSU-Minister nominieren lasse, sei das „alles andere als politisch neutral“.
Grüne Minister verpflichten Lobbyisten
So ungewöhnlich ist es allerdings nicht, dass ehemalige Lobbyisten in wichtige politische Ämter gelangen und dort ihr Wissen einbringen sollen. Das haben zuletzt Sengls eigene Parteifreunde vorgemacht. Im Außenministerium von Annalena Baerbock dient die frühere Greenpeace-Chefin Jennifer Lee Morgan als Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik. Gerade ist die gebürtige US-Amerikanerin als deutsche Chef-Unterhändlerin beim Klimagipfel in Baku im Einsatz. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte den früheren Direktor der Lobbyorganisation Agora Energiewende als Staatssekretär geholt. Patrick Graichen erwies sich allerdings als Fehlgriff und musste nach nicht einmal zwei Jahren seinen Hut nehmen. Filz-Vorwürfe kosteten Habecks Mann für die Energiewende den Job.
Schon öfter für Ärger gesorgt hat es auch, wenn Politiker den umgekehrten Weg einschlugen und nach dem Ausscheiden aus ihren Ämtern hoch dotierte Jobs in der Wirtschaft annahmen. Der Vorwurf: Sie würden ihre alten Kontakte versilbern und für ihre neuen Arbeitgeber Türen öffnen. Das politisch brisanteste Extrembeispiel ist Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD), der sich in die gut bezahlten Dienste russischer Energieriesen begab und bis heute immer ein gutes Wort für seinen alten Kumpel Wladimir Putin findet.
Von Schröder bis Pofalla: Wenn Politiker die Seiten wechseln
Doch die Liste ließe sich beinahe beliebig fortsetzen. Schlagzeilen machte etwa auch der frühere Merkel-Vertraute und Minister Ronald Pofalla, der in die Vorstandsetage der Deutschen Bahn wechselte. Nach Recherchen der Organisation „Abgeordnetenwatch“ sind mehr als 100 ehemalige Abgeordnete und Regierungsmitglieder im Lobby-Register des Bundestags aufgeführt. Sie seien mittlerweile als Vorstände in Unternehmen, Verbänden oder Vereinen tätig, arbeiten als hauptberufliche Lobbyistinnen und Lobbyisten oder betreiben Beratungsfirmen. Allein nach den letzten Bundestagswahlen sollen laut Abgeordnetenwatch mehr als 30 frühere Abgeordnete so ein neues Aufgabenfeld gefunden haben.
Um Interessenkonflikten vorzubeugen, gelten für Minister und Staatssekretäre inzwischen sogenannte Karenzzeiten. Danach kann früheren Mitgliedern der Bundesregierung die Aufnahme einer Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes bis zu 18 Monate lang verboten werden, in Bayern sind sogar bis zu 24 Monate möglich.
Günther Felßner ist wenigstens Landwirt und hat eine Ahnung von dem, was er spricht. Es ist ein Phänomen, warum Ministerposten meistens fachfremd besetzt werden. Ein Wirtschaftsminister sollte mal Geschaftsführer gewesen sein, ein Verteidigungsminister Offizier, ein Außenminister Diplomat u.s.w.
Seit wann ist der Landwirtschaftsminister nur für die Bauern zuständig? Am. Besten schauefelt er als ehemaliger Verbandschef unkontrolliert Steuergeld in die Landwirte - selbstbedienungsladen wie in einem 3. Welt Land!
Und was sollte ein Kanzler vorher gewesen sein ? Joschka Fischer war nicht unser schlechtester Aussenminister. Und was er vorher ? Was machte denn Czem Oezdemir falsch, weil er kein Landwirt ist ? Es ist ein Unterschied, ob man etwas falsch macht oder eine Menge Leute damit nicht einverstanden sind.
@Martin Goller: Ganz ehrlich, lieber subventioniere ich die hart arbeitenden Landwirte als alle anderen Berufsgruppen. Meinetwegen sollen sie alle verdienter Weise Millionäre werden. Wenn sich Deutschland nicht mehr eigenständig mit Grundnahrungsmitteln versorgen kann (so wie bei der Energie z.B.) werden wir noch erpressbarer. Ich bin froh, dass die Bundesminister Habeck und Özdemir bald ausgetauscht werden.
Ich muss kein Koch sein um zu wissen, das mir das Essen nicht schmeckt. Daher ist eine fachfremde Besetzung nicht unbedingt von Nachteil, sondern aufgrund von Scheuklappen und eingefahrenen Denkmuster eher noch von Vorteil.
Dann hoffe ich, Sie kaufen regional, saisonal und beim Bauern ums Eck und nicht die billigen Tomaten aus Spanien und das Fleisch aus der Supermarkttheke. Denn damit wäre den Bauern wirklich geholfen, nicht mit Sprüchen über Fachfremdheit der Minister.
Das wird gemacht - schauen Sie sich mal die EU Agrarsubventionen an. Deutschland exportiert seine Nahrungsmittel! Und denken wir mal konsequent weiter: versorgen Sie sich mit allen Gütern selber? Schaf im Garten und Webstuhl im Wohnzimmer? Handel und Arbeitsteilung sind Grundlagen der Zivilisation. Wissen Sie, dass uns zur Zeit die Erneuerbaren Energien aus der Abhängigkeit holen die wir mir anderen Energieträgern haben?
Und was sagen sie zu seinen Verurteilung wegen Gewässerverunreinigung? Da kann er sicher als Landwirtschaftsminister etwas drehen dass soetwas nicht mehr illegal ist. Vielleicht sollten wir auch Pädophile ins Familienministerium holen - haben schließlich eingehende Erfahrungen auf dem Gebiet!
@Maria Reichenauer: Es spricht nichts gegen Supermärkte, weil es sinnvoll und wirtschaftlich ist, die Lebensmittel vom Bauer zu Märkten zu transportieren. Stellen Sie sich einmal vor, wie viel zusätzliche Abgase freigesetzt würden, wenn jeder zum Bauern einkaufen fahren würde. Es wäre die Aufgabe eines Landwirtschaftsministers dafür zu sorgen, dass einheimische Produkte unter Einhaltung des Umweltschutzes und des Tierwohls konkurrenzfähig sind. Die Mehrkosten dafür trägt der Steuerzahler eben über die Subventionen, wenn es schon nicht über den Ladenpreis geht.
>>Wenn sich Deutschland nicht mehr eigenständig mit Grundnahrungsmitteln versorgen kann (so wie bei der Energie z.B.) werden wir noch erpressbarer.<< Herr Rainer, wie viele Jahrzehnte müssen Sie zurückgehen, um ein Jahr zu finden, in dem sich Deutschland eigenständig mit Energie versorgt hat? Durch die Steigerung der Nutzung der Erneuerbaren Energien gerade für die Stromerzeugung und für die Wärmeversorgung wächst übrigens unsere Eigenversorgung.
Zitat: "Wenn sich Deutschland nicht mehr eigenständig mit Grundnahrungsmitteln versorgen kann ..." ............... Keine Sorge bei den Grundnahrungsmittel produzieren unsere Bauern einen Überschuss. Ein Hoch auf Pestizid verseuchte Lebensmittel.
>>Die Mehrkosten dafür trägt der Steuerzahler eben über die Subventionen, wenn es schon nicht über den Ladenpreis geht. << Warum soll es nicht über den Ladenpreis gehen? Mich macht es mittlerweile zornig, weil viele Menschen auf der einen Seite immer mehr verdienen wollen, auf der anderen Seite aber alles immer billiger sein soll. Egal, ob Lebensmittel oder Fahrpreise, immer wird gemeckert, dass es zu teuer sei. Die Krone setzen Sie dann noch drauf mit Ihrer Forderung, dass der Steuerzahler dann eben mit Subventionen dafür sorgen soll, dass alles schön billig bleibt. Wer ist denn der Steuerzahler? Das sind doch Sie selber, seltsame Logik. Denn das Wort Verzicht ist heute unpopulär, in meiner Kindheit gab es noch das schöne Wort Sonntagsbraten. Denn Fleisch war damals teuer, das gab es nur am Sonntag. Heute gibt es das Kilo Schweinefleisch unter 10 Euro - wegen der Massentierhaltung, die ein Landwirt betreiben muss, um wenigstens ein wenig an der Zucht zu verdienen.
@Walter Koenig: Es funktioniert doch nur über Subventionen. Oder wollen Sie im Schengen- Raum auf spanische Tomaten und niederländische Gurken Strafzölle erheben? Anders herum flutet Deutschland die EU mit Schweinefleisch aus fragwürdigen Agrarfabriken. Meintwegen subventioniere ich auch das Fleisch, das ich als Vegetarier nicht esse.
@Herr Rainer, es ist aber leider so, dass gerade die Supermarktketten und Discounter die Hersteller im Preis drücken bis ultimo. Außerdem sind im Supermarkt regionale Produkte immer Nischenprodukte, weil die Ketten nun mal der Lebensmittelindustrie mehr verpflichtet sind als den kleinen Erzeugern. Und fragen Sie mal die Verbraucher, welche Butter sie nehmen – die regionale oder eine andere, die 10 Cent weniger kostet, dafür aber einige hundert Kilometer auf dem Buckel hat? Also wer ist schuld? Der Landwirtschaftsminister ist es nicht, die Lebensmittelketten diktieren die Preise. Wenn ich im Umland regional und saisonal einkaufe, zahle ich einen ordentlichen Preis, habe aber den Kontakt zum Erzeuger und auf den Wochenmärkten kann ich sogar alles auf einmal besorgen, während die Supermarktprodukte durch ganz Deutschland gekarrt werden.
Wenn der gute Mann so qualifiziert ist, warum ist er dann nicht bayrischer Landwirtschaftsminister?
Als Gegensatz zum Vorschlag von Söder könnte man doch einen Bürgergeldempfänger als Bundesminister für Arbeit und Soziales aufzustellen? Das wäre doch genau so dämlich wie der Vorschlag von Söder mit dem Bauernpräsidenten. Immerhin sollte ein Bundeslandwirtschaftsminister für Bürger da sein und nicht nur für das Wohl der Bauern.
Herr Merk, so dämlich wäre das nicht, ein Bürgergeldempfänger wüsste wenigstens, wie das ist, mit Bürgergeld auskommen zu müssen und jeden Euro umzudrehen :-)
da muss ich Ihnen natürlich recht geben.
Felßner ist in seiner Funktion Lobbyist. Als Minister sollte man schon beide Seiten sehen, die der Verbraucher und die der lebensmittelerzeugenden Industrie. Dazu gehört die Landwirtschaft, aber auch die Lebensmittelindustrie, dazu gehören die bayerische Landwirtschaft ebenso wie die in Nord- und Ostdeutschland. Und dazu gehört de Weinbau, die Fischerei etc. Nur die Sicht des bayerischen Landwirts reicht vielleicht in Bayern, aber nicht national und schon gar nicht global. Söder geht es nicht um die bayerischen Bauern, er wiil einfach einen Fuß in der Tür haben, wenn die Posten verteilt werden. Özdemir hat den Spagat zwischen Lebensmittelproduzenten aller Art versucht, gedankt hat man es ihm nicht und ihn mit der üblichen Engstirnigkeit verfolgt.
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