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Skandal um Pfarrer von Hauzenberg: Vorwürfe, Spaltung und Protest gegen Bischof Oster

Kirche

„Fall Hauzenberg“: Vorwürfe gegen einen Pfarrer spalten eine Stadt

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    Das niederbayerische Hauzenberg, im Bild ein Ortsteil, macht derzeit bundesweit Schlagzeilen. Wegen eines katholischen Pfarrers.
    Das niederbayerische Hauzenberg, im Bild ein Ortsteil, macht derzeit bundesweit Schlagzeilen. Wegen eines katholischen Pfarrers. Foto: Armin Weigel, dpa

    Immer größere Kreise hat der „Fall Hauzenberg“ in den vergangenen Wochen gezogen. Inzwischen ist er nicht nur bei überregionalen Medien angekommen, sondern auch beim Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx. Es geht um den Pfar­rer des katholischen Pfarr­ver­bands Hau­zen­berg, einer 12.000-Einwohner-Stadt im niederbayerischen Landkreis Passau. Ihm werden Alkoholexzesse vorgeworfen, „sexualisierte“ Trinkspiele, Grenzüberschreitungen. Fast mehr noch aber geht es um die Folgen, die die Vorwürfe haben – und diese Folgen sind gravierend. Hauzenberg ist gespalten in Unterstützer des Pfarrers, die ihn denunziert und vom Passauer Bischof Stefan Oster ungerecht behandelt sehen. Und in mutmaßliche Opfer und Hinweisgeber, die sich eingeschüchtert und bedroht fühlen von den Unterstützern des Pfarrers.

    Wird hier ein Kleriker zu Unrecht beschuldigt? Oder sind es die mutmaßlichen Opfer, denen weiteres Unrecht geschieht?

    Dass sich Gemeindemitglieder in derartigen Fällen solidarisch mit einem Beschuldigten erklären, ist nicht ungewöhnlich. Sie können oder wollen nicht glauben, dass sich ein beliebter Geistlicher falsch verhalten oder gar strafbar gemacht haben soll. In Hauzenberg jedoch hat der Fall bemerkenswerte Dimensionen angenommen: Zu einem Gottesdienst kamen Hunderte Menschen, um dem Pfarrer ihre Unterstützung zu demonstrieren. Dutzende Ministranten traten aus Unverständnis über den Umgang mit dem Pfarrer zurück, Dutzende Katholiken aus der Kirche aus.

    Längst geht es um Grundsätzliches: Wird hier ein Kleriker zu Unrecht beschuldigt? Sind es die mutmaßlichen Opfer, denen weiteres Unrecht geschieht? Nicht zuletzt: Hat die katholische Kirche aus den zahlreichen Missbrauchsfällen in ihren Reihen gelernt?

    Im „Fall Hauzenberg“ ist nach dem Lärm der vergangenen Tage – Zeitungen schrieben von „Aufstand“ und „Kleinkrieg“ – Schweigen eingekehrt. Zumindest schweigt mancher, der qua Funktion etwas dazu zu sagen hätte. Auf Anfrage unserer Redaktion äußern sich weder das Bistum Passau noch das Erzbistum München noch die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Passau. Diese verweist auf ihre nächste Arbeitssitzung am 14. April. Vorher: kein Kommentar. Einer, der bestens vernetzt ist und sich seit Jahren für Aufklärung und Aufarbeitung einsetzt, nimmt dagegen kein Blatt vor den Mund: „Die Fakten müssen jetzt auf den Tisch“, fordert Richard Kick, Sprecher des unabhängigen Betroffenenbeirats in der Erzdiözese München und Freising. Er kritisiert massiv den zuständigen Passauer Bischof Stefan Oster – und den Betroffenenbeirat im Bistum Passau.

    Das wird dem Pfarrer von Hauzenberg vorgeworfen

    Zunächst die Fakten: Der 47-jährige Pfarrer hat sämtliche Vorwürfe – darunter den, selbst zu viel Alkohol zu konsumieren – bestritten und lässt sich anwaltlich vertreten. Es gilt die Unschuldsvermutung. Am 20. März hatte das Bistum Passau seinen Rückzug als Pfarrer und Dekan per Pressemitteilung bekannt gemacht. In dieser war vage von „Verdächtigungen gegen seine Person, die ihm schwerwiegendes Fehlverhalten in der Jugendarbeit unterstellen“, die Rede. Zudem werde er „der geistlichen Manipulation“ verdächtigt. Das Bistum leitete eine kirchenrechtliche Prüfung in Rom ein und schaltete die Staatsanwaltschaft ein. Bischof Oster sprach ein vorläufiges Zelebrationsverbot aus und untersagte dem Pfarrer, öffentlich als Priester aufzutreten – beides mit Wirkung ab dem 24. März. Die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Passau hatte ebenfalls die Abberufung des Pfarrers gefordert.

    Der Passauer Bischof Stefan Oster ist für viele eine Reizfigur. Die Unterstützer des Pfarrers von Hauzenberg werfen ihm vor, er würde den Geistlichen ungerecht behandeln.
    Der Passauer Bischof Stefan Oster ist für viele eine Reizfigur. Die Unterstützer des Pfarrers von Hauzenberg werfen ihm vor, er würde den Geistlichen ungerecht behandeln. Foto: Armin Weigel, dpa

    Medien berichteten danach, unter Bezugnahme auf einen vom unabhängigen Beauftragten des Bistums für geistlichen Missbrauch erstellten und unter Verschluss gehaltenen Bericht, unter anderem von Saufgelagen mit Ministranten und dass diese bei dem Pfarrer geduscht hätten. Die unabhängige Beauftragte für sexuellen Missbrauch erklärte, es bestehe „latent durchgehend“ der Vorwurf, das Verhalten des Pfarrers würde über ein Anbahnungsverhältnis hinausgehen.

    Das sagte der Passauer Bischof Stefan Oster zum „Fall Hauzenberg“

    Am vergangenen Freitag schließlich meldete sich Bischof Stefan Oster zu Wort. Dass er sich lange nicht geäußert habe, begründete er mit dem „Schutz von Personen und von Persönlichkeitsrechten“, auch habe er „in einer aufgeheizten Stimmung nicht noch mehr Öl ins Feuer“ gießen wollen. Aus Osters Sicht herrscht in Hauzenberg die Meinung vor, der Pfarrer habe sich nichts zuschulden kommen lassen – und er als Bischof werde als der Böse hingestellt. Überdies beklagte er: „Viele, die sich hier kritisch positionieren, erleben sich ausgegrenzt oder gemobbt, bis hin zu konkreten Drohszenarien.“ Und deutlicher: „Es gibt in Hauzenberg eine herrschende Meinung, die auch medial sehr stark gemacht wird. Sie lautet: Einige wenige Personen, die man klar benennen kann, sind die eigentlich Schuldigen an der Misere. Sie haben den Pfarrer beim Bischof hingehängt.“ Oster sagte über den Pfarrer, dieser sei „offenbar ein Menschenfischer“.

    Interessant war, was der Bischof noch erklärte: Auch beim früheren Arbeitsfeld des Pfarrers habe es „Anfragen wie die jetzigen in Hauzenberg“ gegeben, er habe mit ihm darüber ein intensives Gespräch geführt. Später habe man Maßnahmen gegenüber dem Pfarrer verhängt, die „bestimmte Aspekte der Jugendarbeit eingeschränkt haben“.

    Richard Kick: „Ich habe den Eindruck, dass Bischof Oster das Thema möglichst fern von sich halten will“

    Richard Kick, der Sprecher des unabhängigen Betroffenenbeirats in der Erzdiözese München und Freising, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „In diesem Fall wurden und werden viele Fehler gemacht. Ich habe den Eindruck, dass Bischof Oster das Thema möglichst fern von sich halten will. Er hat viel zu spät gehandelt.“ Sowie: „Der Betroffenenbeirat im Bistum Passau hätte ihn vor langem schon nachdrücklich dazu auffordern müssen, persönlich einzuschreiten.“ Beide, kritisiert Kick, hätten in der Öffentlichkeit klar benennen müssen, wie schwer die Vorwürfe gegen den Pfarrer wiegen und inwiefern sie sich bereits belegen lassen. Dies sei nicht geschehen und habe die Spaltung befördert.

    Der „Fall Hauzenberg“ ist bei Weitem nicht beendet. Um den Druck auf die Verantwortlichen zu erhöhen, hat ein Missbrauchsbetroffener aus dem Saarland eine „Meldung“ gemacht, die laut Kirchenrecht in diesem Fall den Münchner Kardinal Marx zum Handeln auffordert: Er muss sich nun damit befassen, ob das Verhalten von Bischof Oster geprüft werden soll oder nicht. Zu prüfen wäre, ob der Passauer Bischof den Fall korrekt dem Vatikan zur Kenntnis brachte. Der renommierte Münsteraner Kirchenrechtsprofessor Thomas Schüller sagte dazu der Passauer Neuen Presse vom Freitag, im Bistum Passau sei man „offenkundig nachlässig“ gewesen. Er gehe davon aus, dass sich Bischof Oster deswegen in Rom werde verantworten müssen.

    Pikant: Mit Oster steht einer der konservativsten katholischen deutschen Bischöfe im Fokus, für nicht wenige ist er eine Reizfigur; Kardinal Marx wiederum hatte sich in den vergangenen Jahren als entschiedener Missbrauchsaufklärer zu profilieren gesucht.

    Auch in Hauzenberg und Passau geht es weiter. Die Unterstützer des Pfarrers wollen am 12. April eine Demo für ihn organisieren. Nach einer Solidaritätskundgebung soll der Protestmarsch zum Domplatz ziehen. Der Pfarrer stehe „für eine lebendige, menschliche und offene Kirche“, erklären sie. Dass Bischof Oster ihn abberufen habe, empfinden sie als zutiefst ungerecht. Sie kündigen weitere Schritte an, darunter die „Verbreitung von Informationsmaterialien wie Plakaten und Flyern“. Hierfür haben sie, Stand Freitag, binnen einer Woche knapp 7000 Euro an Spenden gesammelt.

    Das Bistum Passau erklärt schließlich doch noch Folgendes: „Um mit dieser Krise umzugehen und deeskalierend zu wirken, werden im kleineren Kreis bereits intensiv Gespräche geführt und es findet Austausch statt.“ Über Inhalte könnten aus Gründen der Vertraulichkeit keine Details genannt werden.

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