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Skandal in JVA Gablingen: Misshandlung von Gefangenen?

Justiz

Wurden Gefangene in JVA Gablingen misshandelt? Anwältin erhebt Vorwürfe

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    Die JVA Augsburg-Gablingen wurde 2015 eröffnet. Nun kommen Vorwürfe gegen die stellvertretende Leiterin auf.
    Die JVA Augsburg-Gablingen wurde 2015 eröffnet. Nun kommen Vorwürfe gegen die stellvertretende Leiterin auf. Foto: Marcus Merk

    Einem der modernsten Gefängnisse Bayerns droht ein handfester Skandal: Nach Recherchen unserer Redaktion läuft gegen die stellvertretende Leiterin der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen ein Ermittlungsverfahren. Die Vorwürfe wiegen schwer: Gefangene sollen möglicherweise auf ihre Anordnung hin misshandelt worden sein. Eine Anwältin erhebt schwere Vorwürfe.

    Am Donnerstag hatte es einen größeren Einsatz in dem Gefängnis gegeben, das im Oktober 2015 eröffnet wurde und Platz für mehr als 600 Häftlinge bietet. Polizei und Staatsanwaltschaft marschierten in die JVA ein, um schwerwiegenden Vorwürfen nachzugehen. Der Verdacht: Gefangene sollen geschlagen worden und in den sogenannten besonders gesicherten Hafträumen teils nackt, ohne Decke und ohne Matratze eingesperrt worden sein.

    Gefangene misshandelt? Polizei rückt in der JVA Augsburg-Gablingen an

    Die Augsburger Staatsanwaltschaft hält sich noch recht bedeckt. Sie bestätigte am späten Freitagnachmittag auf Anfrage den Polizeieinsatz in der JVA Gablingen. Es gehe um die Überprüfung interner Vorgänge auf ihre strafrechtliche Relevanz hin im Hinblick auf Körperverletzung im Amt, teilte Pressesprecher Andreas Dobler mit.

    Die Ermittlungsbehörde bestätigte auch weitere Informationen unserer Redaktion: „Es besteht der Anfangsverdacht, dass einzelne Gefangene möglicherweise unbekleidet in einem „besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände“ untergebracht worden sein sollen, ohne dass die besonderen Voraussetzungen für diese Maßnahme vorlagen“, so Dobler wörtlich. Zudem gehe die Staatsanwaltschaft Vorwürfen nach, wonach es zu tätlichen Übergriffen einzelner Beschäftigter auf einzelne Gefangene gekommen sein soll. Bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung. Für ein Disziplinarverfahren gegen die hohe Justizbeamtin ist nach Informationen unserer Redaktion die Generalstaatsanwaltschaft München zuständig.

    Gegen die stellvertretende Gefängnis-Leiterin läuft ein Ermittlungsverfahren

    Die sogenannten „besonders gesicherten Hafträume“ (BGH) sind so ausgestattet, dass eine Selbstverletzung und insbesondere ein Suizid verhindert werden können. Es gibt nur ein Klo aus Edelstahl sowie eine Matratze und eine Decke oder einen gepolsterten Schlafsack, die jeweils aus schwer entflammbarem und schwer zerreißbarem Material hergestellt sind. Steckdosen gibt es keine. Dafür wird der Raum per Kamera überwacht. In Gablingen gibt es fünf solcher Räume, bayernweit gab es, Stand 2020, 81 davon.

    Häftlinge können in diesen speziellen Zellen untergebracht werden, wenn aufgrund ihres Verhaltens oder ihres seelischen Zustands erhöht Fluchtgefahr besteht oder die Gefahr von Gewalttätigkeit gegen Personen oder Sachen besteht, dazu gehört auch die Gefahr der Selbstverletzung oder des Suizids. Dass einer ihrer Häftlinge in solch einer Zelle war, hat eine Anwältin wohl nur durch Zufall während eines Prozesses erfahren. Wie sie gegenüber unserer Redaktion erzählt, habe ein Sachverständiger während einer Verhandlung am Rande erwähnt, dass der Angeklagte dreimal in einem sogenannten BGH war. „Ich wurde sofort hellhörig und schrieb meinem Mandanten einen Brief“, so die Anwältin. Der Häftling habe in einem Brief geantwortet und die Umstände geschildert.

    Vorwürfe der Anwältin: Nackt auf Boden geschlafen

    In seinem und in einem weiteren Fall eines Mandanten hat die Rechtsanwältin Anzeige gegen die Leitung der JVA erstattet. Für ihre Mandanten habe kein Grund bestanden, sie in Einzelhaft in diesen Zellen unterzubringen, sagt sie. Ihre Mandanten seien in den Zellen nackt gewesen, sie hätten nicht mal die üblichen Papierunterhosen erhalten. Beide hätten auf dem Betonboden schlafen müssen. Nur weil einer mehrmalig um eine Matratze gebeten habe, hätte er eine dünne bekommen. Es habe keine warmen Mahlzeiten gegeben, sondern nur eine Scheibe Brot mit etwas Wurst, erzählt sie weiter. Einer der beiden erhielt ihren Aussagen nach nur ein Glas Wasser am Tag, das Licht sei rund um die Uhr ausgeschaltet gewesen, es habe keine frische Luft gegeben. „Gefühlt herrschten darin 40 Grad.“ Das Traurige sei, meint die Anwältin, dass Häftlinge häufig nichts sagen würden.

    Einer ihrer beiden betroffenen Mandanten habe von Geburt an eine Hirnschädigung und daher eine gewisse Grenzbegabung. „Ich glaube, ihm war gar nicht bewusst, dass ihm im Gefängnis Unrecht getan wurde.“ Auch würden Häftlinge oft aus der Überzeugung heraus nichts sagen, dass ihnen ohnehin niemand glauben würde. Laut der Anwältin hätten ihr interne Quellen von Besuchen der sogenannten Folterkommission erzählt. Die Besuche seien aber angekündigt, die Missstände vorher beseitigt worden.

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    Immer wieder kommen in Bayern Vorwürfe von Insassen auf

    Bei ihrer Eröffnung Ende 2015 galt die JVA Augsburg-Gablingen als modernste im Freistaat, ein Vorzeigeprojekt der bayerischen Justiz. Bis zu 609 Männer, viele von ihnen in Untersuchungshaft, sind dort überwiegend in Einzelhafträumen untergebracht. Die Insassen stammen aus der gesamten Region, das Zuständigkeitsgebiet erstreckt sich bis Ingolstadt und Landsberg am Lech. Rund 300 Bedienstete sind dort angestellt, Leiterin ist Zoraida Maldonado de Landauer.

    Es ist nicht selten, dass in Gefängnissen Vorwürfe gegen Bedienstete erhoben werden. Häufig stellen sich die Sachverhalte aber anders dar, als von den Gefangenen geschildert. Wenn nun die Vorwürfe zu einem Ermittlungsverfahren führen, ist das ungewöhnlich.

    Über die JVA Gablingen gibt es auch eine dreiteilige Dokumentation unserer Redaktion.

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