Oksana Pryluka zeigt in die Kiste. Sie lächelt. „Für die Kinder“, sagt sie. Ihr eigenes ist dreieinhalb Jahre alt. Es war wenige Monate auf der Welt, als Oksana Pryluka mit ihm nach Deutschland geflüchtet ist. Vor dem Krieg in der Ukraine. Seitdem packt die 32-Jährige regelmäßig Päckchen für ihre Landsleute. Dieses Mal bei Minustemperaturen Weihnachtspäckchen für Mädchen und Buben, die zwischen Drohnenangriffen, Angst und Zerstörung aufwachsen.
„Das tut meiner Seele gut“, sagt Oksana Pryluka. So kann sie den Menschen in der Ukraine, die seit fast drei Jahren im Krieg leben, helfen. Für die anderen Ehrenamtlichen im Allgäuer Sulzberg hat sie eine Spezialität aus ihrem Heimatland gebacken: Kiewer Torte. Im Schnitt nehmen zehn bis 15 Frauen und Männer Lebensmittel, Hygieneartikel und Schlafsäcke entgegen. Jeden Samstag.
„Stand with Ukraine - unser Allgäu hilft“: Hilfsorganisation aus Sulzberg erhält Silberdistel-Auszeichnung unserer Redaktion
„Stand with Ukraine - unser Allgäu hilft“ heißt die Hilfsorganisation, die seit den ersten Angriffen Russlands auf die Ukraine Spenden und Geld sammelt. Während andere ihre Unterstützung bald wieder eingestellt haben, helfen die Ehrenamtlichen in Sulzberg weiter. Dafür erhalten sie nun die Silberdistel, die renommierte Auszeichnung unserer Redaktion. Thomas Ritter weiß nicht genau, wie viele Touren er mit seinem 40-Tonner schon in die Ukraine gemacht hat. „Etwas über 40“, schätzt er. „Das waren mehr“, sagt Uschi Piater. Kurz wärmt sie ihre Hände an einer heißen Tasse mit schwarzem Kaffee. Dann empfängt sie ein Paar, das den mit Spenden voll bepackten Kofferraum seines Autos öffnet.
Wie in einer Logistik-Firma haben sich die Ehrenamtlichen organisiert. Sie arbeiten eng mit zwei Organisationen in der Ukraine zusammen, die ihnen mitteilen, was die Menschen vor Ort benötigen. Die Allgäuer Helferinnen und Helfer wiegen alle Spenden. Was sie wo in welchen Container packen, ist vorab ausgetüftelt. Uschi Piater holt ein Papier aus einer Klarsichthülle. Etwa mittig im Container sind Weihnachtspäckchen, vorn Lebensmittel. Alles ist genau festgehalten.
Die Bürokratie hat auch bei den Hilfstransporten zugenommen. „Da wurde viel Schindluder getrieben“, sagt Thomas Ritter. Die ukrainische Regierung wolle verhindern, dass Spenden gebunkert oder zu Geld gemacht werden. „Was in 90 Tagen nicht verteilt ist, kostet Steuern.“
Sicherheit geht vor, wenn die Allgäuer Hilfsorganisation in die Ukraine fährt
Thomas Ritter kann sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt ein langes Wochenende seine Freizeit genossen hat. Seit dem Ukraine-Krieg fahren er und andere Freiwillige mit Lkw seiner eigenen Firma durch Europa, um in Lwiw im Westen der Ukraine die Spenden abzuliefern. Vier Tage ist er unterwegs, 3000 Kilometer legt er zurück. Ob er ins Land reinfährt, entscheide er am Tag vorher. „Wenn alles voller Drohnen ist, dann nicht.“ Sicherheit geht vor.
Seine Frau Petra Schulte-Ritter kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit und die Organisation, ebenso wie Uschi Piater. Alles in ihrer Freizeit. Und dann sind da das Kernteam an Helferinnen und allerhand Unterstützer im Hintergrund. Die einen gestalten Dekoartikel für den Weihnachtsmarkt, Seniorinnen stricken Socken. Andere stehen samstags parat, um Spenden einzupacken. Andrea Klaus beispielsweise sammelt Kerzenreste. Mit Sägemehl bastelt sie aus dem eingeschmolzenen Wachs sogenannte Grabenkerzen, die je nach Größe mehrere Stunden warm halten. Oder bei einem Stromausfall eine Suppe erhitzen.
Und Heiligabend? Den feiern die Ehrenamtlichen mit anderen Helferinnen und Helfern in der Ukraine
Seit fast drei Jahren setzen sich die Ehrenamtlichen für die kriegsgebeutelten Menschen in der Ukraine ein. „Für uns ist das selbstverständlich“, sagt Uschi Piater. „Was wäre, wenn der Krieg bei uns ist und keiner hilft?“ Sandra Vietze motivieren die Bilder, die zeigen, dass die Hilfsgüter bei den Bedürftigen angekommen sind. Außerdem sind sie alle zu einem „richtig tollen Team“ zusammengewachsen, sagt Heidrun Schmölz.
Vier Säulen machen ihre Unterstützung laut Petra Schulte-Ritter erst möglich. Ohne Helferteam ginge nichts. Aber auch nicht ohne die vielen Spenden der Bevölkerung. Und die Gemeinde Sulzberg stellt den Ehrenamtlichen kostenlos ein Lager zur Verfügung. Die vierte Säule: die Fahrer um Thomas Ritter.
„Es sind Freundschaften entstanden“, sagt dieser. Am Freitag startete er die nächste Tour. Seine Frau Petra Schulte-Ritter fährt mit. Und Heiligabend? Den feiern sie in der Ukraine - zusammen mit Ehrenamtlichen der ukrainischen Hilfsorganisationen.
Auszeichnung: Mit der Silberdistel ehrt unsere Redaktion seit vielen Jahren Menschen aus der Region für ihr besonderes, bürgerschaftliches Engagement.
Handwerk: Der Preis besteht aus einer Urkunde und einer kunstvoll in Silber gearbeiteten Distelblüte, die eigens in der „Alten Silberschmiede“ in Augsburg angefertigt wurde.
Vorschläge: Jede Leserin, jeder Leser kann Vorschläge für unsere Auszeichnung machen. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden sich in unseren Lokalredaktionen.
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